Das Raumverbot (Textfassung 2a)

Typoskript 2-zeilig, mit hs. Markierungen von Siegfried Unseld, 158 Blatt, ohne Datum [07.01.1979 bis 29.01.1979]

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Die zweite Textfassung von Peter Handkes Erzählung Langsame Heimkehr ist ein zweizeilig getipptes Typoskript mit dem Titel »DAS RAUMVERBOT« (Bl. I). Es umfasst 158 Blatt, die ab dem vierten Blatt von 1-152 paginiert sind. Bei den ersten drei unpaginierten Blättern handelt es sich erstens um das Titelblatt, auf das Handke eine Kopie seiner Notizbuchzeichnung vom Tisch des Bahnhofswarteraums in Dutovlje, einem Ort im slowenischen Karst, geklebt hat (Bl. I; vgl. DLA, A: Handke Peter, Notizbuch 015, S. 139), zweitens um ein Blatt mit einem Mottozitat (ohne Quellenangabe) aus Dantes Göttlicher Komödie (Bl. II) und drittens um ein Kapitelblatt mit der Überschrift »1. Die Vorzeitformen« (Bl. III). Das dritte und vierte Kapitel der Textfassung 1a wurden von Handke in dieser zweiten Fassung zusammengelegt, sodass die Erzählung nunmehr in drei Kapitel gegliedert ist, die zudem nicht nur durch Ziffern markiert, sondern auch mit einem Titel versehen wurden. Zwischen den Blättern 64/65 und 110/111 sind zwei weitere unpaginierte Blätter mit den Kapitelüberschriften »2. Das Raumverbot« (Bl. IV) und »3. Die Zeit und einige Die Räume« (Bl. V) eingelegt. Die Kapitelanfänge entsprechen aber jenen in der ersten Textfassung. Das letzte Blatt des Typoskripts ist wiederum ohne Paginierung; es enthält die Angabe des Entstehungszeitraums der ersten und zweiten Textfassung »(geschrieben 1978 und 1979, hier und dort)« (Bl. I*).

Vergleich der Textfassungen 1 und 2a

In dieser zweiten Textfassung wurden die Korrekturen aus der ersten Textfassung umgesetzt. Darüber hinaus überarbeitete und erweiterte Handke etliche Passagen deutlich. Den Umfang der Überarbeitungen veranschaulicht die Stelle, in der Sorgers Zustand zur Katastrophe – zum »Raumverbot« – eskaliert (vgl. LH 138). In der ersten Textfassung wird Sorgers Problem noch nicht so deutlich: »\Der Sturz war jäh, die Leere ganz unvermutet./ Auf dem Weg hinunter zum Ozean blieb Sorger stehen: das Meer war unheimlich, auch das Haus im Föhrenwald; die ganze Stadt. Und die Nacht war erst am Anfang. "Schnell \Ihr Busse, bringt mich/ weg von hier." Er ging weiter und blieb wieder stehen: er hatte \gerade war/ nicht nur die Passhöhe verloren\schwunden/, sondern \überhaupt/ all seine Vorstellungsräume – die nördliche Stromlandschaft ebenso wie den Tisch unter den Eukalyptusbäumen. Es gab keine\n/ Orte \"Bereich"/ mehr für ihn, nirgends; nicht einmal das Bewusstsein von den \die Orientierung an den/ Bodenschichten unter ihm. Der Ohne-Ort-Sorger ging weiter, dankbar, dass er \seine Arbeit und die/ Nachbarn hatte. \{"Arbeit"?}/ "Nachbarn"? – \Er blieb wieder stehen/ Jetzt musste {er} sterben. Wer sprach da eigentlich? Wer redete ihn nieder, seit er ein Bewusst \und wurde noch einmal rot, nicht in Wut oder Schande, sondern in der Panik, die bedeutete, von sich selber endgültig durchschaut zu sein.« (ÖLA 326/W1, Bl. 31 u. 32) Neben dieser Stelle notierte Handke die Kommentare »S. ist zunächst immer verwirrt [/] S.'s Zusammenbruch [/] Unwirklichkeitsschwindel, ohne Anlehnemöglichkeit [/] Wer verzeiht mir? [/] S.s Katastrophe« sowie »das Auf- und Abgehen wurde ein Wiegen« (ÖLA 326/W1, Bl. 31 u. 32).

