Griffen, Altenmarkt 25 und 6 (1942-1961/67)
Peter Handkes Geburts- und Heimatort Griffen in Unterkärnten ist eine kleine, heute ungefähr 3700 Einwohner zählende Marktgemeinde mit 35 Dörfern oder Weilern. Die Gemeinde liegt im Jauntal, einer zwischen Klagenfurt und Völkermarkt beginnenden und bis nach Bleiburg entlang der Drau verlaufenden Ebene, die im Nordosten von der Saualpe und im Süden zu Slowenien von der Gebirgskette der Karawanken mit den Erhebungen Koschuta, Hochobir und Petzen umschlossen wird. Die aus Klagenfurt über Völkermarkt kommende Bundesstraße Nr. 70, die Packerstraße, führt nach einer schon vor längerer Zeit im Ortskern durchgeführten Straßenbegradigung geradeaus durch Griffen, das so den Eindruck einer »Straßensiedlung« (Widrich 1985, S. 32) oder eines Durchfahrtsorts erhält. Eine Geschlossenheit des Orts wird heute durch das 1997 eröffnete Gemeindezentrum vorgegeben, das am Ortsende wie eine Brücke oder ein großes Stadttor über die Straße gebaut wurde. Schon von weitem sichtbar ragt auf der linken Ortsseite der Felskegel des Schlossbergs mit der Burgruine empor. Den Ortseingang bildet eine Straßenkreuzung (heute mit Kreisverkehr), die links nach Altenmarkt führt und rechts auf der Lippitzbacher Landesstraße zur Südautobahn Richtung Graz und Slowenien oder weiter nach Bleiburg.
Altenmarkt und Stift Griffen
Altenmarkt (slowenisch Stara vas) ist eines dieser zur Gemeinde Griffen zählenden Dörfer. Von Klagenfurt kommend ist es dem Ort Griffen links neben der Bundesstraße vorgelagert und umfasst das Gebiet zwischen Stift Griffen, das wiederum als eigener Ortsteil zählt, und dem Griffener Schlossberg. Peter Handkes Großeltern mütterlicherseits, Ursula und Gregor Siutz, und später auch seine Eltern, Maria Handke (geb. Siutz) und sein Stiefvater Bruno Handke, hatten dort ihre Häuser. Altenmarkt fällt in den Verwaltungsbereich der katholischen Pfarre Stift Griffen, einem während der Josefinischen Reform aufgelassenen Prämonstratenserkloster, das heute aus dem barocken Klosterkomplex mit Kreuzgang, Wohn- und Wirtschaftsgebäuden und umliegendem Garten, einer romanischen und einer barockisierten Kirche, dem von einer Wehrmauer gegen die Türken umschlossenen Friedhof und dem "Stifterwirt" besteht. Peter Handke ist im Taufbuch dieser Pfarrei eingetragen (Haslinger 1992, S. 7), die bereits verstorbenen Mitglieder seiner Familie sind am Friedhof des Stifts begraben.
Das Großvaterhaus (Altenmarkt 25)
Im Haus des Großvaters Gregor Siutz in Griffen, Altenmarkt 25, wurde Peter Handke am 6. Dezember 1942 geboren. Dort verbrachte er auch den Großteil seiner Kindheit mit Ausnahme von nicht ganz vier Jahren zwischen 1944 und 1948, in denen er mit seinen Eltern und seiner Halbschwester Monika (geb. 1947) im Berliner Stadtteil Pankow lebte. 1948 flüchtete die Familie aus dem Berliner Ostsektor zurück nach Griffen, wo sie bis zur Fertigstellung ihres eigenen Hauses zwei kleine Räume im Obergeschoß des großväterlichen Bauernhofes bewohnte.
Das Haus war am Ausläufer des Schlossberges in den Hang gebaut und hatte den Erinnerungen von Handkes Hebamme Anna Patzelt-Menne zufolge zwei Zugänge: »Der eine, obere Eingang war von der Seite her, von dem man ebenerdig in die Räume trat. Von der unteren, der Südseite, kam man auf einer steilen Holzstiege in die niedrige, dürftige Stube« (Haslinger 1992, S. 7). In der Küche des Hauses, die im Erdgeschoß lag, war »der Herd das Zentrum«, erinnert sich Handke in "Warum eine Küche?"; sie hatte einen »Lehmboden« und »war voller Ameisen« (WK 14). Handkes Erzählungen oder Beschreibungen in Die Wiederholung (1986), Die Morawische Nacht (2008) oder in Versuch über den Stillen Ort (2012) zufolge war es ein »Bauernhaus […] samt Stalltrakt und dem hölzernen Scheunentrakt darüber« (DN 481). Es hatte eine »hölzerne Galerie unter dem Dachvorsprung« (DW 154), wo »die Bahnen der Maiskolben hingen« (DN 481) und »wo er bei Regen geschützt auf einer Truhe hockte und seine ersten Bücher las […]. In der Truhe lagen, zusammen mit einem Bajonett aus dem Ersten und Gasmasken aus dem Zweiten Weltkrieg, die Briefe der gefallenen Söhne des Großvaters« (Rede zur Verleihung des Kärntner Kulturpreises, zitiert nach Pichler 2002, S. 13). Im ersten Stock des »Bauernhofes« befand sich am Ende der »hölzernen Galerie, in deren Übergang zur Scheune […] vollkommen unauffällig, von derselben grauen Verwitterungsfarbe wie die Planken der Galerie und die Bretter der Tenne« (VO 12), der Abort, von dem der »senkrechte Schacht vom Sitzloch hinab Richtung Misthaufen, der zu dem Viehstall unten gehörte« (VO 11), führte. Zum Haus gehörte auch ein Gemüsegarten und eine Weinlaube (DN 481). Ende der 1950er Jahre wurde das Haus abgerissen und durch einen Neubau ersetzt (Haslinger 1992, S. 6), der nach dem Tod des Großvaters in den Besitz von Handkes Onkel Georg Siutz überging. Später wurde es verkauft.
