Konvolut aus Notizlisten (zur Textfassung 2)

Manuskript, 17 Blatt, ohne Datum

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Das Konvolut besteht aus 17 Manuskriptblättern mit Peter Handkes Notizen zum Theaterstück Untertagblues, die vom Archiv mit einer Folierung von 1-17 versehen wurden, wobei Blatt 13 unbeschrieben ist. Es handelt sich um eine Sammlung von als Sätzen formulierten Schmähungen des wilden Mannes. Ein paar Notizen sind auch der »WF«, der wilden Frau, zugeschrieben. Manche Schmähungen sind bereits einzelnen Szenen wie der (unterschiedlich abgekürzten) vorletzten Station (z.B.: Bl. 8r, 9, 10, 11) zugeordnet. Die Notate könnten aus den Notizbüchern exzerpiert worden sein – das wäre zumindest ein nicht unübliches Arbeitsverfahren Handkes. Das auf Blatt 5 nach der Notiz »Würdenträger (s. 25.2.)« (Bl. 5) vermerkte Datum könnte auf einen umfangreicheren Notizbucheintrag hinweisen. Die Notizen sind mit unterschiedlichen Schreibgeräten geschrieben, was darauf hindeutet, dass sie nicht in einem Durchgang entstanden sind. Sie sind wie in einer Liste untereinandergereiht und mit laufender Nummerierung versehen, wobei die eingekringelten Nummern das typische Erscheinungsbild ergeben.

Haken, Striche und Sternchen

Die Notizen wurden teilweise mit Bleistift abgehakt, durchgestrichen oder mit roten Kugelschreibersternchen gekennzeichnet. Die Bedeutung der Sternchen vor den Nummern 15, 16, 30, 31, 36, 41, 49, 58, 59, 64, 66, 68, 71, 76, 78, 79, 80, 81, 84, 85, 88, 107, 113 ist unklar, sie könnten aber die Zuordnung zur vorletzten Szene, in welcher der wilde Mann alleine im U-Bahn-Waggon sitzt, markieren. Viele der Notizen findet man in dieser Szene verarbeitet, zum Beispiel »* 30 Meine Sehnsucht dabei nach dem allerdichtesten Gedränge ~ Sežana – Divača« (Bl. 2, vgl. U 71), »* 36 Ah, die ersten Züge danach n. d. langen Streik, der Waschgeruch, die 1. Pass. {dann [Steno]}« (Bl. 2; vgl. U 70) oder »* 71 Euch wegdenken. Wie gut tut es, euch wegzudenken. \Euch/ Wegdenken war sich freidenken. Wo bleibt ihr, daß ich euch mir wieder und wieder wegdenken kann?!« (Bl. 5; vgl. U 70). Die Häkchen dürften bedeuten, dass die Notiz berücksichtigt wurde, die Durchstreichungen, dass sie verworfen wurde – zumindest wurde die Mehrzahl dieser Stellen nicht im veröffentlichten Text realisiert, wie zum Beispiel die Notizen mit den Nummern 23 (Bl. 1), 60, 63, 65 (Bl. 4). Ganz einheitlich lassen sich diese durchgestrichenen Notizen aber nicht interpretieren, manche dürften wie die abgehakten Notizen die Einarbeitung im Text bedeuten, etwa die Nummern 17, 26 (Bl. 1) oder 96-99 (Bl. 7).

Liste 1-2

Das Konvolut enthält nicht eine durchgehende Liste, sondern mehrere, die auch zum Teil eigene Überschriften haben: »2. Liste UTBl« (Bl. 11), »Strecke allein« (Bl. 14), »Letzte Schmähungen 1« (Bl. 15), »Letzte Schmähungen 2« (Bl. 16) und »Letzte Station« (Bl. 17). Eine erste Einschätzung des Materials hat eine Aufteilung in sieben Listen ergeben. Die erste Liste besteht aus acht Blättern, die Notizen mit einer durchlaufenden Nummerierung von 15-117 enthalten. Das Blatt mit den ersten vierzehn Notizen fehlt, die Einträge 115-117 wurden von Handke mit rotem Kugelschreiber durchgestrichen. Blatt 1-2 wurde mit schwarzem Fineliner, Blatt 3-5 mit blauer Tinte, die Blätter 6, 7 und 12 mit rotem Stift verfasst. Es handelt sich trotz der fehlenden Seite um die längste Liste in diesem Konvolut; sie dürfte auch zuerst entstanden sein. Eine zweite Liste ergeben die mit rotem Stift geschriebenen Notizen auf den Blättern 9 und 10, die mit Buchstaben von a-z sowie von z2-z8 durchgezählt sind.

Liste 3

Die dritte mit blauem Kugelschreiber verfasste Liste wurde von Handke mit der Überschrift »2. Liste UTBl« (Bl. 11) versehen. Sie besteht aus Notizen von 1-20 (Bl. 11, 8r). Die beiden letzten Notizen wurden von Handke allerdings mit rotem Kugelschreiber durchgestrichen. Darunter reihte er Nummern zwischen 40 und 66 in einer Kette aneinander. Diese Nummernkette könnte den Schlüssel zu seiner Arbeitsmethode, der Montage von Schmähungen, darstellen. Eine Reihe lautet beispielsweise: »42, 44, 46, 47 (vorl. St.) (auch 45)« (Bl. 8r) oder »57 (vorl. St.) 58 (stürzt auf einen los)« (Bl. 8r). Auf der Rückseite von Blatt 8 schrieb Handke Notizen mit den Nummern 115-122, wobei die Nummer 120 doppelt vorkommt. Dabei könnte es sich um eine nachträgliche Fortschreibung der ersten Liste handeln. Dort strich Handke die letzten Nummern 115-117 mit rotem Kugelschreiber.

