Zurüstungen für die Unsterblichkeit. Ein Königsdrama (Textfassung 1b)

Typoskript und Manuskript, Kopie, 124 Blatt, 22.05.1995 bis 27.05.1995

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Peter Handke fertigte vom Typoskript der ersten Textfassung seines Theaterstücks Zurüstungen für die Unsterblichkeit eine Kopie an (Textfassung 1b). Sie zählt 124 Blatt, die nach einem Titelblatt (Bl. I), einem Figurenblatt (Bl. II) und einem Mottoblatt (Bl. III) die mitkopierte Paginierung von 1-121 aufweist. Da der Verbleib der Kopiervorlage, des zwischen 11. Jänner und 12. März 1995 geschriebenen Originaltyposkripts, bislang unbekannt ist, ermöglicht diese Kopie eine Rekonstruktion der ersten Textfassung (1a).

Bleistiftkorrekturen

Interessant an dieser Typoskriptkopie (Textfassung 1b) sind vor allem die darin enthaltenen zahlreichen Bleistiftkorrekturen, die starke Eingriffe in den Text zeigen. Handke korrigierte nicht nur einzelne Wörter, sondern fügte auch längere Textstellen ein, schrieb Teile um oder strich etliche (mitunter seitenlange) Passagen, besonders im hinteren Teil des Stücks. Zum Beispiel entfernte er den letzten Abschnitt in der Schlussrede der Erzählerin und schrieb stattdessen einen langen Absatz zum »Gesetz« dazu (Bl. 121); die Textergänzung, der neue Schluss, macht im gedruckten Buch die gesamte letzte Seite aus (ZU 134). Im Zuge dieser Korrekturen fügte Handke auch die Zeit- und Ortsangaben ein. Das Stück spielt »[u]ngefähr vom letzten Weltkrieg bis jetzt und darüber hinaus« (Bl. II), »zum Beispiel im Bergland von Andalusien, oder sonstwo« (Bl. 1). Nicht alle Korrekturen wurden bei der Überarbeitung zur zweiten Textfassung übernommen. Manche Stellen wurden von Handke in der Form von Textfassung 1a belassen, andere weiter umgearbeitet.

Gestrichen wurden zum Beispiel auch dramenreflexive Bemerkungen, die das Stück deutlicher als Kunst und in der Entstehung selbst kennzeichnen sollten. So sagte Felipe im 6. Akt vor der Streichung: »Vielleicht möchte ich mich einfach nur hier verstecken. Und Zuschauer sein. Der gute Zuschauer, der unser Drama hier mitgestaltet?« (Bl. 31) Die Erzählerin sprach vor der Überarbeitung (sie wurde allerdings später wieder rückgängig gemacht) zum Volk: »Meine Erzählungen von tausendundeinem Morgen. Und wie \es sich/ das war \auf das Weltgeschehen auswirkte/ als man mich dann unterwegs einmal eingesperrt hat, wißt ihr ja, hoffentlich, alle aus Ferdinand Raimunds "Gefesselter Phantasie"? [...] Die heutige Spielart der Episode von der ihrer Flügel beraubten \entkleideten/ Einbildungskraft muß schärfer ausfallen. Sie kann kein Feen-Märchen mehr sein. Sie ist ein Drama.« (Bl. 35; vgl. ZU 47f.) Oder im 10. Akt meinte Pablo: »Wenn sich meine Aussicht nicht endlich ändert, wird demnächst in diesem Theater etwas passieren!« (Bl. 71)

