Die Bibliothek des bayerischen Benediktinerklosters ging im 2.
Drittel des 16. Jahrhunderts zugrunde. Nach Bericht des Humanisten Johannes Aventinus (1477-1534) war sie im Jahr 1524
noch gut erhalten, im Jahr 1558 stellte der herzogliche Verwalter jedoch fest,
daß die besten Bücher weggekommen und die restlichen in üblem Zustand seien;
der noch vorhandene Bestand wurde 1589 den Jesuiten in Ingolstadt übergeben[1].
Für die hier Biburg zugeschriebenen Cod. 716, 878, 1023 und 1072 gibt es keine
Anhaltspunkte zu ihrer mittelalterlichen Provenienz, und da sie alle bereits
1576 in der Wiener Hofbibliothek nachweisbar sind, kamen sie vielleicht im 16.
Jahrhundert auf ungeklärtem Weg direkt nach Wien. Insgesamt sind zur Zeit, die
Wiener miteingerechnet, kaum mehr als ein Dutzend Handschriften bekannt: S.
Krämer hat 10 Codices vom 12. bis zum 15. Jahrhundert zusammengestellt[2],
dazu kommt noch Cod. Hamilton 252 der
Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin, der dem 12. Jahrhundert
angehört[3].
Kunsthistorisch sind
romanische Biburger Handschriften auch im Zusammenhang mit der Buchmalerei
österreichischer Klöster von Interesse, da der Salzburger Erzbischof Eberhard
I. vor seiner Amtszeit (1147-1164) dem Kloster als Abt vorstand; bei einer in
der Universitätsbibliothek München verwahrten, 1147 von Eberhard gestifteten
Bibel (2� Cod. Ms. 28) hat z.B. E. Klemm auf Gemeinsamkeiten mit Salzburger
Arbeiten hingewiesen[4].
Engere Beziehungen gab es auch zum steirischen Benediktinerkloster Admont, aus
dem zweimal Mönche als Äbte nach Biburg berufen wurden[5]
- Arx vermutet sogar, daß Johannes von Admont, zwischen 1178 oder 1188 bis 1199 Abt des
bayerischen Klosters, das mit Initialen verzierte Biburger Rituale (Budapest,
Cod. lat. m. ae. Nr. 330) geschrieben hat[6],
was allerdings noch zu prüfen ist.
Die Cod. 716, 878, 1023 und 1072 stehen stilistisch aber in einem
anderen Zusammenhang. Die beste Handschrift, Cod. 716, wurde zum Teil von einem
stark rheinländisch geprägten Maler ausgestattet, der auch für den Buchschmuck
in Clm 14375 der Bayerischen Staatsbibliothek und vermutlich auch in Cod.
Hamilton 252 (Berlin, Staatsbibliothek) verantwortlich ist[7].
Gegenüber diesen Arbeiten fällt die Qualität einer anderen Gruppe von Initialen
in Cod. 716 und in den anderen drei anderen Handschriften deutlich ab, aber es
ist zu sehen, daß das Formengut des geübten Malers immer wieder übernommen
wird. Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß ein aus dem Rheinland berufener Buchmaler
- ein Mitbegründer Biburgs, Bischof Otto I. von Bamberg (1102-1139), war auch
am Rhein tätig[8] und wird
durch einen neuzeitlichen Nachtrag mit der Berliner Handschrift in Verbindung
gebracht[9]
- einen Teil der Biburger Buchproduktion im 12. Jahrhundert wesentlich
mitbestimmt hat.
Cod. 716, fol. 45v | Vgl. Cod. 716, fol. 35r |
[1] W. v. Arx, Das Klosterrituale von Biburg (Budapest, Cod. lat. m.
ae. Nr. 330, 12. Jh.) - Spicilegium Friburgense 14, Freiburg 1970, 9.
[2] S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Teil 1: Aachen - Kochel (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Ergänzungsband 1), S. 84
[3] G. Suckale-Redlefsen, Die Handschriften des 12.
Jahrhunderts (Katalog der illuminierten Handschriften der Staatsbibliothek
Bamberg, Bd. 2), Wiesbaden 1995, XIX, und Fingernagel, Berlin, 1999, Nr. 134.
[4] E. Klemm, Gab es eine Windberger Buchmalerei ?, in: Anzeiger des
Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1980, 7-29, bes. 22 und Abb. 19.
[5] Vgl. P. Lindner, Monasticon Metropolis
Salzburgensis antiquae - Verzeichnisse aller Aebte und Pröpste der Klöster der
alten Kirchenprovinz Salzburg, Salzburg 1908, 393: Isinrik aus Admont
1174-1178 und Johannes aus Admont 1188-1199; beide kehrten nach ihrer Amtszeit nach Admont zurück.
[6] Arx, Klosterrituale, 1970, 49, 51 - Die
Regierungszeit Johannes' wird hier im Gegensatz zu Lindner, Monasticon, 1908
mit 1178-1199 angegeben. Der unpublizierte Buchschmuck ist auf S. 15 und 20f.
beschrieben.
[7] Vgl. die einhellige Ableitung des Stils bei Klemm,
München, 1980, Nr. 21, und Fingernagel, Berlin, 1999, Nr. 134.
[8] Klemm, Windberg, 1980, 11.
[9] Der Eintrag bezeichnet Otto als Schreiber, doch
haben nach Suckale-Redlefsen, Bamberg, 1995, XIX, mehrere Schreiber an der
Handschrift mitgearbeitet; vielleicht enthielt der Codex vor seiner Neubindung
im 18. Jahrhundert einen Verweis auf Otto als Auftraggeber - zu Einband und
Eintrag vgl. Fingernagel, Berlin, 1999, Nr. 134.