Cod. 150 (Univ. 863)

Hieronymus - Seneca - Alexander Magnus

Klosterneuburg, um 1160/70

Pergament. II(I Papier)+137 Blätter (mittelalterliche Foliierung). 27 x 18 cm. Kustoden: römische Zahlen am Lagenende. Reklamanten.

Einband: Rotbraunes Leder über Buchenholzdeckeln mit Streicheisenlinien. (Niederösterreich, 15. Jhdt., 1913 restauriert). Auf VD und HD Spuren von je fünf runden Beschlägen; ehemals zwei Schließen, die an Beschlägen an der Außenkante des VD einhakten; am HD oben fehlt ein Beschlag für Kette oder Haken. Auf dem Rücken oben Fragment einer Etikette mit Inhaltsangabe, weiter unten ein Zettel mit den Initialen 'B. V.' (Bibliotheca Universitatis), ganz unten Signaturschild der Hofbibliothek ,Cod. Univ. Nr. 863.'

Provenienz: Die Handschrift ist vermutlich im Klosterneuburger Katalog vom Anfang des 13. Jahrhunderts und im 1330 datierten Verzeichnis des Magisters Martin verzeichnet (vgl. Gottlieb, S. 95, Z. 15 und S. 113, Z. 24). - Verschiedene alte Signaturen: am VD-Spiegel unten 'B 61', fol. Iv oben 'd 38', fol. 1r unten 'g 61'.
Auf fol. IIv Besitzvermerk eines 'Stephanus plebanus' in Falkenstein (Nö.), der die Hs. von einem Propst von ,Newburg', d.h. Klosterneuburg, erhielt: 'Hic liber videlicet Seneca epistolarum est michi Stephano plebano in Valkenstain comprestitus per reverendissimum patrem dominum praepositum Newburgensem.' Auf fol. 122v, 130r, 130v und 131r nach Hermann Randvermerke des 1539 in Wien verstorbenen Humanisten Alexander Brassicanus; dann laut dem am VD eingeklebten gedruckten Exlibris von 1540 im Besitz des Wiener Bischofs Johannes Fabri (1530-1541), der den Codex der Bibliothek des Wiener Kollegium St. Nikolaus vermachte; aus dieser kam die Handschrift in die alte Universitätsbibliothek und 1756 in die Hofbibliothek.

Inhalt: Hieronymus, De Seneca testimonium (fol. 1r) - Seneca, Lucius Annaeus: Epistolae ad Paulum et Pauli ad Senecam. (fol. 1v-2v) - Seneca, Lucius Annaeus: Epistolarum ad Lucilium 1-52 et 63-88 (fol. 2v-108r) - Epistola Brachmanorum ad Alexandrum magnum (f. 108v-112v) - Alexander Magnus, Epistola ad Aristotelem de situ Indiae (fol. 112v-122v) - Alexander Magnus, Liber de proeliis (fol. 122r-137r)

Buchschmuck: Rote Überschriften, Textanschluß an Initiale fol. 108r mit rot dekorierten einzeiligen braunen Majuskeln, sonst zwei- bis fünfzeilige rote Majuskeln, gelegentlich mit einfachem Dekor (fol. 53v, 103v, 122v). Vier vier- bis elfzeilige Rankeninitialen (f. 1r [2], 108r und 108v), auf fol. 1r und 108r in Rot, auf fol. 108v in blassem Rotbraun, mit tw. schwarz konturierten Blättern und Blüten (fol. 108r).

Stil und Einordnung: Der nicht besonders sicher ausgeführte Buchschmuck hängt mit Klosterneuburger Handschriften zusammen. Ähnliche dreiteilige Blütenformen und die von Ranken durchstoßenen, schlaufenförmigen Blätter (fol. 1r) finden sich z.B. in Cod. 104 der Stiftsbibliothek Heiligenkreuz (fol. 14r), der nach Mitteilung von Andreas Fingernagel in Klosterneuburg entstanden ist; hier wird auch ein ähnlicher Typ von gebänderten glockenförmigen Blüten wie auf fol. 108r verwendet, so daß aufgrund der Klosterneuburger Provenienz eine dortige Entstehung angenommen werden kann; die genannten Motive sind - wie auch bei dem in Klosterneuburg entstandenen Cod. 199 der Universitätsbibliothek Graz (siehe Cod. 768) - von Handschriften des Salzburger Domstifts beeinflußt (Vgl. z.B. Cod. 931, f. 104v, 156v, 166v und 169v - Hermann, Handschriften, 1926, Fig. 70-73). Die Heiligenkreuzer Handschrift enthält im Anschluß an den Haupttext auf fol. 170v einen Katalog der Passauer Bischöfe, der zu jedem die Dauer der Regierungszeit verzeichnet - die Liste endet mit Konrad von Österreich (1147-1164), muß also unter dessen Nachfolger Rupert zwischen 1164-1165 entstanden sein (vgl. Gsell, Heiligenkreuz, 1891, 149, und J. Wodka, Kirche in Österreich, Wien 1959, 465). Cod. 150 ist wohl gleichzeitig anzusetzen.


Cod. 150, fol. 1r
Vgl. Heiligenkreuz, Stiftsbibliothek, Cod. 104, fol. 14r
 

Cod. 150, fol. 108r
Vgl. Heiligenkreuz, Stiftsbibliothek, Cod. 104, fol. 135r
 

Cod. 150, fol. 108v


Literatur: Gottlieb, Bibliothekskataloge, 1915, 89 Anm. 5 - Hermann, Handschriften, 1926, Nr. 157 ('Österreichische Arbeit').

(FS)



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