Paulas, Erika
1875 - ?
- Biographie:
- "Fräulein Erika Paulaß, die 28jährige Tochter eines Ingenieurs, hat sich zur Ablegung der Architektenprüfung in Budapest gemeldet. Auf Grund ihrer Praxis in Architektenkanzleien und des Besitzes einer Maurermeister-Qualification wurde Fräulein Paulaß die theoretische Vorprüfung erlassen, hingegen wird sie sich dem praktischen Theile der Prüfung zu Beginn des Frühjahrs unterziehen. Die Prüfung besteht in der selbständigen Leitung der Arbeiten an einem öffentlichen Bau in Anwesenheit und unter Controle des Prüfungscomités."
(aus: Frauenleben, 12. Jg., Nr. 3, 1900, S. 8)
- Die erste Architektin in Ungarn.
Von S. Blumgrund, Budapest
Das neue Jahrhundert beginnt für die ungarische Partei der Frauenrechtlerinnen mit einem unterwarteten feministischen Erfolg. Das weibliche Geschlecht hat auf seinem Siegeszuge, auf dem es die Grenzen seiner Thätigkeit immer weiter steckt, in Ungarn ein neues, ihm bisher verschlossenes Gebiet, das Feld der technischen Fächer und der exacten Wissenschaften, erobert. Dieses Arbeitsfeld hat sich ein 25jähriges Mädchen Namens Erika Paulaß, die Tochter des städtischen Oberingenieurs von Bistritz (Siebenbürgen) auserkoren und sich zur Ablegung der Architektenprüfung gemeldet. Schon als Schülerin einer Mädchenschule in ihrem Geburtsorte Zürich zeigte das Fräulein eine bei Mädchen seltene und auffallende Neigung und Begabung für Zeichnen und Rechnen. Nach der Uebersiedlung ihres Vaters nach Siebenbürgen war der unerbittliche Ernst des Lebens für sie von einer so zwingenden Brutalität, daß sie sich veranlaßt sah, eine Diurnistenstelle im städtischen Bauamt, wo auch ihr Vater angestellt war, anzunehmen. Nachdem sie sich als Mitarbeiterin ihres Vaters glänzend bewährt hatte, ging sie wieder nach Zürich, um an der Polytechnik die Gegenstände des Baufaches zu hören. In ihre neue Heimat zurückgekehrt, arbeitete sie in mehreren Architektenkanzleien und führte nach ihren Bauplänen ganz selbständig einige Bauten im Sachsenlande aus, die allseits, namentlich bei den Behörden, warme Anerkennung gefunden haben. Mit einem Aufwande von seltener Consequenz, Willenstärke und Ausdauer ging sie nun daran, den gesetzlich vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erlangen, um als Baumeisterin auf eigene Faust thätig sein zu können. Trotz aller Anstrengungen der Herren Baumeister, die in ihr eine gefährliche Concurrentin zu erwarten hatten, wurde ihr in Klausenburg die Maurermeister-Qualification ertheilt. Seither hatte sie sehr oft Gelegenheit, glänzende Beweise ihrer Fachtüchtigkeit zu liefern. Zwölf große Gebäude, die unter ihrer selbständigen Leitung aufgeführt wurden, haben selbst bei ihren Gegnern Anerkennung gefunden. Nach solchen Erfolgen verlangte sie die Erschließung des ganzen Arbeitsgebietes und meldete sich zur Ablegung der Architektenprüfung. Auf Grund ihrer glänzenden Zeugnisse wurde Fräulein Paulaß die theoretische Prüfung erlassen. Nun hat sie sich dem praktischen Theile der Prüfung zu unterziehen und leitet in Anwesenheit und unter der Controle des Prüfungs-Comités die Arbeiten an einem öffentlichen Bau. Es ist dies eine Aufgabe, die außer den Kenntnissen und der Fachtüchtigkeit, auch Energie und Umsicht erfordert. Fräulein Paulaß verfügt über diese vorwiegend männlichen Eigenschaften in ausreichendem Masse und es wird ihr zweifellos gelingen, auch diesen Befähigungsnachweis zu erlangen. Es wäre ihr zu wünschen, denn sie kämpft einen ununterbrochenen Kampf nach mehreren Richtungen, den Kampf um die Existenz ihrer Eltern und Geschwister, den Kampf gegen das eigene Selbst und den Kampf gegen die Männer, die ihre Concurrenz fürchten."
(aus: Frauenleben, 12. Jg., Nr. 4, 1900, S. 6)
- "Bistritz. (Siebenbrgen.) Die Frau als Architekt. Das weibliche Geschlecht hat auf seinem Siegeszuge, auf dem es die Grenzen seiner Tätigkeit immer weiter steckt, in Ungarn ein neues, ihm bisher verschlossenes Gebiet erobert, nämlich das Feld der technischen Fächer. Die erste Architektin ist Fräulein Erika Paulas. Sie ist eine Schweizerin. In Zürich im Jahre 1875 als Tochter eines Ingenieurs geboren, lebt sie seit dem jahre 1883 mit ihren Eltern in Bistritz, wo ihr Vater die Stelle eines städtischen Oberingenieurs bekleidet. Hier besuchte sie die Bürgerschule und zeigte früh Talent zum Zeichnen. Im Jahre 1892 gelang es ihr, eine Anstellung als Zeichnerin am städtischen Ingenieuramt in Bistritz zu erhalten. Sie wendete sich dem Bauzeichnen zu und brachte es ohne jegliche Vorbildung bald soweit, dass sie eines Tages zum Erstaunen ihres vorgesetzten trefflich ausgearbeitete Pläne zu einem siebenbürgischen Kasernenbau vorlegen konnte. Nach drei Jahren praktischer Arbeit legte sie im Jahre 1895 die Maurerprüfung mit glänzendem Erfolge in Klausenburg ab und bestand dann auch alle Architekten-Prüfungen in Budapest. Die junge Dame hatte einen erbitterten Kampf mit der Missgunst und dem Brotneid der Konkurrenz auszufechten. Dazu war das Mädchen schwach und kränklich. Aber nachdem sie einige Prachtbauten aufgeführt hatte und von Bekannten mit dem nötigen Kapital ausgestattet wurde, mehrten sich die Aufträge und ihr Ruf von Tag zu Tag. Als sie um die Zulassung zur Baumeister-Prüfung einschritt, petitionierte sogar eine Deputation ihrer Konkurrenten beim Minister, dass ihr diese verweigert werde. Am 17. April l. J. hat Fräulein Paulas die Baumeisterprüfung erfolgreich bestanden. Jetzt errang sie einen grossen Erfolg. Fräulein Paulas ging nämlich bei der jüngst erfolgten Preisausschreibung um den Bau des bistritzer Forstdirektionspalais aus dem überaus heftig geführten Konkurrenzkampf als Siegerin hervor. Es ist dies der erste Fall, dass eine Frau einen ärarischen Bau und zwar von grossen Dimensionen leiten wird. Die junge Architektin hat den mit 150 000 Gulden präliminierten Bau dieser Tage in Angriff genommen. Im Sommer d. J. wurde ihr bereits der Bau eines neuen Krankenhauses in der Stadt Mediasch übergeben. Fräulein Paulas ist die erste ungarische Dame, die sich diesem Berufe widmet und darin ihrem Geschlechte mit gutem Beispiele vorangeht.
(aus: Frauen-Werke, 8. Jg., Nr. 1, 1901, S. 3)
Letztes Update: 16. März 2004