Neben dem umfangreichen Bestand an mittelalterlichen
Handschriften, der sich heute noch in der Stiftsbibliothek Heiligenkreuz
befindet[1],
verwahrt auch die Österreichische Nationalbibliothek eine bedeutende Anzahl
von Codices dieser Provenienz. Hermann führt im Verzeichnis der deutschen romanischen
Handschriften insgesamt neun Codices an, die mit Heiligenkreuz in Verbindung
gebracht werden[2]. Einige von
den zweifelhaften Zuschreibungen können mittlerweile bestätigt, bzw. präzisiert
werden[3]. Für andere Handschriften, die Hermann Heiligenkreuz
zugeschrieben hatte, lassen sich indes trotz der mittlerweile umfangreichen
Kenntnis des Materials keine weiteren Belege für diese Lokalisierung erbringen[4]. In dem angeschlossenen Katalogteil sollen diejenigen
Handschriften aufgeführt werden, die bei Hermann noch nicht mit dem
Zisterzienserkloster in Verbindung gebracht wurden bzw. in seinem Verzeichnis
überhaupt fehlen.
Die Zuschreibung erfolgte dem Katalogtypus entsprechend
primär aufgrund der Ausstattung der Handschriften, die vor allem durch
Vergleiche mit dem in den neueren Publikationen präsentierten reichen Bestand
der Stiftsbibliothek möglich geworden sind. Darüber hinaus lässt sich der Heiligenkreuzer Vorbesitz der
Wiener Handschriften durch eine Reihe von weiteren Merkmalen belegen; sie seien
im folgenden kurz vorgestellt.
In vielen Fällen konnte die Herkunft aus der Zisterze im
Wienerwald durch Vergleiche mit den Eintragungen in den erhaltenen
mittelalterlichen Bibliothekskatalogen von Heiligenkreuz[5]
erbracht werden, die aus dem 12. und 14. Jahrhundert überliefert sind; die
Signifikanz dieser Zuschreibungen hängt naturgemäß von der Ausführlichkeit der
Katalogeinträge ab und ist nur bei umfassenden Sammelhandschriften und einer
entsprechenden genauen Auflistung der Texte im Katalog wirklich aussagekräftig.
Die genaue Bestandsaufnahme in den Katalogen des 14. Jahrhunderts erhöht im
vorliegenden Fall die Verbindlichkeit dieser Zuordnungen.
Eine Reihe von Handschriften weist noch die
mittelalterlichen Einbände auf, die durchwegs dem 15. bzw. frühen 16.
Jahrhundert zugeordnet werden können. In der Mehrzahl sind es unverzierte rote
oder weiß gegerbte Ledereinbände mit Spuren von Beschlägen, Schließen und einer
Kette; spezifische Merkmale, die für Heiligenkreuz sprechen, konnten bei diesem
Typus noch nicht ermittelt werden. Dies trifft aber für einen der beiden mit
Blindstempeln verzierten Einbänden zu: der Einband von Cod. 1550 weist Stempel
auf, die sich in weiteren Heiligenkreuzer Handschriften nachweisen lassen; die
einfacheren Stempelformen von Cod. 2340 sind dagegen noch für keinen weiteren
Codex aus dem Kloster belegt.
Noch nicht systematisch untersucht wurden die für die
Besitzgeschichte ebenfalls aussagekräftigen Fragmente, die vielfach bei der
Neugestaltung der Einbände eingebunden wurden. Eine Ausnahme stellen hier die
aus einem Heiligenkreuzer Nekrolog stammenden Bruchstücke dar, die in einem der
hier angeführten Codices aufgefunden wurden und einen sicheren Hinweis auf die
Provenienz der Trägerhandschriften geben (Cod. 2340).
Besitzvermerke sind in der hier behandelten Gruppe der
'Neuzuschreibungen' naturgemäß die Ausnahme; nur der bislang in den Repertorien
noch nicht als illuminierte Handschrift geführte Cod. 2340 weist einen solchen
Eintrag auf. Im Cod. 1580 wurde ein Heiligenkreuzer (?) Besitzvermerk getilgt.
Auf ein weiteres zuverlässiges Indiz zur Bestimmung der
ehemaligen Heiligenkreuzer Bibliotheksheimat hat bereits Simader[6]
hingewiesen: Ein noch nicht identifizierter Benützer hat zu einer Zeit, als
sich die Handschriften noch im Kloster befunden haben, an ihm wichtig
scheinenden Abschnitten als Lesemarken charakteristische bärtige
Profilmasken und Kreuze eingefügt; sie finden sich in den meisten der hier
angeführten Handschriften.
Cod. 719, fol. 35va Lesemarken eines Heiligenkreuzer Mönchs (14. Jhdt. ?) | Vgl. Heiligenkreuz, Stiftsbibliothek Cod. 105, fol. 48v |
Auf welchen Wegen die Handschriften aus Heiligenkreuz in die
Wiener Hofbibliothek, als Vorläufer der heutigen Österreichischen
Nationalbibliothek gekommen sind ist noch nicht geklärt. Bemerkenswert ist vor
allem der Umstand, dass alle aus dem Besitz des Wiener Bischofs Johann Fabri
(1530-1541) stammen; nur in einem Fall kann mit dem Humanisten Johann Alexander
Brassicanus (um 1500-1539) ein früherer Vorbesitzer angeführt werden.
Literatur: Walliser, Buchkunst, 1969. - Fingernagel,
Heiligenkreuz, 1985. - Fingernagel, Verbindungen, 1985. - Fingernagel, Mainz,
2000.
[1] Gsell, Heiligenkreuz, 1891.
[2] Es sind dies die Signaturen bzw. Katalognummern Cod.
398 (Nr. 128), 715 (Nr. 129), 378 (Nr. 223), 679 (Nr. 224), 909 (Nr. 225), 1180
(Nr. 226), 1624 (Nr. 227), 1637 (Nr. 228) und 2400 (Nr. 229) - die beiden
letztgenannten Codices entstanden in Rein (Simader, Rein, 2001, 2 und 6).
[3] Cod. 398 (Nr. 128), Cod. 715 (Nr. 129); zu beiden
Handschriften s. Fingernagel, Heiligenkreuz, 1985, S. 272f. bzw. S. 196. -
Gleiches gilt für die Codices 378 (Nr. 223) und 1180 (Nr. 226), deren
Heiligenkreuzer Entstehung Hermann bereits angenommen hatte; sie sollen
demnächst an dieser Stelle publiziert werden.
[4] Dies betrifft die Codices 679 (Nr. 224),
mittlerweile nach Rein lokalisiert (Simader, Rein, 2001, 2 und 6), und Cod. 909
(Nr. 225); Cod. 1624 (Nr. 227) ist bereits der Gotik zuzuordnen.
[5] s. Gottlieb, Bibliothekskataloge 1915, S. 15-82
[6] Simader, Rein, 2001, Anm. 11