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- Schwarz, Olly, geb. 10. März 1877 Prag, gest. 1960 Chicago. Frauenrechtlerin, Pädagogin, Gründerin der Wiener Handelsschule [sic!] für Mädchen und des "Athenaeums", der Hochschule für Frauen, 1939 Emigration in die USA.
(aus: Wlaschek)
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Olly Schwarz wird als Olly Frankl 1877 in Prag in eine assimilierte jüdische Familie hineingeboren; der Großvater ist Anwalt, der Vater Getreidehändler, die Mutter freisinnig und kunstinteressiert, der Bruder Paul Frankl wird später Professor für Kunstgeschichte in Halle. Schon in der Jugend entwickelt sie großes Interesse für öffentliche und soziale Fragen, erste frauenemanzipatorische Ideen entwickeln sich unter dem Einfluß der Dramen von Ibsen. Als 1897 nach der Sprachenverordnung des Grafen Badeni in Prag nationalistische Unruhen losbrechen, beschließt die Mutter eine Übersiedlung nach Wien, die 1898 stattfindet. 1899 stirbt der Vater kurz vor ihrer Hochzeit mit dem Arzt Prof. Dr. Emil Schwarz.
In Wien findet sie Anschluß an den Kreis um den Volksbildner Prof. Ludo Hartmann, dem Gründer des "Universitäts-Dozenten-Vereins", der die Bestrebungen um höhere Frauenbildung unterstützt und das "Athenäum - Abhaltung von Hochschulkursen für Frauen und Mädchen" gründet; Olly Schwarz wird in den Arbeitsausschuß gewählt.
Als nächstes gehört sie dem Vorstand des Vereins "Neuer Wiener Frauenklub" an und wird Leiterin der Musikabteilung des Klubs. Da ihre "Interessen jedoch mehr auf dem Gebiet der Frauenbildung und Frauenberufe lagen und über den Rahmen des Klubs weit hinaus gingen" entwickelt sie die Idee, eine Handelsakademie für Mädchen zu gründen und gewinnt dafür auch die Physikerin Olga Steindler (später mit Felix Ehrenhaft verheiratet). Es wird der "Verein für höhere kommerzielle Frauenbildung" gegründet und der eremitierte Ministerpräsident Ernest von Körber als Ehrenpräsident gewonnen. "Im Herbst 1907 wurde die Akademie mit einer großen Schülerzahl eröffnet, der wir auch einen Abiturientinnenkurs angefügt hatten, um Absolventinnen von Obermittelschulen in einem einjährigen Kurs für das Wirtschaftsleben zu schulen." Olga Steindler wird Direktorin, Olly Schwarz Kuratorin der Schule.
Nach dem zweiten Semester widmet sie sich der Vermittlung der Absolventinnen des Abiturientinnenkurses: "Alle dreißig Mädchen wurden untergebracht mit höheren Anfangsgehältern als Schülerinnen der niederen Handelsschulen und mit weiteren Aufstiegsmöglichkeiten für später. Für mich bedeuteten die Erfahrungen bei der Vermittlung der Abiturientinnen mehr als einen sachlichen Erfolg; sie bewiesen mir, wie sehr mein Interesse und meine Fähigkeiten nach einer Richtung hinzielten, nämlich zur BERUFSBERATUNG." Sie tritt in den Vorstand der "Vereinigung der arbeitenden Frauen" ein und findet dort eine "wenn auch embryonale Beratungsstelle für Mädchen" vor. Sie absolviert einen vierwöchigen Kurs für Berufsberaterinnen in Berlin, der sie darin bestärkt, "die Beratungsstelle auf eine höhere Stufe zu heben". Um das Unternehmen auf eine breitere Basis zu heben, gewinnt sie - gegen Widerstände des "Vereins-Patriotismus" ankämpfend - den "Bund Österreichischer Frauenvereine" für ihren Plan, eine "Zentralstelle für weibliche Berufsberatung" zu errichten. Im Mai 1914 nimmt sie am Internationalen Kongreß des Frauenweltbundes in Rom teil und wird vom BÖF mit einem Referat über weibliche Berufstätigkeit in Österreich betraut.
