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- Biographie:
- Jellinek Camilla, geb. Wertheim, Schriftstellerin. * Wien, 24. 9. 1860; + Heidelberg, 5. 10. 1940. Tochter des Dermatologen G. Wertheim, seit 1883 Gattin des Georg Jellinek, Schwiegertochter von Adolf Jellinek. Besuchte 1875-77 die beiden obersten Klassen der vierjährigen höheren Bildungsschule des Wr. Frauen Erwerb-Ver. (die erste anerkannte Mädchenmittelschule in Wien) mit ausgezeichnetem Erfolg und hörte nach ihrer Heirat an der Univ. Heidelberg philosophische, und juridische Vorlesungen. Trat in den Bund dt. Frauenvereine ein, 1900-33 Vorsitzende und Leiterin der Rechtsschutzkommission für Frauen in Heidelberg, 1907 Vorsitzende der Rechtskommission des Bundes dt. Frauenvereine, seit 1915 Mitgl. des Gesamtvorstandes des Bundes dt. Frauenver., 1926-30 Vorsitzende des bad. Bundes für Frauenbestrebungen. J., mit echt Jurist. Sinn begabt, widmete ihre Beredsamkeit, ihren Scharfsinn und ihre beharrliche Arbeit der Frauenfrage, stand ungezählten rat- und hilflosen Frauen klug und gewissenhaft zur Seite und leitete auch andere zu gleicher sozialer Arbeit an. 1930 Dr.jur. h.c. der Univ. Heidelberg.
W.: Frauenforderungen zur Strafrechtsreform, 1908; Die weibliche Bedienung im Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe, 1909; Die Eroberung des Dorfes X, in: "Neues Frauenleben", 1914, S. 281; Die Frau im neuen Deutschland, 1920; Die Frauenbewegung in Deutschland, 1921; G. Jellinek. Sein Leben, in: N. Österr. Biogr., Bd. 7, 1931, S. I36ff.; etc. Hrsg. von Schriften über Frauenfragen (1909-26).
L.: Die Frau. Organ des Bundes dt. Frauenver. Ms. für das gesamte Frauenleben unserer Zeit, Jg. 38, 1930/31, H.2, S. 120; Wininger; Wer ist's? 1935; H. Svelstrup-A. v. Zahn-Harnack, Die Frauenfrage in Deutschland...1790-1930, 1934, S. 47, 53, 156, 557, 676.
(aus: ÖBL , Bd 3, Lfg.12, S.101)
- Jellinek Camilla, geb. Wertheim, Frauenrechtsaktivistin und Sachschriftstellerin
Geb. Wien, 24.9. 1860
Gest. Heidelberg, Deutsches Reich (Heidelberg, Deutschland), 5.10.1940
geograph. Lebensmittelpunkt(e): Wien, Heidelberg
Herkunft, Verwandtschaften: Vater Gustav Wertheim, Dermatologe
LebenspartnerInnen, Kinder: verheiratet mit 1883 Georg Jellinek, Jurist, (1851 - 1911); Schwiegertochter
von Adolf (Aaron) Jellinek, Rabbiner und Theologe (Drslawitz b. Ung. Brod./Drslavice/Uhersky Brod,
Mähren, 26.1.1820 - Wien, 28.12.1893)
Ausbildungen: 1875 - 77 Besuch der beiden obersten Klassen der Höheren Bildungsschule des Wiener
Frauenerwerbsvereins mit ausgezeichnetem Erfolg, ab 1883 nach ihrer Heirat philosophische und
juristische Vorlesungen Uni Heidelberg
Laufbahn: C. J. trat vor der Jahrhundertwende dem Bund deutscher Frauenvereine bei. Sie war von 1900
bis 1933 Vorsitzende und Leiterin der Rechtsschutzkomission für Frauen in Heidelberg. 1907 wurde sie
auch Vorsitzende der Rechtskomission des Bundes deutscher Frauenvereine, und ab 1915 war sie
Mitglied des Gesamtvorstandes des Bundes deutscher Frauenvereine. Von 1926 bis 1930 war C. J.
weiters Vorsitzende des badischen Bundes für Frauenbestrebungen. C. J. befaßte sich vor allem mit
Problemen des gewerblichen Rechtsschutzes und mit Fragen der Strafrechtsreform.
