Cod. 655 (Rec. 3283a)

Augustinus

Garsten, letztes Viertel des 12. Jahrhunderts

Pergament. 222 Blätter. 41 x 21 cm. Kustoden: römische Zahlen am Lagenende (bis 117v), dann Buchstaben.

Einband: Gebräunter weißer Lederband mit Streicheisenlinien über Holzdeckeln (Garsten, 1. Hälfte des 15. Jhdts.). Ehemals zwei Langschließen, die auf dem VD einhakten, davon nur rosettenförmige Beschläge am HD erhalten; am HD oben Spuren eines Beschlags für Haken oder Kette. Am VD Papierschild mit Inhaltsangabe (15. Jdht.), am Rücken unten Signaturschild 'Rec. 3228a'.

Provenienz: Die Handschrift stammt laut Besitzvermerk vom Anfang des 17. Jhdts. auf fol. 1r aus dem oö. Benediktinerkloster Garsten: 'Catalogo librorum monasterii Beatae Virginis in Garsten inscriptus Litt. C. Nr. 15'. Nach der Aufhebung 1787 kam der Codex in die Wiener Hofbibliothek und wurde dort als "Rec. 3228a' einsigniert.

Inhalt: VD- und HD-Spiegelblätter Fragmente einer liturgischen Handschrift (2. Hälfte 13. Jhdt.) - Foll. 1r-118v Augustinus, Commentarii in evangelium Johannis - ff. 119r-221v Augustinus, De verbis domini - ff. 221v-222v Catalogus paparum inde a S. Petro usque ad Adrianum I. (792-795).

Buchschmuck: Rote, manchmal schmutziggelb durchgestrichene Überschriften, Textanschluß rot gestrichelt oder schmutziggelb durchgestrichen. Zahlreiche vier- bis achtzeilige, meist gespaltene (rot/gelb bzw. rot und ausgespart) Silhouetteninitialen mit dreilappigen Ausbuchtungen der konturbegleitenden Linie, z.T. mit meist gelb gefüllten Rankenfortsätzen (z.B. fol. 7r, 38r, 39r, 62r, 80v und 108v), manchmal kombiniert mit silhouettierten Blättern (z.B. fol. 14v, 51r, 184r); auf fol. 94r ist ein Gesicht eingezeichnet. Eine ca. sechszeilige rote Rankeninitiale auf schmutziggelbem Grund, Buchstabenstamm und Ranken nachträglich mit dunkler Tinte bekritzelt (fol. 1r).

Stil und Einordnung: Die Handschrift ist schon 1985 von Holter als Garstener Arbeit erwähnt worden; ihre Rankeninitiale auf fol. 1r und die Rankenausläufer der Silhouetteninitialen sind stilistisch mit von Admont beeinflußten Garstener Rankeninitialen wie Cod. 713 (fol. 1r, 2r) in Wien (siehe Katalog) oder Cod. 468 (fol. 131v) in der OÖ. Landesbibliothek in Linz verwandt, zeigen aber eine wesentlich gröbere Ausführung. Nicht von Admont ableitbar ist die in Garstener Handschriften häufig zu beobachtende Verwendung von dreilappigen, blattartigen Ausbuchtungen der konturbegleitenden Linien bei Silhouetteninitialen.
Der Großteil der Handschrift (fol. 1r-166v) stammt von einem der Hauptschreiber des Garstener Skriptoriums, der auch Cod. 713 rubriziert und im Jahr 1180 den Garstener Traditionskodex im OÖ. Landesarchiv Linz (Pa II/11) begonnen hat; ebenso hat er gemeinsam mit Lambacher Schreibern und Buchmalern an einem für Garsten bestimmten Missale (Linz, OÖLB, Cod. 466) gearbeitet, das daher in etwa gleichzeitig anzusetzen ist.


Cod. 655, fol. 1r

Vgl. Linz, OÖ. Landesbibliothek, Cod. 468, fol. 131v
 

Cod. 655, fol. 80v

Vgl. Linz, OÖ. Landesarchiv, Pa II/11
 

Cod. 655, fol. 94r

Vgl. Linz, OÖ. Landesbibliothek, Cod. 466, fol. 53v (Detail)


Literatur: Hermann, Handschriften, 1926, Nr. 117 ('Österreichische Arbeit vom Ende des 12. Jhdts.') - K. Holter, Die romanische Buchmalerei in Oberösterreich, in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 101 (1956), 249 Anm. 29 - K. Holter, Das mittelalterliche Buchwesen im Stift Garsten, in: Ausstellungskatalog "Kirche in Oberösterreich. 200 Jahre Bistum Linz", Linz/D. 1985, 96 - Simader, Rein, 2001, 4 Anm. 37.

(FS)



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