Spuren der Verirrten (Textfassung 1)

Bleistiftmanuskript, 30 Blatt, 05.07.2005 bis 22.07.2005

Druckversion

Bei der ersten Textfassung von Peter Handkes Theaterstück Spuren der Verirrten handelt es sich um ein mit Bleistift geschriebenes Manuskript von 30 Blatt Umfang. Die ersten beiden Blätter – ein Titelblatt mit der Aufschrift »Spuren der Verirrten« (Bl. I) und das Blatt mit dem Textanfang (Bl. II) – sind unpaginiert. Die restlichen 28 Blatt sind mit einer Seitenzählung von 2-29 versehen. Diese Fassung entstand den am linken Blattrand vermerkten Datierungen der einzelnen Schreibtage zufolge in der Zeit von 5. bis 22. Juli 2005, das heißt in einer Gesamtzeit von nur 18 Tagen, bei einem Tagespensum von durchschnittlich ein bis zwei Seiten.

Streichungen und Textergänzungen

Das Bleistiftmanuskript enthält vor allem im hinteren Teil etliche Korrekturen – darunter kleinere Textergänzungen (Bl. 4, 17, 19, 22, 24, 28) und Streichungen (Bl. 22, 23, 25, 27), die zum Teil massiv sind und über ganze Seiten verlaufen. Sie betreffen in erster Linie die eher theoretischen Passagen zur reflexiven Figur des »Dritten« oder zur Tragödie. Zum Beispiel strich Handke in einer Szene zwischen Mann und Frau ganze eineinhalb Seiten aus dem Dialog, in dem über den »Dritten« oder den Anderen, den Nachbarn, gesprochen wird. Die Streichung beginnt mit den Worten: »Schon wieder brauche ich den Dritten. Wo ist der Dritte, der mich sehen läßt, daß ich da bin? \Daß ich noch etwas anderes als bloß ich bin?/ Der meine Vorstellung, du da und ich seien ausweglos gefangen in einem Labyrinth, ich als dein Gefängener\iswärter/ und du als \der/ meine, durch sein bloßes Erscheinen wegzaubert als unser beider Wahn?" – Sie: "Den Dritten gibt es nicht mehr, endgültig. Der Dritte ist abgeschafft. Der Dritte ist gestorben. Gestrichen. Annulliert, und zwar ersatzlos. Nicht einmal unsern Einsatz – und Gott weiß daß der groß war – bekommen wir zurück." – Er: "Unser Dritter aus dem Spiel? Out? In der Rumpelkammer der Geschichte? Damit erst die Tragödie endgültig. Und jetzt spielt der Tragödie letzter Akt. Wenn es wenigstens ein ganzer, \ein/ richtiger, ein ausführlicher, ein klassischer letzter Akt wäre!"« (Bl. 22)

Randnotizen zur weiteren Überarbeitung

Gelegentlich findet man an den seitlichen oder unteren Blattrand geschriebene Notizen oder Textergänzungen zur weiteren Bearbeitung, wie etwa die Einträge: »Dritter : Stunde« (Bl. 13), »Unser (zueinander) sticht alles – Du hast geschrien wie ein Mann«, »Ach, du liebe Zeit«, »Er trägt sie wirft sie sich über die Schulter«, »Pilger« (Bl. 16) oder »wollte bloß die Uhrzeit wissen«, »Das ist das Stichwort {(schein)}« »(3.) š Minderheitenmeinung«, »Gegen die Wissenschaft« (Bl. 23) sowie »Einer weint immer«, »Einer lacht sich schief«, »Einer lacht sich gerade, keiner ist mehr da«, »nächste ohne den 3. die Menge {xxxxx a.} Stelle, kreuz u. quer {irrend} – aber nicht mehr {abgehend, auftretend}« (Bl. 24). Die Notizen haben den Charakter von Beiblattnotizen zur ersten Textfassung und könnten daher beim Überarbeiten der ersten beziehungsweise beim Tippen der zweiten Fassung entstanden sein.

Vergleich zur zweiten Textfassung

Die erste Textfassung wurde von Handke in Folge stark überarbeitet. Eine auffällige Veränderung betrifft die Einführung des beobachtenden Ichs, des Erzählers, der anstelle von neutralen Regieanweisungen das Geschehen berichtet (ohne allerdings zur Figur zu werden). Lautet der Anfang des zweiten Absatzes im Bleistiftmanuskript noch: »Zunächst also zum Beispiel zwei, die im Gehen ihren Weg markieren. Das muß nicht mit Brotbrocken sein, und die beiden müssen keine Kinder sein, und es muß auch nicht für den Rückweg sein.« (Bl. II), so heißt diese Stelle im Typoskript der zweiten Fassung: »Zunächst sehe ich also zwei, die im Gehen ihren Weg markieren, mit Brotbrocken\?/ Es sind Erwachsene, keine Kinder. Ist es für den Rückweg?« (ÖLA 326/07/W72, Bl. 1; vgl. SV 8)

Kopie

Noch vor der letzten Überarbeitung fertigte Handke eine Kopie des Manuskripts an (Besitz 2), die den Text vor den Streichungen und Randnotizen dokumentiert. Die Textergänzungen dagegen sind darin bereits enthalten – sie müssen demnach noch während der Niederschrift der ersten Fassung entstanden sein. Den kopierten Manuskriptseiten sind neun Blatt einer Manuskriptkopie von Handkes 2004 erschienener Erzählung Don Juan (erzählt von ihm selbst) (ÖLA 326/07/W31/3) beigelegt. Ob Handke diese für die Bearbeitung des Stückes verwendet hat oder nicht, konnte nicht eruiert werden. (kp)

Siglenverzeichnis  Editorische Zeichen

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorlage): 

Spuren der Verirrten [Bl. I]; Spuren der Verirrten [Bl. II]

Entstehungsdatum (laut Vorlage):  5. Juli 2005 [Bl. II]; 6. Juli 2005 [Bl. 2]; 7. Juli 2005 [Bl. 4]; 8. Juli 2005 [Bl. 5]; 9. Juli 2005 [Bl. 6]; 10. Juli 2005 [Bl. 8]; 11. Juli 2005 [Bl. 9]; 12. Juli 2005 [Bl. 11]; 13. Juli 2005 [Bl. 12]; 14. Juli 2005 [Bl. 14]; 15. Juli 2005 [Bl. 15]; 16. Juli 2005 [Bl. 17]; 17. Juli 2005 [Bl. 19]; 18. Juli 2005 [Bl. 20]; 19. Juli 2005 [Bl. 22]; 20. Juli 2005 [Bl. 23]; 21. Juli 2005 [Bl. 25]; 22. Juli 2005 [Bl. 26]; (22. Juli 2005, später Nachmittag) [Bl. 29]
Datum normiert:  05.07.2005 bis 22.07.2005

Materialart und Besitz

Besitz 1:  Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
Art, Umfang, Anzahl: 

Bleistiftmanuskript, 30 Blatt, fol. I-II, pag. 2-29

Format:  A4
Schreibstoff:  Bleistift