Cod. 434 (Salisb. 79)

Sammelhandschrift

Salzburg, Domstift, um 1150/60

Pergament. I+173 Blätter. 29 x 19,5 cm.

Einband: Braunes Leder über Holzdeckel mit dreifachen Streicheisenlinien in Rauten unterteilt, am VD Rosetten-Stempel (Wind, Nr. 169), am HD Blume (?) in Raute (Wind, Nr. 318). Ehemals zwei Schließen; Spuren von je fünf quadratischen Beschlägen an HD und VD; am Rücken oben Überreste eines Pergamentschildes. Einband der Werkstätte Salzburg III, um 1470 - vgl. P. Wind, Die verzierten Einbände der Handschriften der Erzabtei St. Peter zu Salzburg bis 1600 (unter Mitarbeit von G. Hayer) [Österreichische Akademie der Wissenschaften, Denkschriften, phil.-hist. Klasse 159], Wien 1982, 70, 83 und bes. 120. 1913 restauriert.

Provenienz: Dombibliothek Salzburg. Der beschriebene Teil ist möglicherweise als 'Breves legendas per circulum anni' in einem kurzen Bücherverzeichnis des 13./14. Jhdts. verzeichnet (vgl. G. Möser-Mersky und M. Mihaliuk, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs, IV. Band, Salzburg. Graz-Wien-Köln 1966, 23, Z. 35).
Am VD-Spiegel Einträge Salzburger Chorherren, davon einer (oben) datiert 1480, unten Vermerk eines Salzburger Professen aus dem Augustiner-Chorherren-Stift Beyharting (Diözese Freising), der die Handschrift 1530 in Salzburg benützte - sein Name wurde später getilgt. Die Handschrift kam 1806 aus der Salzburger Dombibliothek in die Wiener Hofbibliothek und erhielt dort die Signatur 'Salisb. 79'.

Inhalt: Die Handschrift enthält verschiedene Texte, die überwiegend mit dem Salzburger Domstift zusammenhängen, darunter den Nekrolog des Domstifts (fol. 90v-135v - vgl. MGH Necrologia Germaniae II, 91-198). Den ältesten, hier beschriebenen Teil bilden: Ps. Hieronymus, Praefationes in martyrologium (fol. 16r-16v) - Breviarium apostolorum (fol. 16v-17r) - Ps. Beda, Martyrologium (fol. 17v-81v; fol. 18 mit Ergänzungen des 14. Jhdts. und fol. 30 mit dem Fragment der Conversio Carantanorum, ebenfalls 14. Jhdt.) - Nachgetragen: Participatio concessa ab ordine Cisterciensi capitulo Salisburgensi de bonis, anni 1228, und ein lat. Gebet (fol. 81v).

Buchschmuck: (Beschrieben nur fol. 16r bis 81v) Rote Überschriften, einzeilige braune Majuskeln; auf f. 16r wurde offenbar eine romanische Initiale herausgeschnitten; im 14. Jhdt. (?) erfolgte die Ausbesserung der Fehlstelle und der Nachtrag einer roten sechszeiligen Majuskel, deren rasterartig gegliedertes Binnenfeld mit ausgesparten Kreuzblüten gefüllt ist. Acht- bis elfzeilige rote Rankeninitialen K zu Beginn jedes Monats: fol. 17v (auf braunem und blauen Grund), 23v (tw. auf hellblauem Grund), 28r (mit zwei Vögeln), 33v (ein von der Schließe strangulierter Drache ersetzt den unteren Balken), 38r (Jüngling ersetzt den unteren Balken), 44r, 49v (Jüngling ersetzt beide Balken), 54r, 59r (zwei Drachen), 64r (Hase, Vogel), 69r, 75v (ein von der Schließe strangulierter Hund ersetzt den unteren Balken).

Stil und Einordnung: Das Martyrologium enthält Nachträge, die eindeutig auf das Salzburger Domstift weisen: fol. 63r ein nahzeitiger kurzer Text zur Translatio des hl. Rupert (24. September), fol. 66r Translatio s. Augustini (11. Oktober) und etwas später auf fol. 48r 'Depositio beati Eberhardi epi(scopi) et c(on)f(ratri)' zum 22. Juni.
Der Stil der bislang unbeachtet gebliebenen, für das Salzburger Domstift typischen Initialen entspricht Arbeiten aus der Mitte des 12. Jahrhunderts wie Cod. 727 oder 1488.
Einzelne Initialen waren vermutlich für ein um 1300 im Salzburger Domstift angelegtes Martyrologium im Cod. 1524 (Salisb. 76) vorbildlich: das Motiv des von der Schließe strangulierten Drachen (fol. 33v) findet sich in Cod. 1524 auf fol. 71v, und das eigenwillige Haltungsmotiv der Figur auf fol. 86r in Cod. 1524 läßt sich von fol. 38r im älteren Martyrologium ableiten - Cod. 1524 ist beschrieben bei A. Fingernagel / M. Roland, Mitteleuropäische Schulen I (ca. 1250-1350) [Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, Reihe I, Die illuminierten Handschriften und Inkunabeln der Österreichischen Nationalbibliothek, Band 10], Text- und Tafelband, Wien 1997, Nr. 53 (A. Fingernagel).


Cod. 434, fol. 17v

Vgl. Cod. 727, fol. 38v
 

Cod. 434, fol. 33v

Vgl. Cod. 1524, fol. 71v
 

Cod. 434, fol. 38r

Vgl. Cod. 1524, fol. 86r


Literatur: Zinner 1925, Nr. 5317 - A. Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs (Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Erg.-Bd. 19), Graz-Köln 1963, 155, 157, 217, 218 und 219 - Ausstellungskatalog 'Hemma von Gurk', Klagenfurt 1988, Nr. 5.19 (E. Irblich und Ch. Tropper) - F. Losek, Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum und der Brief des Erzbischofs Theotmar von Salzburg, 11, Sigle W. 5.

(FS)



Zum Katalog