Liste 4-7

Die folgenden drei mit blauem Kugelschreiber geschriebenen Listen weisen ebenfalls Überschriften auf. Sie enhalten jeweils nur wenige Einträge. Das von Handke mit »Strecke allein« (Bl. 14) übertitelte Blatt zählt 13 Einträge, die Listen »Letzte Schmähungen 1« (Bl. 15) und »Letzte Schmähungen 2« (Bl. 16) insgesamt 27 Notizen, und das Blatt »Letzte Station« (Bl. 17) versammelt nur mehr drei Einträge. Auf der vierten Liste »Strecke allein« (Bl. 14) findet man viele der »Sternchen-Notizen« wieder, was die Funktion der Sternchen zur Szenenzuordnung bestätigt, sie entspricht der Szene 19 (der vorletzten Station) im veröffentlichten Buchtext.

Datierung

Eine Schwierigkeit bereitet die Verwendungsart der Listen, denn die Inhalte wiederholen sich teilweise; es sieht aus, als hätte Handke die Notizen der ersten (langen) Liste für eine weitere szenische Zuordnung auf den kleineren Listen (oft aber nicht in gleicher Form) wieder abgeschrieben. Eindeutig bestätigen lässt sich das aber nicht.

Auch die Entstehungszeit der Listen ist nicht einfach einzuschätzen, sie dürften aber bei der Überarbeitung der ersten zur zweiten Textfassung entstanden sein. Ein Vergleich der Einträge mit der ersten Textfassung hat kaum Übereinstimmungen gezeigt, während man viele der Notizen in der zweiten Textfassung verarbeitet findet. Diese Arbeits- und Datierungsthese wird durch das einzige in diesen Listen vorhandene Datum »25.2.« (Bl. 5) unterstützt, da die Vorbereitungen zur Arbeit an der zweiten Fassung Ende Februar/Anfang März begonnen haben dürften. Manche der Notizen findet man in ähnlicher Form wieder auf den Listen mit Textergänzungen zur dritten Textfassung oder zu den Druckfahnen erster Lauf, was darauf hindeuten könnte, dass Handke nicht alle Ideen beim Schreiben der zweiten Textfassung verwendet oder sie zumindest noch weiter ausgestaltet hat. Zum Beispiel findet man die beiden Notizen der ersten Liste »99 Nieser: anzusehen, daß er chronisch niest, laut – niest u. spielt Cello« (Bl. 7) und »116 Fängst du einmal zu niesen an, niest du so weiter bis zum Ende der Fahrt, schonungsloses Geniese schon in der Schule hast du alle genervt, und das hast du jetzt weltstreckenweit ausgedehnt« (Bl. 12) in einer Fortsetzung auf der zweiten Liste wieder: »d Wenn du einmal zu niesen anfängst, niest du jeweils weiter bis zum Ende der Fahrt, keiner, der verschont {wird [Steno]} mit deinem Geniese. Schon in der Schule hast du alle mit deinem ewigen Niesen genervt, und jetzt hast du dieses dein Niesen weltweit vernetzt« (Bl. 9). Die Stelle wurde in der zweiten Textfassung in der Szene 18 realisiert: »Und du bist der, der zum Feierabend Cello spielt und dabei dauernd niest.« (ÖLA 326/W64, Bl. 43f.) Der zweite Teil der Notiz wurde weggelassen. Handke bearbeitete diese Stelle noch einmal in der dritten Textfassung (ÖLA 326/W64/2, Bl. 2; vgl. DLA, SUA, A: Suhrkamp Verlag, Textfassung 3, Bl. 23) und sogar noch in den Druckfahnen erster Lauf (ÖLA 326/W66/1, S. 60, 62) weiter.

Notiz zur Aufführung

Die Rückseite des ersten Blattes (das Blatt wurde mehrfach gefaltet und ist stark in Mitleidenschaft gezogen) enthält Handkes mit Bleistift geschriebene Notizen (in der unteren Blatthälfte) zu einem vorübergehenden Aufführungsverbot seines Stückes sowie den Entwurf zu seiner mit Datum und Initialen versehenen Ankündigung: »Aufgrund der Medienreaktionen zu meiner Sophokles-Übertragung "Ödipus in Kolonos" ist xxx \mir/ klar geworden, daß xx \eine Aufführung/ gegenwärtig keinen Sinn hat \– nicht am Platz ist/, mein\es/ Stückes Stück "Untertagblues" aufzuführen \gegenwärtig/ \im Augenblick nicht am Platz ist,/ und ich möchte es zur Wahrung im Sinne des Urheber-Schutzes vorderhand zurückziehen. (Das betrifft nicht die Publikation des Schauspiels). [/] P.H. [/] 2. Juni 2003.« (Bl. 8v) Der Datierung nach entstand diese Notiz erst kurz vor Drucklegung. Die für 2003 geplante Uraufführung von Untertagblues im Rahmen der Wiener Festwochen wurde damals tatsächlich aufgrund der Ablehnung seiner Ödipus-Übersetzung abgesagt. (kp)

Siglenverzeichnis Editorische Zeichen

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorlage): 

UTBl (Bl. 11)

Datum normiert:  ohne Datum

Materialart und Besitz

Besitz:  Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
Art, Umfang, Anzahl: 

Manuskript, 17 Blatt, fol. 1-17

Format:  A4
Schreibstoff:  Füllfeder (blau), Fineliner (schwarz, rot), Kugelschreiber (rot, blau), Bleistift