Der Kriegsausbruch macht weitere Initiativen zunichte. Olly Schwarz meldet sich zum Dienst im Kriegsspital in der Wiener Stiftskaserne. Nach acht Monaten muß sie aus Gesundheitsgründen den Pflegedienst aufgeben. Nach ihrer Genesung widmet sie sich wieder der Berufsberatung und setzt im Jänner 1916 die Gründung eines Verbandes durch, der den eingebürgerten Namen "Zentralstelle für weibliche Berufsberatung" weiterbehält. Es folgen Vorträge an Schulen auch in anderen Städten, wie Salzburg, Prag, Brünn und Troppau. 1917 wird von ihr eine erste "Tagung für die Berufsinteressen der Frauen" organisiert und abgehalten. Im weiteren Verlauf des Krieges tritt sie dem "Kuratorium für Kriegerwitwen" bei, "einer Gründung, die auf kriegs-patriotische Motive zurückzuführen war" und "unter dem großen Einfluß der Katholischen Frauenorganisation" steht. Anläßlich der Einweihung eines eigenen Hauses für Kriegerwitwen erhält Olly Schwarz für ihr soziales Wirken das Kriegskreuz II. Klasse und den neu geschaffenen Titel eines "Bundesstaatlichen Fürsorgerates". Sie tritt dem "Frauenbeirat der österreichischen Heeresverwaltung" bei, in dem die Probleme der weiblichen Arbeitskräfte beim Heer behandelt werden, was zur Bestellung eigener Inspektorinnen führt. "Mit dem Eintritt des Jahres 1917 näherten wir uns schon dem Kriegsende und es galt, sich für die Zeit der Abrüstung vorzubereiten, um die Massen der Arbeitssuchenden dann in das normale Wirtschaftsleben zurückzuführen." Beim "Arbeitsnachweis der Stadt Wien" werden erste Kurse für Beamte eingerichtet und Olly Schwarz hält dort Einführungen in die Praxis der Berufsberatung. In der "Zentralstelle" werden außerdem Berufsberaterinnen ausgebildet, die dann im Dienst des Arbeitsamtes Aufnahme finden. Im Herbst 1917 wird ein neues "Ministerium für soziale Verwaltung" eingerichtet, wodurch die Berufsberatung einen mächtigen Antrieb erhält und Olly Schwarz in enge Kontakte zum Ministerium gerät. Es wird eine eigene "Kommission für Frauenarbeit" mit Unterausschüssen eingesetzt. "Ich war auch an den Verhandlungen des Ausschusses für Hausgehilfinnen interessiert, weil eine Vorlage zu einem Hausgehilfinnengesetz bevorstand, um die ganz veraltete Dienstbotenordnung zu ersetzen. Dadurch hoffte ich, dieser Frauenberuf würde eine höhere Stufe erreichen." Die Vorlage beim Sektionschef, der auch Professor für Arbeitsrecht an der juridischen Fakultät ist, verläuft negativ. "Erst längere Zeit wpäter wurde die Hausgehilfinnenfrage von den gesetzgebenden Körperschaften aufgenommen, als die radikalen Strömungen die Oberhand gewonnen hatten, was sich bei der Erlassung des Gesetzes bestimmend auswirkte." Mitten in einer Sitzung der Kommission wird Adelheid Popp ans Telefon gerufen und verbreitet die Mitteilung, daß Kaiser Karl als Monarch abgedankt habe und die Ausrufung der Republik kurz bevorstände. "Damit hatte auch die Stunde zur Auflösung unserer Kommissionen geschlagen, denn mit der Gewährung voller Bürgerrechte der Frauen in der Republik war dieses Zwischenstadium überholt."
