Lektürenotizen zu Anton Haderlap: Graparji

Manuskript, 4 Blatt, ohne Datum

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Zu Peter Handkes vorbereitender Lektüre für Immer noch Sturm zählte Anton Haderlaps 2008 im Drava-Verlag Klagenfurt erschienener Erinnerungsbericht Graparji. So haben wir gelebt. Erinnerungen eines Kärntner Slowenen an Frieden und Krieg (die folgenden Zitate aus Haderlap geben den Text der 2. Auflage von 2011 wieder). Ihm wichtige Stellen notierte Handke mit grünem (Bl. I), großteils aber mit schwarzem Kugelschreiber auf Briefpapier des Hotels Mećavnik (Serbien) und nummerierte die einzelnen Notizen zur besseren Verwendung beim Schreiben des Theatertextes mit eingekreisten Zahlen von 1-53 durch. Dieses undatierte Exzerpt umfasst vier Blätter, die ab dem zweiten Blatt von 2-4 paginiert sind. Drei der Blätter wurden mit Autornamen und/oder Titel des exzerpierten Werks gekennzeichnet.

In Immer noch Sturm sind zahlreiche Ideen und Bilder aus Haderlaps Erinnerungen eingeflossen. Etwa notiert Handke in seinem Exzerpt: »Taufkerze f. d. toten Paten« (Bl. I) und bezieht sich damit auf eine Textstelle bei Haderlap, in der eine frühe Kindheitserinnerung geschildert wird: »Niemand wollte mir sagen, was der Grund war, dass mein Pate tot auf der Bahre lag. [...] Er war von den Finanzern beim Schmuggeln erwischt und erschossen worden. [...] Ich brachte dem toten Paten meine Taufkerze, die ihm zum Abschied brannte.« (Haderlap 2011, S. 53f.) In Immer noch Sturm wird dieses Bild übernommen, als die Großmutter um ihren gefallenen Sohn trauert: »So ist Benjamins Taufkerze jetzt also zur Totenkerze geworden. Laßt uns nachhause gehen und sie anzünden.« (IS 68)

Ein weiteres Beispiel für eine Übernahme aus Graparji ist folgende Textstelle in Immer noch Sturm: »Und dazu erst der Friedensvorgeschmack, ja, Geschmack, Patenkind: Das war, als wir auf einer Lichtung den frischen Löwenzahn ausgegraben haben, ihr wißt ja, Eltern, den ersten und feinsten Salat im Jahr. Von einem Moment zum nächsten haben wir alle unsere Waffen abgelegt – nein, nicht ganz alle, einer hat noch Wache gehalten –, haben uns auf den Bauch geworfen, Dutzende von Kämpfern, die Lichtung voll von Auf-dem-Bauch-Liegern, welchselbige die Löwenzahnsprossen mitsamt den Wurzeln ausgegraben haben, ein paar mit den Taschenmessern, die meisten bloß mit dem Eßlöffel, so einem –" – er zeigt den seinen im Kreis – "– den ein jeder seit Kriegsanfang bei sich trägt – wesentlicher Teil unserer Ausrüstung! Eimer um Eimer voll von dem frischen Löwenzahn. Und wie wir dann über den hergefallen sind. Nichts hat uns jemals besser geschmeckt, Leute. Und nichts wird uns je besser schmecken. Und so wie das Essen jetzt, so wird der Friede sein! hat dabei einer gesagt, und danach alle, alle.« (IS 127)

Handkes umfangreiche Lektürenotiz mit der Nummer 48 belegt, dass auch diese Schilderung von Haderlaps Erinnerungen inspiriert wurde: »Kriegsende, Lust auf Grünes – Röhrlsalat, wußte [/] wo er wächst [/] – Stechen, auf allen Vieren, einer hält Wache [/] ganze Wanne voll, Ragout m. Kartoffeln, [/] – Gier, verschlucken "wir verspeisten d. ganze [/] Wanne voll [/] "Vorbote des anderen [/] Lebens – 6. Mai 45« (Bl. 3) (Vanessa Hannesschläger)

Siglenverzeichnis Editorische Zeichen

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Zusätzlich eingetragene Werktitel:  Graparji; Haderlap; Graparji (A. Haderlap)
Datum normiert:  ohne Datum

Materialart und Besitz

Besitz:  Literaturarchiv Salzburg
Art, Umfang, Anzahl: 

Manuskript, 4 Blatt, I, pag. 2-4; alle 4 Blatt auf Briefpapier des Hotels Mećavnik

Format:  14 x 19 cm
Schreibstoff:  Kugelschreiber (schwarz, grün)