Ausz., Mitgliedschaften, Kooperationen: 1930 Dr.jur.h.c. der Universität Heidelberg; C. J. hielt neben ihrer
Zusammenarbeit mit den führenden Frauen im Bund Deutscher Frauenvereine (u.a. Helene Lange und
Gertrud Bäumer) und mit den Frauen im Badischen Bund für Frauenbestrebungen, dessen Vorsitzende sie
nach 1926 war, auch Kontakt zur Frauenbewegung in Wien und veröffentlichte u.a. Aufsätze im Neuen
Frauenleben, dem Organ des radikaleren Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung in Österreich.
Nachlaß, Archive, Quellen: Bundesarchiv Koblenz
Werkangaben: Frauenforderungen zur Strafrechtsreform, 1908.
Die weibliche Bedienung im Gast - und Schankwirtschaftsgewerbe, 1909.
Die Eroberung des Dorfes X. In: Neues Frauenleben 1914, S. 281.
Die Frau im neuen Deutschland, 1920.
Die Frauenbewegung in Deutschland, 1921.
Georg Jellinek. In: Neue Österreichische Biographie, Bd.7, 1931, S. 136 ff.
Hg.: Schriften über Frauenfragen (1909 - 1926).
zahlreiche Zeitschriftenartikel
L.: BLÖF
Die Frau. (Organ des Bundes Deutscher Frauenvereine), Jg. 38, 1930/31, H.2, S. 120
ÖBL
Wer ist´s?, 1935
Blumesberger, Susanne / Doppelhofer, Michael / Mauthe, Gabriele (Bearb.), Handbuch österreichischer
Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft. 18. bis 20. Jahrhundert, Hg. Österr. Nationalbibliothek,
2002, München, Verlag: K. G. Saur
Sveistrup, H.; Zahn - Harnack, Agnes von, Die Frauenfrage in Deutschland... 1790-1930., 1934, S. 47,
53, 156, 557, 676
Wininger, Salomon, Große Jüdische National-Biographie. 7 Bde., Bd. 3, S. 295, Czernowitz
(aus: BiografiA: Biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen)
- Als ich die Jubilarin, die wir feiern, kennen lernte, stand sie in sommerlicher Reife auf der Höhe ihres Frauenglücks, ihrer Frauenbestimmung. Sie war damals die stolze Gattin eines weltberühmten Gelehrten, dessen geistiger Umfang weit über sein Fachwissen hinausreichte, und der ein großes, gütiges, anschlußbereites Herz besaß. Die Gattin nahm vollen Anteil an seiner Geistigkeit, denn sie selbst hatte aus ihrem Elternhaus in Wien hohe Kultur und geistige Regsamkeit mitgebracht. Ihre ästhetisch-literarische Bildung war früh im Burgtheater geschult, und das Theater bedeutet ihr bis heute eine Quelle tugendfrischer Ergriffenheit. - Die junge angeregte Frau war von ganzem Herzen Gattin, Mutter und Hausfrau, u.a. auch Meisterin der Wiener Kochkunst. Das Schicksal schenkte ihr eine Reihe Kinder, zwei davon mußte sie hergeben, vier durfte sie zur Reife geleiten. Solange die Kinder klein waren, widmete sich die Mutter ihnen mit dem ihr bei allem Tun eigenen Eifer und vollem Einsatz, und sie betonte später, in Rückschau auf diese Zeit, welch' unvergleichliches Glück die gefüllte Kinderstube gewesen sei. Auch mit ihren erwachsenen Kindern und Enkeln, die sie als „Matriarchin" verehren und lieben, verbindet sie innige Gemeinschaft. Drei davon leben hier am Ort und mit Stolz durfte sie ihren ältesten Sohn auf dem Lehrstuhl seines Vaters begrüßen.