Olly Schwarz besucht einen weiteren Kurs für Berufsberater in Berlin und erstattet vor einer großen interessierten Menge Bericht. Nach ihren Ausführungen tritt der zuständige Ministerialreferent auf sie zu mit den Worten: "Sie haben gesiegt. Jetzt wird es ernst mit der Überführung der privaten Berufsberatung in die öffentliche Verwaltung". Am 2. Dezember 1919 ergeht ein Erlaß des Ministeriums an alle Bürgermeister von Städten mit eigenem Statut, "in welchem die Notwendigkeit zur Errichtung kommunaler Ämter für Berufsberatung angeregt wurde". Die Gemeinde Wien zögert zunächst, doch Olly Schwarz findet in den sozialdemokratischen Frauenführerinnen, "die sich für alle neuen sozialen Augaben energisch einsetzten", Verbündete.
Olly Schwarz widmet sich in dieser Zeit auch den Wahlen zum konstituierenden Nationalrat, an denen erstmals Frauen teilnehmen. Hier findet sie sich in einem Zweispalt "zwischen meiner Hinneigung zur Sozialdemokratie und der Verpflichtung, für den Demokraten Dr. Julius Ofner, den greisen Vorkämpfer für Freiheitsideen. Er war es, der immer im Parlament für alle Frauenforderungen eintrat und als Abgeordneter der Frauenwelt erachtet wurde. Ich wollte nicht mit fliegenden Fahnen zu den Sozialisten übergehen, sondern unsere Dankeschuld an Dr. Ofner abstatten. Dieser Konflikt erhöhte sich noch durch die Kandidatur von Dr. Ludo Hartmann, mit dem ich das Athenäum gegründet hatte, der auf der sozialdemokratischen Liste gerade in meinem Wahlbezirk kandidierte. Immer hatte ich den Wunsch, nach Verleihung des Wahlrechts, meine Stimme für Dr. Hartmann abzugeben. Und jetzt war ich daran verhindert! Fast war ich für seine Liste entschlossen; aber zuvor wollte ich doch die Meinung von Dr. Hartmann telefonisch einholen. Als Antwort gab er seine Zustimmung für Dr. Ofner. Er meinte, seine Partei sei nur froh, wenn Dr. Ofner möglichst viele bürgerliche Stimmen zufallen. Die Partei ziehe dies bei weitem den politischen Überläufern vor, die doch bald wieder in einem anderen politischen Lager auftauchen würden." Sie läßt sich für die - chancenlose - Demokratische Partei als Wahlkadidatin aufstellen und geht zur Wahl: "Der Wahltag rückte heran. Mit klopfendem Herzen betrat ich das Wahllokal. Der Andrang war sehr groß und ich hatte Zeit, mir durch den Kopf gehen zu lassen, was wir Frauen gelitten, erkämpft und erreicht hatten. Jetzt gab es keine Wahlvorschrift mehr: 'Minderjährige, Schwachsinnige und Frauen haben kein Wahlrecht.' Mit zitternder Hand warf ich den Wahlzettel in die urne, aber mit erhobenem Haupt verließ ich die Zelle, politisch großjährig, mit gleichen Bürgerrechten." Der Wahlausgang war, wie vorausgesehen, eine völlige Niederlage beider demokratischer Parteien, die wegen ihrer Zersplitterung keinen einzigen Kandidaten durchbrachten. Die Demokraten waren dadurch politisch erledigt und der Weg zur Sozialdemokratie stand mir offen." Sie widmet sich erneut der Überführung der privaten Berufsberatung in die Stadtverwaltung. Am 12. Juli 1921 genehmigt der Gemeinderats-Ausschuß ein Übereinkommen mit der "Zentralstelle", deren Beratungsstelle von der Gemeinde Wien übernommen wird, "bei gleichzeitiger Anstellung ihrer Vorsitzenden zur Leiterin der weiblichen Abteilung des Berufsberatungsamts der Stadt Wien".