In der zweiten Textfassung übernahm Handke nicht nur die Korrekturen, sondern erweiterte diese Stelle und nannte die Katastrophe »Raumverbot«: »Der Sturz war jäh; die ganz Leere unvermutet: Sorger erlebte\fuhr/ die Heimatlosigkeit – die kein Schmerz war, sondern ein \starkes/ xxxxxxx Brennen in den Wangen, wie von Ohrfeigen; statt: "Niemand weiß, wo ich bin" \hieß es nun/: "Es gibt niemanden {mehr für mich} \Für mich gibt es niemanden/." [/] Er ging auf und ab, denkunfähig. Dabei hatte er sich für unzerstörbar gehalten; stark gerade durch das \im/ Alleinsein. Er blieb stehen xxx \und/ spürte, wie er daran war, \(auch was die geplante Abhandlung betraf)/ für immer zu scheitern; "kein Chaos!" war das einzige, was er {noch} \sich vor/sagen konnte. Das Meer war unheimlich, auch die Siedlung im Kiefernwald; die ganze Stadt., \aber auch jeder Anschein von Natur./ "Ihr Busse, bringt mich weg von hier. " Er ging wieder auf und ab; blieb stehen: Gerade {war} \hatte er/ nicht nur die Paßhöhe verschwunden\loren/, sondern überhaupt all seine Vorstellungsräume – der\n/ Tisch unter den Eukalyptusbäumen ebenso wie die \den/ nördlich\en/ Stromlandschaft, in der \den/ er gerade noch, mit einem heftigen Trennungsschmerz, \wie/ für alle Zeit hinter einer Böschung verschwinden sah. "Raumverbot!" Angstnester unter den Achseln – \und/ kein "Vogel, der ihm die Landschaft rettete"; dafür der Verlassenheitsschrei eines Säuglings \auf einer nächtlichen Eisfläche/ xx xxxxx xxxxxxxxx xxxxx. – Es gab keinen "Bereich" mehr, nirgends; nicht einmal die Orientierung an den\r/ Bodenschichtung unter seinen Fußsohlen. [/] Xxx xxxxxxx \Der/ Sorger\-Ohne-Ort/ ging wieder auf und ab, dankbar, daß er seine Arbeit und die Nachbarn hatte. "Arbeit"? "Nachbarn"? Er blieb wieder stehen und wurde noch einmal rot, nicht in Wut oder Schande, sondern in \der/ Panik, die es bedeutete, von sich selber endgültig durchschaut zu sein.« (Zitiert aus der Kopie: DLA, SUA, A: Suhrkamp Verlag, Handke Peter, Textfassung 2b, Bl. 94-95)

Datierung

Das Typoskript der zweiten Textfassung enthält keine Datierungen. Es muss aber in der Zeit zwischen dem 7. Jänner 1979 (dem Tag nach Fertigstellung der ersten Fassung) und dem 29. Jänner 1979 entstanden sein. An diesem Tag notierte Handke nach Abschluss der Arbeit in sein Notizbuch: »HALLELUJAH! 29. Januar/ 15h54« (DLA, A: Handke Peter, Notizbuch 018, S. 133). Am nächsten Tag, dem 30. Jänner 1979, schickte er das fertige Typoskript an seinen Verleger Siegfried Unseld. Der Begleitbrief ist dem Typoskript beigelegt. Darin schrieb Handke: »Ich weiß schon ungefähr, was ich geschrieben habe. Bitte, lasse es niemanden sonst lesen, und, bitte, sprich mit niemanden darüber.« (Handke / Unseld 2012, S. 354)