Zur Zeit unserer Bekanntschaft begann gerade ein Teil ihrer Energien durch Heranwachsen der Kinder frei zu werden. Frau Jellinek war für neue Aufgaben bereit, die sich denn auch alsbald herzudrängten. Damals begann hier die junge Frauenbewegung ihre Flügel zu regen, der erste Verein war gegründet, die Leitung entfaltete den gebührenden Eifer, um dem neuen Frauenstreben und einem neuen Frauentypus Raum und Anerkennung zu erringen. Vorurteile mußten besiegt, Schranken durchbrochen, Gefolgschaft geworben werden. Die Eroberung der „akademischen Gesellschaft", der älteren Geheimräte und Rätinnen, die sich in einer anderen Zeit erfüllt hatten, war schwierig, aber gerade deshalb begeisternd und natürlich „kolossal" wichtig. Schon im ersten Vereinswinter ließ sich der berühmte Gelehrte Georg Jellinek zu einem Vortrag über „die öffentlich rechtliche Stellung der Frau" herbei, und als die Veranstalterinnen von seiner Stellungnahme nicht befriedigt waren - sogar zu einer öffentlichen Disputation. Er war zwar zu unseren Bildungsbestrebungen, aber noch nicht zu den rechtlichen Forderungen bekehrt. Jedoch hatte er nun mehr als den kleinen Finger gereicht, und es war hoch hergegangen im Verein. Wir konnten uns nicht damit begnügen, etwa nur die Ideen der Frauenbewegung zu propagieren - wir mußten vor allem auch in ihrem Geist sozial arbeiten. Die erste soziale Neuschöpfung sollte eine unentgeltliche Rechtsschutzstelle für Frauen und Mädchen sein, zu der wir die Anregung von unseren damaligen älteren Führerinnen empfingen. Das war ein schwieriges Unternehmen! Rechtskenntnisse fehlten uns vorerst, dafür besaßen wir den naiven Wagemut der Jugend. Frau Jellinek mußte durchaus zur Mitarbeit gewonnen werden, aber der Weg zu ihr ging über ihren Gemahl, und der war ein berühmter Rechtsgelehrter! Frauen ohne jede juristische Schulung wollten Rechtsrat erteilen? Und zu solch dilettantischem Beginnen sollte seine Frau verführt werden?! Die Bedenken waren berechtigt. Wir erschienen mit Hilfstruppen aus Mannheim, wo die Rechtsschutzstelle schon bestand und noch kein Unheil angerichtet hatte. Aber als Professor Jellinek mir die Frage stellte, ob wir „friedensrichterliche" oder „schiedsrichterliche" Tätigkeit auszuüben gedächten, geriet ich einen Augenblick in große Verlegenheit. Diese Begriffe waren mir durchaus nicht geläufig, aber ein guter Geist gab mir ein, auf die richtige Karte zu setzen: „Friedensrichterliche". Damit war das Examen bestanden. Der Gelehrte lächelte gütig, und wir verließen das Ehepaar mit Gefühlen des Triumphs und der Dankbarkeit, denn der Gewinn war ein doppelter: die Frau mit einem Juristen an ihrer Seite als begeisterte Mitarbeiterin, den Gatten selbst bald als treuen Freund unserer Bewegung. Was wir und abstrakte Ideale allein nicht vermochten, gelang natürlich alsbald seiner Frau. Er bekannte sich dazu, auf der ganzen Linie aus „einem Saulus ein Paulus" geworden zu sein. -
Die neue Mitarbeiterin erfüllte alle unsere Hoffnungen und mehr. Sie entfaltete den für alles Neue und Gewagte so notwendigen „heiligen Eifer" und Mut. Wir konnten nichts Besseres tun, als das neue Unternehmen bald ihrer Leitung zu unterstellen, wodurch sie dann ganz mit ihm verwuchs. Und wie das stets zu gehen pflegt: Es wuchs durch sie, sie wuchs an ihm. Während der Epoche von dreißig Jahren, die sie nunmehr die Rechtsschutzstelle betreut, erschloß sich ihr ein ganz neuer, außerfamiliärer Wirkungskreis, der ihr reiches persönliches Dasein aufs schönste ergänzte. Denn die lokale Arbeit wurde der Ansatzpunkt zu Frau Jellineks Eingliederung in überlokale Interessenkreise, in eine große geistige und soziale Bewegung, die jeder regsamen und selbständigen Frau Wirkensmöglichkeiten mannigfacher Art bot und noch bietet. Der Umkreis ihres Wollens und Könnens erweiterte sich in organischem Wachstum. Ring schloß sich um Ring, derart, daß die umfassenderen stets den Kern mit umfingen. So wurde Frau Jellinek in die Vorstände und Kommissionen überlokaler Organisationen eingereiht, wurde Mitglied des Gesamtvorstandes