Am 2. April 1922 tritt sie als Gemeindebeamtin ihren Dienst an und wird bald mit vielfältigen, auch schwierigen Fällen konfrontiert. Besonders bei den Berufswünschen der weiblichen Jugend stößt sie auf ein großes Hindernis: "das waren die Innungsmeister, die nach der mittelalterlichen Tradition äußerst konservativ waren und selbst in der österreichischen Republik noch ein politisches Wort mitsprechen konnten. Dazu gehörte auch, die Frauen vom Eindringen in Gewerbe, soweit es sich nicht um die eng begrenzten Frauengewerbe handelte, abzuhalten." Im Laufe der Jahre erfährt das Berufsberatungsamt immer größere auch internationale Anerkennung und wird zu einem Vorzeigeprojekt der Gemeinde Wien. Gemeindeintern jedoch hat sie mit dem Neid der männlichen Beamtenschaft zu kämpfen. Auch die politischen Ereignisse, das Aufkommen des Austro-Faschismus überschattet ihr Leben. Das Gemeindebudget wird gekürzt und die Berufsberatung kann nur durch die Angliederung an das Landesarbeitsamt für Wien gerettet werden. Olly Schwarz wird in Ehren in Pension geschickt.
Sie gibt ein berufskundliches Lesebuch für schulentlassene Mädchen heraus ("Wir stehen im Leben", veröffentlicht vom Verlag der Tagblatt Bibliothek und später von den Nazis beschlagnahmt. Doch "mit dem Einsetzen des Austro-Faschismus kam ein Rückschlag, der weniger meinem Buch als dessen Autorin galt. Alles, was vorher mit der 'Roten Gemeinde' in Verbindung stand, wurde in Acht und Bann getan." Sie bleibt Vorsitzende der "Zentralstelle" und organisiert weiter berufskundliche Führungen und Vorträge. Ab 1933, nach Hitlers Machtübernahme, ergoß sich ein Flüchtlingsstrom über Österreich und Olly Schwarz arbeitet in der Flüchtlingsfürsorge für die "Liga für Menschenrechte". 1936 wird mit einer umfangreiche Festschrift "Zwanzig Jahre Zentralstelle für weibliche Berufsberatung" und einer Festversammlung dieses Jubiläum gefeiert.
[Es folgen ausführliche Reisebeschreibungen, die Geschichte ihrer Emigration und das neue Leben in den USA, die hier nicht widergegeben werden.]
(Zusammenfassung von Helga Hofmann-Weinberger auf Grundlage der "Lebens-Erinnerungen von Olly Schwarz", Manuskript aus dem Bestand des Instituts für Geschichte der Juden, St. Pölten: Erinnerungen
österreichischer Juden. Die Lebenserinnerungen. Bei der Zusammenfassung wurden vor allem jene Ausschnitte berücksichtigt, die für die österreichische Frauenbewegung von besonderer Relevanz sind.)
- Werke an der ÖNB (bis 1929):
- Werke an der ÖNB (nach 1929):
- Berufskunde. Gewerbliche Frauenberufe. Verf. v. Olly Schwarz u. Helene Corradini. - Wien: Kammer f. Arbeiter u. Angestellte 1930. - Aus: Berufskundl. Archiv. 1930.
Signatur: 589630-C
- Wir stehen im Leben! Berufskundl. Erzählungen f. junge Mädchen. - Leipzig, Wien, Berlin: Steyrermühl-Verl. [1934]. - (Tagblatt-Bibliothek. 1034/35.)
Signatur: 544404-B.1034/35
- Lebens-Erinnerungen / von Olly Schwarz . - Chicago, Ill. , 1959.
Maschinengeschriebenes Typoskript, vervielfältigt
Standort: 1495832-C
- Bildernachweis (Bildarchiv der ÖNB):
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