Versuch über die Müdigkeit

Druckfahnen [1. Lauf], Exemplar von Peter Handke, 30 Blatt, 27.04.1989 bis 02.05.1989

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Peter Handkes Exemplar der Druckfahnen von Versuch über die Müdigkeit umfasst 30 Blatt, die nach einem Deckblatt (S. 001) eine Paginierung von 1-56 aufweisen. Die Fahnen sind mit zahlreichen Bleistiftkorrekturen des Autors versehen, darunter auch größere Texteinfügungen und Streichungen. Die Menge der Korrekturen lässt vermuten, dass es sich um einen ersten Fahnenlauf handelt, auch wenn der seitlich aufgedruckte Druckfahnentitel den zweiten Lauf angibt – den Produktionsdaten am Fahnendeckblatt nach handelt es sich auch um die ersten Autorkorrekturen »AK1« (S. 001). Am Fahnendeckblatt datierte Handke seine Korrekturen auf den »1./2.5.89« (S. 001). Dem elektronischen »Einlesedatum« (S. 001) zufolge dürften die Druckfahnen kurz zuvor, am 27. April 1989 hergestellt und vermutlich noch am selben Tag an Handke geschickt worden sein. Ebenfalls auf das Fahnendeckblatt schrieb Handke seinen Klappentextvorschlag: »Klappentext auf der Rückseite?: Bild – Erzählung – Frage./ [/] Bleistift – Spitzer – Radiergummi./ [/] Ein Hotelzimmer im Zentrum – Ein [/] Eukalyptushain weit draußen im [/] Niemandsland.« (S. 001) In diesen Fahnen wurde von Handke ein Motto eingefügt: »"Und als er sich vom Gebet erhob [/] und zu seinen Jüngern kam, [/] fand er sie schlafend vor [/] Traurigkeit" [/] Lukas, 22,45« (S. 6).

Streichungen

Mehrere kleinere Streichungen im philosophisch-analytischen Teil des Versuchs sind exemplarisch für Handkes Überarbeitung der Druckfahnen, im gesamten Text wurden in ähnlicher Weise Wörter oder ganze Passagen gestrichen oder ersetzt: »Aber sie ist doch schon selber die bestmögliche Haltung \Handlung/, es braucht mit ihr nicht eigens etwas anzufangen zu sein, weil sie für sich schon ein Anfangen, ein Schaffen, ein Machen – "den Anfang machen", sagt die Umgangssprache – ist. Ihr den-Anfang-Machen ist ein Erkennenlassen \Lehren. Die Müdigkeit gibt Lehren – ist anwendbar./ Ein Erkennen-Lassen \Lehren/ wessen? fragst du. Früher in der Geschichte des Denkens gab es die Vorstellung von einem Ding "an sich", inzwischen vorbei, weil das Objekt sich nicht an sich zeigen könne, sondern nur im Verein mit mir, dem Subjekt. Die Müdigkeiten aber, die ich meine, erneuern mir die alte Vorstellung und machen sie durch und durch sinnlich \dazu sinnfällig/. Es ist als erkenne ich das Ding an sich, die objektive Welt, taktil, ich mehr und mehr – die Rucke– übergehend auf es, bis ich es bin. Mehr: Das gibt \Sie geben/, mit der Vorstellung, zugleich die Idee, wie in Platons Höhlengeschichte. Und mehr noch \Mehr/: In der Idee des Dings berühre ich, gleichsam mit Händen zu fassen, ein Gesetz: So wie das Ding im Augenblick sie zeigt, so ist es nicht bloß, so soll es auch sein. Und noch mehr: Das Ding erscheint in solch letzterer \fundamentaler/ Müdigkeit, die dabei doch eine des Ursprungs ist, eine wilde, fundamentale, nie nur an \für/ sich, sondern immer zusammen mit anderen, und wenn es auch nur wenige Dinge sein mögen, ist am Ende "alles beieinander". "Jetzt bellt auch noch der Hund – alles da!" \Und als Schluß: Solche Müdigkeiten wollen geteilt werden./« (S. 48; vgl. VM 67ff.)

Textergänzungen

Die Ideen zu den einzelnen Textergänzungen sammelte Handke zuvor in einer handgeschriebenen Liste mit 34 Notizen. Zum Beispiel findet man den ergänzten Teil »Sagte man nicht: "Mit der Müdigkeit kämpfen"? – Dieser Zweikampf war zuende. Die Müdigkeit war jetzt mein Freund.« (S. 37) in der Notiz Nummer 5 festgehalten. Der in der Notiz »19) (Weltgericht) oder anders \besser/: Die Erkenntnisse des Weltgerichts treten nicht in Kraft« (DLA, SUA, A: Suhrkamp Verlag, Handke Peter, Versuch über die Müdigkeit) skizzierte Texteinschub ersetzte in den Fahnen einen gestrichenen Textteil: »Das Weltgericht, an das ich einmal, was unser Volk betrifft, tatsächlich einen Moment lang glaubte – ich brauche nicht zu sagen, wann das war –, gibt es dem Anschein doch nicht; sein Urteil jedenfalls, das die einzige Möglichkeit zur gemeinsamen Läuterung, in der Einsicht der Ermüdung, gewesen wäre, bekam diesseits der Grenzen nicht seine Geltung, und wird, so meine Denken nach der kurzen Hoffnung, sich auch nie bekommen \oder anders: die Erkenntnisse solch eines Weltgerichts traten innerhalb der österreichischen Grenzen nicht in Kraft, und werden, so mein Denken nach der kurzen Hoffnung, da auch niemals in Kraft treten./ Das Weltgericht gibt es nicht. Unser Volk, dachte ich weiter \mußte ich weiter denken/, ist das erste unabänderlich verkommene, das erste unverbesserliche, das erste für die \jede alle/ Zukunft zur Sühne unfähige, umkehrunfähige Volk der Geschichte.« (S. 24; vgl. VM 32) Nachgetragen wurde von Handke am Ende des Textes auch Entstehungsort und -zeit: »Linares, Andalusien, [/] März 1989« (S. 56). (kp)

Siglenverzeichnis  Editorische Zeichen

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorlage): 

Versuch [/] über die Müdigkeit [Bl. 3]; Versuch über die Müdigkeit [Bl. 5]

Entstehungsdatum (laut Vorlage):  27/4 [Einlesedatum; Bl. 001]; (1./2. 5. 89) [Datum der Korrekturen von Peter Handke; Bl. 001]
Datum normiert:  27.04.1989 bis 02.05.1989
Entstehungsorte (ermittelt):  Frankfurt am Main

Materialart und Besitz

Besitz:  Deutsches Literaturarchiv Marbach
Art, Umfang, Anzahl: 

Druckfahnen [1. Lauf], 30 Blatt, pag. 001, 1-56, mit zahlreichen eh. Korrekturen (Bleistift)

Format:  A4
Schreibstoff:  Bleistift

Ergänzende Bemerkungen

Bemerkungen: 

Signatur vor der Übergabe an das DLA (SV, PH, W1/15.3)