des Bundes deutscher Frauenvereine und dadurch auch mit der internationalen Frauenarbeit verbunden. Schließlich übernahm sie die Führung des badischen Verbandes für Frauenbestrebungen und verhalf ihm zu neuer Lebendigkeit. - Die Rechtsschutzarbeit stellte sie aber nicht nur in die Organisationen ein, sondern wies ihre Begabung noch in andere Richtung. Die in der Praxis gewonnenen Eindrücke in die Wirkungen der gesetzlichen Benachteiligungen unseres Geschlechts gaben ihr Antrieb zu eingehender denkender Vertiefung in die Frauenrechtsfragen, deren Früchte sie dann in literarischer Betätigung: in einer Fülle von Aufsätzen für die Tagespresse und für Frauenzeitschriften darbot und bietet. Darüber hinaus veröffentlichte sie in wissenschaftlichen Zeitschriften wertvolle Beiträge über die verschiedenen, uns Frauen seit Jahrzehnten bewegenden Rechtsfragen, vor allem über das Familienrecht, stets mit dem Ziel einer gerechteren und sachgemäßeren Gesetzgebung den Boden zu bereiten. Diese Beiträge sind ausgezeichnet durch die Vereinigung juristischer Sachkunde mit der Frische des am Leben orientierten „Laien". Der erste Vorstoß zur Umgestaltung unserer unwürdigen Stellung im Rechts- und Staatsangehörigkeitsgesetz, deren traurige Folgen der Krieg an den Tag brachte, ging bei uns von Frau Jellinek aus. Es wäre noch mancherlei hinzuzufügen, aber ich verzichte auf Vollständigkeit. Dafür möchte ich noch einmal zum Anfang zurückkehren: die gewissenhafte, unscheinbare lokale Arbeit war der Ausgang von Frau Jellineks sachlichem Tun und mir scheint, in gewisser Weise blieb sie stets dessen innerster Kern. Denn in ihr wirkt sich ihr starkes Frauentum am unmittelbarsten aus. Einst, in der Blütezeit, entfaltete es sich in der Hingabe an ihren Gatten, ihre Kinder - als diese be-glückendsten Aufgaben sie freigaben, fand sie neue Erfüllung durch sachliche Leistung, die zugleich neuer Dienst am Lebendigen bedeutete. Denn Frauen-Rechtsschutz ist mehr, als dieses Wort ausdrückt, er ist soziale Fürsorge, geduldige, gütige, mütterliche Anteilnahme an den Sorgen und Wirrnissen derjenigen Frauenschichten, die in Rechtshändeln und Benachteiligungen am hilflosesten sind. Gelegenheit zu unbeschränkter Aussprache, wohlmeinender Zuspruch, kluger Rat hilft ihnen dort ebenso zurecht wie die energische Vertretung ihrer Interessen. Da ist keine Mühe zu groß - sie geschieht. Die Wohltat solcher weisen und verstehenden mütterlichen Dienstbereitschaft haben zahllose Heidelberger Frauen aus den kleinen Gassen gespürt und viele werden sich dessen an Frau Jellineks Ehrentag dankbar erinnern. Die Jubilarin kann an ihrem 70. Geburtstag auf ein in jeder Altersphase reich erfülltes und bewährtes Leben zurückschauen. Es war ihr vergönnt, sich im Bereich des persönlichen Wirkens wie im Bereich der Sachlichkeiten voll zu entfalten. Der Segen solchen sinnerfüllten Daseins ruht auf ihr, strömt von ihr aus und wird ihr die Freudigkeit zu weiterem Wirken verleihen.
(Camilla Jellinek zum 70. Geburtstag am 24. September von Marianne Weber. In: Marianne Weber : Beiträge zu Werk und Person, Tübingen 2004. Signatur: 1,741.949-B.Neu)
- Werke in der ÖNB:
- Die weibliche Bedienung im Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe. - Leipzig 1909.
Signatur: 458.059-B.Neu-Per.221
- Entwurf einer Petition betreffend das Verbot weiblicher Bedienung in Gast- und Schankwirtschaften. - Leipzig 1909.
Signatur: 458059-B.Neu-Per.261
- Petition deutscher Frauen betreffend das Verbot weiblicher Bedienung in Gast- und Schankwirtschaften. - Leipzig 1910.
Signatur: 458059-B.Neu-Per.292
- Sekundärliteratur:
- Geisel, Beatrix: Patriarchale Rechtsnormen "unterlaufen" : die Rechtsschutzvereine der ersten deutschen Frauenbewegung, 1997. In: Frauen in der Geschichte des Rechts . München - (1997), S.683 - 697.
Signatur: 1507221-B.Neu
- Kempter, Klaus: Camilla Jellinek und die Frauenbewegung in Heidelberg, 2004. In: Marianne Weber. - Tübingen (2004), S.111 - 126.
Signatur: 1741949-B.Neu
- Nachlässe:
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