Einband: Roter Ledereinband, 15. Jh; unter Verwendung der alten Teile restauriert. Spuren von je fünf Buckeln, einer Schließe und einer Kettenbefestigung.
Provenienz: Der Codex ist vermutlich mit den im Heiligenkreuzer Handschriftenkatalog von 1381 angeführten Einträgen zu identifizieren (s. Gottlieb, Bibliothekskataloge, 1915, 74, Zeile 1-5). Auf fol. 1r enthält der Codex einen Besitzvermerk des Wiener Humanisten Johann Alexander Brassicanus (um 1500-1539). Aus seinem Nachlass wurde die Handschrift vom Wiener Bischof Johann Fabri (1530-1541) erworben, der seine Bücher testamentarisch der Bibliothek des Kollegiums St. Nikolaus in Wien überlassen hatte (gedrucktes Exlibris von 1540 vor fol. I). Von der Wiener Universitätsbibliothek 1756 an die Wiener Hofbibliothek.
Inhalt: ff. 1r-17r Guido Aretinus, Micrologus. - ff. 17r-23r Guido Aretinus, Regulae rhythmicae. - ff. 23r-32r Guido Aretinus, Prologus in antiphonarium. - ff. 32r-37r Isidorus, Etymologiae (Inc.: Musica est peritia modulationis). - ff. 37r-42r Ps.-Odo Cluniacensis, Dialogus de musica. - f. 42r Odo Cluniacensis, Opuscula de musica (Quomodo organistrum construatur et de fistulis). - ff. 42v-43r Gerlandus, De fistulis organi et de noils. - ff. 43r-48v Odo Cluniacensis, Regulae super abacum. - f. 48v Gerlandus, Nomina characterum. - ff. 49r-57v Odo Cluniacensis, Regulae de rhythmimachia. - ff. 57v Gerlandus, Ad pectus purgandum et ad vocem clarificandam
Buchschmuck: Rubriziert. Ein- bis vierzeilige rote Initialmajuskeln, teilweise mit Schaftaussparungen (meistens gebogt), schaftbegleitendem Bogendekor und einfachen Rankenausläufern in silhouettierter Form bzw. in einfacher Umrißzeichnung, z. B. fol. 27r , 32v; mitunter Teile des Dekors in Grün (z. B. fol. 2v). Zahlreiche Schemata in roter Federzeichnung, gelb, blau und grün koloriert, z.B. fol. 10r (mit Blattwerk) und 12v.
Stil und Einordnung: Die einfache, einheitliche Ausstattung der Handschrift wird von Initialen geprägt, deren Dekor zwischen silhouettierten Formen und Federzeichnungs-Rankeninitialen angesiedelt ist. Da die Motive jeweils mit vollen bzw. einfach gespaltenen Lombarden verbunden werden, nähert sich dieser Initialtypus im Erscheinungsbild den gotischen Fleuronnée-Initialen. Diese zwar einfache, im Detail aber charakteristische Initialform findet sich in einer Reihe von Heiligenkreuzer Handschriften. Neben einem Codex in der Stiftsbibliothek Csc. 186 sind dies eine aus dem Chorherrenstift Seckau stammende Abschrift der Enarrationes in psalmos des Augustinus (Graz, UB, Cod. 698) und eine Decretalen-Handschrift in Darmstadt (Hessische Landes- und Hochschulbibliothek, Cod. 542); zu den drei genannten Vergleichshandschriften vgl. Fingernagel, Mainz 2000.