Entstehungskontext

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Nach einem Besuch von Günther Büchs Kaspar-Inszenierung in Oberhausen schrieb Peter Handke am 20. Mai 1968 seinem Verleger Siegfried Unseld: »allmählich habe ich auch Lust, wieder an ein Stück zu denken und es zu planen: über einen Theaterkiller, der Wirklichkeit heutzutage enttäuschend nachgebildet.« (Handke / Unseld 2012, S. 92) Bei dem »Theaterkiller« könnte er an Das Mündel will Vormund sein gedacht haben, das bereits sieben Monate später im Frankfurter Theater am Turm in der Regie von Claus Peymann uraufgeführt wurde. Thematisch greift Handke darin auf seine 1965 geschriebene Kurzgeschichte Augenzeugenbericht zurück. Der ursprüngliche Titel des Stücks lautete auch noch Der Augenzeuge, wie Handke in einem Interview mit dem Journalisten Hans Bertram Bock für die Münchner Abendzeitung vom 26. September 1968 erzählte. Es werde ohne Worte sein und im Gegensatz zu Kaspar nicht auf die sprachlichen, sondern die stummen Gesten der Unterdrückung, der Rebellion und Emanzipation durch verfremdende Effekte aufmerksam machen. (Bock 1968)

Die genaue Entstehungszeit von Das Mündel will Vormund sein lässt sich anhand der Werkmaterialien, Briefe und Selbstaussagen nicht mehr rekonstruieren. Einem Brief des Lektors Urs Widmer an Peter Handke vom 12. September 1968 kann man entnehmen, dass das »neue Stück« in den Reader Peter Handke. Prosa, Gedichte, Theaterstücke, Hörspiel, Aufsätze aufgenommen werden sollte. (Handke / Unseld 2012, S. 128) Die Stückgenese lässt sich damit zumindest auf Sommer 1968 eingrenzen – auf die Zeit zwischen Handkes Brief an Unseld vom 20. Mai und Widmers Brief vom 12. September. Geschrieben hat Handke das Stück in Düsseldorf, wo er mit seiner Frau Libgart Schwarz bis Ende des Jahres 1968 wohnte. Es entstand parallel zu seinen Arbeiten für den Gedichtband Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt, zum Hörspiel Nr. 2 (das er eigens für den Reader schrieb), zur Herausgabe des Sammelbands Der gewöhnliche Schrecken mit Horror-Geschichten mehrerer Autoren und zur Konzeption seines Romans Die Angst des Tormanns beim Elfmeter

Textfassungen

Ende August oder Anfang September 1968 (der genaue Zeitpunkt lässt sich aus der Korrespondenz nicht rekonstruieren) schickte Handke seine vorläufig letzte Textfassung von Das Mündel will Vormund sein, ein zweizeilig getipptes und geringfügig korrigiertes Typoskript, an den Verlag.  Diese Fassung gibt es in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr – das Typoskript wurde im Verlag zerschnitten und mit Texteinschüben (sie dürften von Handke nachträglich geschrieben worden sein) neu zusammengesetzt. In der Beschreibung des genetischen Materials zum Mündel auf Handkeonline gilt sie als Textfassung 1, da von ihr alle in Archiven vorhandenen Fassungen – 1a, 1b, 1c – ausgingen. Handke behielt vermutlich eine Kopie dieses ersten Typoskripts, in die weitere kleine Korrekturen einfügte. Sie dürfte wieder, evt. nur als »Kopie der Kopie«, an den Verlag gegangen sein (Textfassung 1a). Seine Korrekturen und Textergänzungen wurden anschließend vom Verlag in ein anderes Kopieexemplar übertragen, das erneut kopiert wurde und als Textvorlage für die Theater diente (Textfassung 1b). Für die Erstellung der Druckvorlage griff der Verlag jedoch wieder auf das Originaltyposkript zurück. Die von Handke in sein Kopieexemplar eingetragenen neuen Korrekturen wurden darin vom Verlag nachgetragen oder neu getippt und zusammen mit den Textergänzungen in das Typoskript eingeklebt (Textfassung 1c).

Erstdruck und Uraufführung

Für eine eigene Buchpublikation war der Stücktext nicht umfangreich genug. Er erschien deshalb zuerst in der Februar-Ausgabe der Zeitschrift Theater heute 1969 und im April 1969 im Sammelband Prosa, Gedichte, Theaterstücke, Hörspiel, Aufsätze. 1973 wurde er auch in den Sammelband Stücke 2 aufgenommen. Die Uraufführung fand am 31. Jänner 1969 im Frankfurter Theater am Turm (TAT) statt. Das Bühnenbild gestaltete Moidele Bickel. In den Hauptrollen spielten Hans Joachim Diehl (Mündel) und Claus Berlinghof (Vormund). Begleitmusik der Handlungen war der Instrumentalsong Colors For Susan von Country Joe and The Fish von der Platte I Feel Like I’m Fixin To Die (1969). (kp)

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