Exemplar von Siegfried Unseld

Bei der vorliegenden Textfassung 2a von Langsame Heimkehr handelt es sich um das an Unseld geschickte Typoskript. Unseld bestätigte Handke den Erhalt der Sendung am 2. Februar 1979 und meinte: »Ich freue mich sehr, es bald lesen zu können.« (Handke / Unseld 2012, S. 356) Das Typoskript enthält nicht nur etliche Streichungen, Einfügungen und Fehlerkorrekturen von Peter Handke, auch Unseld vermerkte darin erste kleinere Korrekturen und markierte wichtige Stellen mit den für ihn typischen Bleistiftkreuzchen (z. B. Bl. 12, 21, 28). Die thematischen Abschnitte kennzeichnete er durch einlegte Papierstreifen mit den Aufschriften: »Natur« (zwischen Bl. 1/2), »Sorgers Auffassung« (Bl. 4/5), »Tat Beisp. menschl. Friede« (Bl. 33/34), »II Beschreibung Stadt« (Bl. 79/80), »II Abend der Selbstvergewisserung« (Bl. 96/97), »III Gesetz« (Bl. 124/125) und »III Europa« (Bl. 144/145). Von diesem mit Unselds Lektürespuren versehenen Originaltyposkript wurden zwei Kopien angefertigt – Textfassung 2b und Textfassung 3. (kp)

Siglenverzeichnis  Editorische Zeichen

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorlage): 

DAS RAUMVERBOT [Bl. I]

Beteiligte Personen:  Siegfried Unseld
Entstehungsdatum (laut Vorlage):  (geschrieben 1978 und 1979, hier und dort) [Bl. I*]
Datum normiert:  ohne Datum [07.01.1979 bis 29.01.1979]

Materialart und Besitz

Besitz:  Deutsches Literaturarchiv Marbach
Art, Umfang, Anzahl: 

1 Typoskript 2-zeilig, 158 Blatt, I-III, pag. 1-64, IV, 65-110, V, 111-152, I*; mit zahlreichen eh. Korrekturen sowie hs. Markierungen und eingelegten Markierungszetteln von Siegfried Unseld

Format:  A4
Schreibstoff:  dicker Filzstift (schwarz), Fineliner (schwarz, orange, rot, grün), Bleistift
Weitere Beilagen: 

2 Briefe, die bei der Sichtung im Suhrkamp Verlag 2009 dem Typoskript beigelegt waren:

  • 1 Brief von Peter Handke an Siegfried Unseld, 30.1.1979 [Inhalt: Rückkehr von seiner Reise, Aufenthalt bei seinen Nachbarn in Paris (siehe Handke / Unseld 2012, S. 354)]; Signatur vor der Übergabe an das DLA (SUA, PH, W1/9.1a)
  • 1 Brief von Peter Handke an Siegfried Unseld, 5.3.1979 [Inhalt: Titelidee »Das Zeitalter des Verschweigens«; Bitte an Unseld, auch über einen möglichen Titel nachzudenken (siehe Handke / Unseld 2012, S. 362)]; Signatur vor der Übergabe an das DLA (SUA, PH, W1/9.1b)

Ergänzende Bemerkungen

Illustrationen: 

Illustration des Titelblattes mit einer Kopie der Zeichnung vom Tisch im Bahnhofswartesaal Dutovlje aus seinem Notizbuch vom 24. April bis 26. August 1978 (DLA, A: Handke Peter, NB 015, S. 139) [Bl. I]

Bemerkungen: 

 

  • Von Unseld eingelegte Papierstreifen mit der Aufschrift: »Natur« (zwischen Bl. 1-2), »Sorgers Auffassung« (Bl. 4-5), »Tat Beisp. menschl. Friede« (Bl. 33-34), »II Beschreibung Stadt« (Bl. 79-80), »II Abend der Selbstvergewisserung« (Bl. 96-97), »III Gesetz« (Bl. 124-125), »III Europa« (Bl. 144-145)
  • Die Paginierung wurde von Handke mit unterschiedlichen Stiften vorgenommen: 1-45 (schwarzer Stift), 46-56 (orange), 57-71 (rot), 72-78 (schwarz), 79-87 (grün), 88-99 (schwarz), 100-102 (grün), 103-108 (schwarz), 109-114 (schwarz), 115-116 (schwarz, rot korr.) 117 (rot), 118-124 (schwarz), 125 (rot), 126-149 (schwarz), 150-152 (grün)
  • Signatur vor der Übergabe an das DLA (SUA, PH, W 1/9.1)