Ebenfalls gestrichen wurden etliche, vielleicht zu deutliche Anspielungen, wie etwa in der später weggelassenen Passage der Anführer-Rede: »Und der einzige in der Geschichte bisher geglückte Umkehrprozeß, der Prozeß der Angeklagten gegen die Richter, "Der Prozeß" Franz Kafkas, hätte von mir \als dem Zeitgenossen/ verbrannt, auch keinem der Millionen der danach Dahineingeborenen als ihr Befreiungsweg offengestanden. Wir sind Desperados, aber keine Angeklagten! Und mit mir zur Stelle hätte es nicht nur keinen Ballzauberer Emilio Butragueño gegeben, sondern auch keinen Butragueño Zwei, Drei und Vier.« (Bl. 82; vgl. ZU 96) Getilgt wurden auch die Vergleiche des Volkes bzw. der Welt mit Kaspar Hauser: Pablo meinte vor der Streichung: »Mein Volk, wie es jetzt ist, \und nicht bloß dieses,/ hat etwas von einem Findelkind, von einem Kaspar Hauser, \von/ einem Wolfsjungen.« (Bl. 111), und die Erzählerin sprach in einer nicht in die zweite Textfassung übernommenen Textergänzung über die Menschen: »Die Menscheit ist verlassener denn je, mutterseelenallein. [...] Eine Art von Gesetz muß her, bevor die Liebe aus der Welt schwindet, und sie schwindet mit jedem Tag mehr. Die ganze heutige Welt kommt mir vor als ein verschlepptes, an einen Verschlag gekettetes elternloses Kind – die ganze Welt als ein einziger Kaspar Hauser.« (Bl. 106)

Datierung

Die Korrekturen wurden von Handke genau datiert und lokalisiert; sie entstanden während einer insgesamt zweiwöchigen Spanienreise (Handke / Unseld 2012, S. 651) an den fünf Tagen zwischen 22. und 27. Mai 1995 im »Parque del Principe« von »Cáceres« (Bl. 16), »auf dem Weg von Cáceres zum Sanctu\a/rio de la Montaña)« (Bl. 39), »in Trujillo« (Bl. 62), am »Friedhof Trujillo« (Bl. 76), »in Oropesa, auf der Olivenbaumweide, besucht v. zwei lieben Hunden« (Bl. 101) und schließlich »am río Tajo/Talavera, römische Brücke« (Bl. 121). (kp)

Siglenverzeichnis Editorische Zeichen

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorlage): 

ZURÜSTUNGEN FÜR DIE UNSTERBLICHKEIT [/] Ein Drama Königsdrama [Bl. I]; Zurüstungen für die Unsterblichkeit [/] Drama [Bl. 1]

Entstehungsdatum (laut Vorlage):  11. Januar 1995 bis 12. März 1995 [laufende Datierung der 1. Textfassung in der Kopie]; 22.5.1995 bis 27.5.1995 [Datierung der Korrekturen mit Bleistift]; Korr. 22.5.95. Cáceres Parque del Principe [Bl. 16]; 23.5.95. (Korrektur auf dem Weg v. Cáceres zum Sanctu\a/rio de la Montaña) [Bl. 39]; Korr. 24.5.95. in Trujíllo [Bl. 62]; Korr. 25.5.95. Friedhof Trujíllo [S. 76]; Korr. 26.5.95. in Oropesa, auf der Olivenbaumweide, besucht v. zwei lieben Hunden [Bl. 101]; Ende Korr. 27.5.95. am rio Tajo/Talavera, römische Brücke [Bl. 121]
Datum normiert:  22.05.1995 bis 27.05.1995
Entstehungsorte (laut Vorlage): 

Cáceres Parque del Principe [Bl. 16]; Weg von Cáceres zum Sanctu\a/rio de la Montaña [Bl. 39]; Trujíllo [Bl. 62]; Friedhof Trujíllo [Bl. 76]; Oropesa [Bl. 101]; río Tajo/Talavera, römische Brücke [Bl. 121]

Materialart und Besitz

Besitz:  Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
Art, Umfang, Anzahl: 

Typoskript 1-zeilig und 2-zeilig und Manuskript, Kopie, 124 Blatt, I-III, pag. 1-121, mit eh. Korrekturen

Format:  A4
Schreibstoff:  Bleistift, Fineliner (rot), Filzstift (schwarz)