Heiligenkreuz

(Zisterzienserkloster in Niederösterreich, gegründet 1133)

Neben dem umfangreichen Bestand an mittelalterlichen Handschriften, der sich heute noch in der Stiftsbibliothek Heiligenkreuz befindet[1], verwahrt auch die Österreichische Nationalbibliothek eine bedeutende Anzahl von Codices dieser Provenienz. Hermann führt im Verzeichnis der deutschen romanischen Handschriften insgesamt neun Codices an, die mit Heiligenkreuz in Verbindung gebracht werden[2]. Einige von den zweifelhaften Zuschreibungen können mittlerweile bestätigt, bzw. präzisiert werden[3]. Für andere Handschriften, die Hermann Heiligenkreuz zugeschrieben hatte, lassen sich indes trotz der mittlerweile umfangreichen Kenntnis des Materials keine weiteren Belege für diese Lokalisierung erbringen[4]. In dem angeschlossenen Katalogteil sollen diejenigen Handschriften aufgeführt werden, die bei Hermann noch nicht mit dem Zisterzienserkloster in Verbindung gebracht wurden bzw. in seinem Verzeichnis überhaupt fehlen.

Die Zuschreibung erfolgte dem Katalogtypus entsprechend primär aufgrund der Ausstattung der Handschriften, die vor allem durch Vergleiche mit dem in den neueren Publikationen präsentierten reichen Bestand der Stiftsbibliothek möglich geworden sind. Darüber hinaus lässt sich der Heiligenkreuzer Vorbesitz der Wiener Handschriften durch eine Reihe von weiteren Merkmalen belegen; sie seien im folgenden kurz vorgestellt.
In vielen Fällen konnte die Herkunft aus der Zisterze im Wienerwald durch Vergleiche mit den Eintragungen in den erhaltenen mittelalterlichen Bibliothekskatalogen von Heiligenkreuz[5] erbracht werden, die aus dem 12. und 14. Jahrhundert überliefert sind; die Signifikanz dieser Zuschreibungen hängt naturgemäß von der Ausführlichkeit der Katalogeinträge ab und ist nur bei umfassenden Sammelhandschriften und einer entsprechenden genauen Auflistung der Texte im Katalog wirklich aussagekräftig. Die genaue Bestandsaufnahme in den Katalogen des 14. Jahrhunderts erhöht im vorliegenden Fall die Verbindlichkeit dieser Zuordnungen.
Eine Reihe von Handschriften weist noch die mittelalterlichen Einbände auf, die durchwegs dem 15. bzw. frühen 16. Jahrhundert zugeordnet werden können. In der Mehrzahl sind es unverzierte rote oder weiß gegerbte Ledereinbände mit Spuren von Beschlägen, Schließen und einer Kette; spezifische Merkmale, die für Heiligenkreuz sprechen, konnten bei diesem Typus noch nicht ermittelt werden. Dies trifft aber für einen der beiden mit Blindstempeln verzierten Einbänden zu: der Einband von Cod. 1550 weist Stempel auf, die sich in weiteren Heiligenkreuzer Handschriften nachweisen lassen; die einfacheren Stempelformen von Cod. 2340 sind dagegen noch für keinen weiteren Codex aus dem Kloster belegt.
Noch nicht systematisch untersucht wurden die für die Besitzgeschichte ebenfalls aussagekräftigen Fragmente, die vielfach bei der Neugestaltung der Einbände eingebunden wurden. Eine Ausnahme stellen hier die aus einem Heiligenkreuzer Nekrolog stammenden Bruchstücke dar, die in einem der hier angeführten Codices aufgefunden wurden und einen sicheren Hinweis auf die Provenienz der Trägerhandschriften geben (Cod. 2340).
Besitzvermerke sind in der hier behandelten Gruppe der 'Neuzuschreibungen' naturgemäß die Ausnahme; nur der bislang in den Repertorien noch nicht als illuminierte Handschrift geführte Cod. 2340 weist einen solchen Eintrag auf. Im Cod. 1580 wurde ein Heiligenkreuzer (?) Besitzvermerk getilgt.
Auf ein weiteres zuverlässiges Indiz zur Bestimmung der ehemaligen Heiligenkreuzer Bibliotheksheimat hat bereits Simader[6] hingewiesen: Ein noch nicht identifizierter Benützer hat zu einer Zeit, als sich die Handschriften noch im Kloster befunden haben, an ihm wichtig scheinenden Abschnitten als Lesemarken charakteristische bärtige Profilmasken und Kreuze eingefügt; sie finden sich in den meisten der hier angeführten Handschriften.


Cod. 719, fol. 35va
Lesemarken eines Heiligenkreuzer Mönchs (14. Jhdt. ?)

Vgl. Heiligenkreuz, Stiftsbibliothek
Cod. 105, fol. 48v

Auf welchen Wegen die Handschriften aus Heiligenkreuz in die Wiener Hofbibliothek, als Vorläufer der heutigen Österreichischen Nationalbibliothek gekommen sind ist noch nicht geklärt. Bemerkenswert ist vor allem der Umstand, dass alle aus dem Besitz des Wiener Bischofs Johann Fabri (1530-1541) stammen; nur in einem Fall kann mit dem Humanisten Johann Alexander Brassicanus (um 1500-1539) ein früherer Vorbesitzer angeführt werden.

Literatur: Walliser, Buchkunst, 1969. - Fingernagel, Heiligenkreuz, 1985. - Fingernagel, Verbindungen, 1985. - Fingernagel, Mainz, 2000.


(AF)


[1] Gsell, Heiligenkreuz, 1891.

[2] Es sind dies die Signaturen bzw. Katalognummern Cod. 398 (Nr. 128), 715 (Nr. 129), 378 (Nr. 223), 679 (Nr. 224), 909 (Nr. 225), 1180 (Nr. 226), 1624 (Nr. 227), 1637 (Nr. 228) und 2400 (Nr. 229) - die beiden letztgenannten Codices entstanden in Rein (Simader, Rein, 2001, 2 und 6).

[3] Cod. 398 (Nr. 128), Cod. 715 (Nr. 129); zu beiden Handschriften s. Fingernagel, Heiligenkreuz, 1985, S. 272f. bzw. S. 196. - Gleiches gilt für die Codices 378 (Nr. 223) und 1180 (Nr. 226), deren Heiligenkreuzer Entstehung Hermann bereits angenommen hatte; sie sollen demnächst an dieser Stelle publiziert werden.

[4] Dies betrifft die Codices 679 (Nr. 224), mittlerweile nach Rein lokalisiert (Simader, Rein, 2001, 2 und 6), und Cod. 909 (Nr. 225); Cod. 1624 (Nr. 227) ist bereits der Gotik zuzuordnen.

[5] s. Gottlieb, Bibliothekskataloge 1915, S. 15-82

[6] Simader, Rein, 2001, Anm. 11




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