Pergament. 150 Blätter. 23 x 15 cm. Kustoden: ab fol. 10r bis 71r römische Zahlen am Lagenanfang. Blattweiser.
Einband:
Ehemals weißes Leder mit kaum mehr sichtbaren Streicheisenlinien über Holzdeckeln; ehemals eine Langschließe am HD, die in einen verlorenen Beschlag am VD einhakte; am HD oben fehlt ein Beschlag für Haken oder Kette. Am VD in roter Schrift 'Tractatus s. Ambrosii / (Hex)ameron' (15. Jhdt.), darunter Inhaltsangaben. Am mit hellbraunen Papier überklebten Rücken alte Titel- und Signaturschilder der Hofbibliothek.
Provenienz: Besitzvermerke des 15. Jhdts. für das oberösterreichische Chorherrenstift St. Florian auf fol. 2r, 70v und 148v. Nach Hermann stammen Inhaltsangaben am VD von der Hand des Wolfgang Lazius (1514-1565), Professor der Medizin an der Wiener Universität, aus dessen Nachlaß die Handschrift in die Wiener Hofbibliothek gelangt sein könnte; dort ist sie durch die Blotius-Signatur 'M 3937' am HD innen 1576 nachweisbar. Am VD und auf f. 1r unten sind zwei Kreise eingezeichnet, offenbar eine Art Signatur, die vielleicht mit Caspar von Niedbruck in Wien (gest. 1557) und Matthias Flacius Illyricus (1520-1575) zusammenhängt (vgl. zu Cod. 1072).
Cod. 1063, fol. 1r: Signatur (?) des 16. Jahrhunderts
Inhalt :
Tabelle zum Lauf des Mondes durch die Sternzeichen mit Erläuterung: Si cuius libet mensis lunam cuiuscumque etatis ... (fol. 1r) - Heinricus Augustensis, Planctus Evae (fol. 1v-9r und 124r-148v) - 9v leer - Ambrosius Mediolanensis, Hexameron (fol. 10r-123v) - De computatione digitorum mit Illustrationen (fol. 149r-150r) - Kreisschema mit der Erde und den sieben Planeten (fol. 150v).
Buchschmuck:
Rote Überschriften; rote, einzeilige Majuskeln. Fünf fünf- bis siebenzeilige Rankeninitialen in Rot und Violett auf fol. 10r (T), 27v (D mit einem auf den Hinterbeinen stehenden Esel, der den Schaft ersetzt), 35v (D), 73v (V mit einer Maske) und 100v (S); auf fol. 50r/v Illustrationen zu den Fingerzahlen (vgl. Beda Venerabilis, De temporum ratione I,1 - RDK 8, 1250ff.) in Rot, die Felder großteils in Violett begrenzt
Stil und Einordnung: Der Text des Ambrosius auf fol. 10r-123v wurde laut abschließendem Eintrag vom Schreiber Liutfridus im Auftrag eines Helmhuicus am 29. März des Jahres 1134 vollendet; innerhalb derselben Lage, in der sich der Kolophon befindet, folgt die Fortsetzung des 'Planctus Evae' von Heinricus Augustensis.
Die aufgrund der Provenienz vermutete Entstehung im oberösterreichischen Augustiner-Chorherrenstift St. Florian (Hermann, Holter, Unterkircher) wurde in jüngeren Arbeiten Holters, der dafür Salzburger Ursprung vermutete, zu Recht bezweifelt. Anhand des Rankenstils ist die Handschrift nach Lambach zu lokalisieren: Die Farbigkeit der Initialen - rote Buchstaben mit violetten Schließen und Blättern - sowie die Verbindung von knollenförmigen Rankenabschlüssen mit aus drei Blättern zusammengesetzten Motiven finden sich in einer Reihe etwas jüngerer Lambacher Handschriften wie Cod. Ser. n. 4837 (fol. 38r) oder Göttweig, Stiftsbibliothek, Cod. 1112, der auf fol. 32v auch eine vergleichbare tütenförmige Blattapplik wie Cod. 1063 (fol. 73v) besitzt - zu Lambach siehe K. Holter, Das mittelalterliche Buchwesen des Benediktinerstiftes Lambach, in: Ausstellungskatalog '900 Jahre Klosterkirche Lambach', Historischer Teil, Linz/D. 1989, 53-64 und 198-225.
Das letzte, ungefähr gleichzeitig (?) entstandene Doppelblatt (fol. 149-150) stammt aus einer anderen Handschrift und wurde später zugebunden; die Illustrationen sind, worauf auch drei unbeschriftete Felder hindeuten, nachträglich um 1200 oder noch später ausgeführt worden - ein Indiz für eine Entstehung in Lambach könnte die Verwendung von violetten Linien sein.
Literatur:
Hermann, Handschriften, 1926, Nr. 105, Fig. 112 (fol. 27v) - K. Holter, Die romanische Buchmalerei in Oberösterreich, in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 101 (1956), 241 - M. L. Colker, Heinrici Augustensis Planctus Evae, in: Traditio - Studies in ancient and medieval history, thought and religion 12 (1956), 149-230, bes. 151f. (Sigle F). - F. Unterkircher, Die datierten Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek bis zum Jahre 1400 (Katalog der datierten Handschriften in lateinischer Schrift in Österreich I), Text- und Tafelband, Wien 1969, 34, Abb. 27 - V. Flint, Heinricus of Augsburg and Honorius Augustodunensis: Are they the same person ?, in: Revue bénédictine 92 (1982), 149. - K. Holter, Neue Beiträge zur Geschichte der Stiftsbibliothek von Lambach im hohen Mittelalter, in: G. Heilingsetzer (Red.), Kunstgeschichtsforschung und Denkmalpflege - Festschrift für Norbert Wibiral zum 65. Geburtstag, Linz/D. 1986, 89, wiederabgedruckt in: Holter, Buchkunst, 1996, II, 1037-1054. - K. Holter, Romanische Buchkunst aus der Stiftsbibliothek St. Florian, in: Geschichte und ihre Quellen, Festschrift Fritz Hausmann (hrsg. von R. Härtel), Graz 1987, 575, wiederabgedruckt in: Holter, Buchkunst, 1996, II, 1055-1088. - K. Holter, Bibliothek und Archiv: Handschriften und Inkunabeln, in: V. Birke u.a. (Bearb.), Die Kunstsammlungen des Augustiner-Chorherrenstiftes St. Florian (Österreichische Kunsttopographie XLVIII), Wien 1988, 30.