Cod. Ser. n. 4236

Bibel (Fragment der Riesenbibel von St. Florian)

St. Florian, um 1140/50

Pergament. 2 Blätter (1 Blatt zu 2 gefaltet). 32 x 18 cm (beschnitten).

Einband: Schwarzer Halbleinenband der ÖNB, 1928.

Provenienz: Die Herkunft der Blätter ist unbekannt; auf fol. 2r ist oben der Vermerk 'aus Min. 81' eingetragen, doch diese Angabe scheint nicht zu stimmen. Im alten Zettelkatalog zu Cod. Min. 81 heißt es: "1. Federzeichnung aus dem XIII. Jahrhundert auf Pergament. (Aus einem Evangeliarium) 4°". Da die Fragmente leicht als Reste einer Bibel zu erkennen sind, ist eine Identifizierung damit nicht möglich.

Inhalt: Bibelfragmente: Foll. 1r und 2v Osee, Kap. 13 u. 14, ff. 1v und 2r Praefatio zu Iohel und Beginn von Kap. 1 (genaue Beschreibung bei Mazal).

Buchschmuck: Rote Überschriften. Drei große Initialen: Fol. 1r eine achtzehnzeilige, von einem Drachen gebildete Initiale S; der schwarz konturierte Körper ist schmutziggelb, die Beine sind rot und grün, Ohren und Flügel rot und blau bemalt. Fol. 1v eine elfzeilige rot gezeichnete, stark beriebene Spaltleisteninitiale I auf blauem und grünem Grund; die Leisten mit Gold bemalt, davon ausgehende, mit Kreisen besetzte Blattknollen waren silbern und sind nun schwarz oxydiert. Fol. 2r eine dreizehnzeilige, rot gezeichnete Spaltleisteninitiale U mit gelb bemalten Leisten; der Buchstabenkörper ist mit drei- und rechteckigen Feldern gefüllt, die verschiedene, in Grün, Rot und Blau ausgeführte Motive (Flechtband, Kreismuster, Ranken u.ä.) enthalten; als Abschlußmotive verflochtene Leisten und Blattwerk.

Stil und Einordnung: Wie schon von Holter und Wind vermutet, gehören die beiden Blätter zur nur unvollständig erhaltenen Riesenbibel von St. Florian (St. Florian, Stiftsbibliothek, Cod. XI/1): die Seiteneinrichtung der Fragmente stimmt mit den für 45 Zeilen linierten Blättern in CSF. XI/1 überein, und der Schreiber der Blätter läßt sich z.B. auf fol. 63r in CSF. XI/1 nachweisen. Zu der Riesenbibel, die aufgrund der vorhandenen romanischen Kustoden ursprünglich mindestens 3 Bände umfaßte, gehören aufgrund von Seiteneinrichtung und Buchschmuck auch die als "Eferdinger Riesenbibel" bekannt gewordenen Fragmente im Oberösterreichischen Landesarchiv in Linz (Buchdeckelfunde, Nr. 1).
In der jüngsten Literatur wurden für die Lokalisierung St. Peter in Salzburg (Telesko, Koshi) und St. Florian (Holter, Wind) vorgeschlagen. Für die Entstehung in St. Florian spricht ganz eindeutig eine Gruppe von in Federzeichnung ausgeführten Initialen mit knollenförmigen, mit Kreisen besetzten Rankenabschlüssen in CSF XI/1 (z.B. fol. 6r, 66v, 131v, 229v und 336r): sie sind, wie fol. 131v zeigt, gleichzeitig mit den nach italienischen Vorbildern ausgeführten großen Initialen entstanden und entsprechen stilistisch unmittelbar den Rankeninitialen im Cod. XI/243 (vgl. z.B. fol. 49v) der Stiftsbibliothek St. Florian; vergleichbar sind weiters CSF XI/14/1-4 oder CSF XI/19 - in der Salzburger Buchmalerei ist dieser Rankenstil nicht nachweisbar.


Cod. Ser. n. 4236, fol. 1r

Vgl. St. Florian, Stiftsbibliothek, Cod. XI/1, fol. 63r
 

Cod. Ser. n. 4236, fol. 2r

Vgl. St. Florian, Stiftsbibliothek, Cod. XI/1, fol. 63r
 

Cod. Ser. n. 4236, fol. 2r (Detail)

Vgl. St. Florian, Stiftsbibliothek, Cod. XI/243, fol. 49v


St. Florian, Stiftsbibliothek, Cod. XI/1, fol. 131v (Detail)

Vgl. St. Florian, Stiftsbibliothek, Cod. XI/243, fol. 49v


Literatur: H. J. Hermann, Die romanischen Handschriften des Abendlandes mit Ausnahme der deutschen Handschriften (Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich VIII/3), Leipzig 1927, 88f. - E. B. Garrison, Studies in the history of medieval Italian painting, Vol. 1, Nr. 3, Florenz 1954, 113 - O. Mazal, Katalog der abendländischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, 'Series Nova' (Neuerwerbungen), Teil 4: Cod. ser. n. 4001-4800 (Museion N.F. 4. Reihe, 2. Bd.), Wien 1975, 105f. - L. M. Ayres, A Fragment of a Romanesque Bible in Vienna (ÖNB, Cod. ser. nov. 4236) and its Salzburg Affiliations, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 42 (1982), 130-144 - K. Holter, Romanische Buchkunst aus der Stiftsbibliothek St. Florian, in: Geschichte und ihre Quellen, Festschrift Fritz Hausmann (hrsg. von R. Härtel), Graz 1987, 547 - P. Wind, Aus der Schreibschule von St. Peter von Anfang des 11. Jahrhunderts bis Anfang des 14. Jahrhunderts, in: Ausstellungskatalog 'Hl. Rupert von Salzburg 696-1996', Salzburg 1996, 371 - Die "Riesenbibeln" und das Problem des "Reformstils" in der Salzburger Buchmalerei des späten 11. und frühen 12. Jahrhunderts: Überlegungen zur Bedeutung der Admonter Bibelhandschriften C- E und der St. Florianer Riesenbibel, in: Zeitschrift des historischen Vereines für Steiermark 89/90 (1998/99), 9-29 - K. Koshi, Die St. Florianer Riesenbibel, in: Bulletin of the Faculty of Fine Arts - Tokyo National University of Fine Arts and Music 35 (2000), 15.


(FS)



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