Im Großvaterhaus wurden auch Handkes Halbbrüder Hans (geb. 1949) und Robert (geb. 1957) geboren. Handke selbst besuchte in dieser Zeit die Volksschule und eineinhalb Jahre lang die Hauptschule von Markt Griffen, bevor er sich 1954, bereits nach Beginn des Schuljahrs, auf eigenen Wunsch für etwas mehr als fünf Jahre ins Gymnasium und Internat für Priesterzöglinge in Tanzenberg bei Maria Saal einschreiben ließ. 1957, während seines dritten Internatsjahrs, zog die Familie in das selbst errichtete Haus mit der Adresse Altenmarkt 6.
Das Elternhaus (Altenmarkt 6)
Das Elternhaus befindet sich am Hang über dem Großvaterhaus und wurde direkt an die Bergwand gebaut, die das Grundstück auf einer Seite begrenzt. Es hat »einen kleinen Garten, der in drei Terrassen zum steilen Naturweg abfällt« (Pichler 2002, S. 13). Vom Hausbau, den er als »Schinderei« (VM 37) erlebte, erzählt Handke später in Versuch über die Müdigkeit (1989). In Gregors Rede im Theaterstück Über die Dörfer (1981), wo das Elternhaus Gegenstand eines Erbschaftskonflikts ist, zeigt sich die Bedeutung, die das Haus für Handke hat, für das seine Eltern»in einem Felsen eine Quelle gefasst und von dort aus das Wasser in langen Rohren metertief unter der Erde […] zu Haus und Garten geleitet [haben]. Die Steinblöcke wurden zu Terrassenmauern geschichtet und auf dem steinfreien Erdreich stehen jetzt Obstbäume, oder es wächst einfach nur Gras, von dem aber jeder einzelne Fleck seinen besonderen Namen hat.« (ÜDa 18) Peter Handke verzichtete nach dem Tod der Eltern auf seine Erbschaft. Das Haus wurde seinem Bruder Hans überschrieben und ist nun im Besitz von dessen Sohn.
Zwei Jahre nach dem Umzug wechselte Handke am Anfang des Unterrichtsjahrs 1959/60 noch einmal die Schule, wohnte nun wieder zuhause in Griffen, wo er im Elternhaus ein eigenes Zimmer in der Mansarde erhielt, und pendelte die letzten beiden Schuljahre täglich mit dem Bus ins Gymnasium nach Klagenfurt. Nach der Matura ging er im Herbst 1961 nach Graz, um dort Rechtswissenschaft zu studieren.
Literarische Anfänge
Während seiner Gymnasialzeit in Tanzenberg und Klagenfurt schrieb Handke erste literarische Texte. Zwei seiner im Mansardenzimmer im Elternhaus geschriebenen Kurzgeschichten wurden 1959 bei einem Schüler-Literatur-Wettbewerb ausgezeichnet und in der Kärntner Volkszeitung abgedruckt – Der Namenlose (am 13. Juni 1959) und In der Zwischenzeit (am 14. November 1959). Aus dem im Kärntner Literaturarchiv aufbewahrten Briefwechsel mit seinem Tanzenberger Deutschlehrer Reinhard Musar geht hervor, dass Handke in den letzten beiden Schuljahren bereits an seinem Roman Die Hornissen gearbeitet hat. (Pichler 2002, S. 33)
Griffen als Schauplatz
In seinem Schreiben kehrt Handke immer wieder zum Herkunfts- und Kindheitsort zurück – in bislang sieben seiner Werke ist Griffen Schauplatz bzw. Handlungsort. Bereits sein erster Roman Die Hornissen (1966) spielt in Griffen, ohne dass der Ort namentlich genannt oder genauer beschrieben wird, aber das Gebiet wird durch eine litaneiartige Aufzählung von Dorf- und Weilernamen großräumig abgesteckt. (DHo 73-74) Vorbild für das Elternhaus des Erzählers ist das Großelternhaus, wobei aber weniger der Ort oder das Haus beschrieben wird als die Handlungen, die dort im bäuerlichen Alltag verrichtet wurden. Sechs Jahre später wird Griffen mit seinem für österreichische Landdörfer typischen sozialen Gefüge Schauplatz in Handkes Erzählung Wunschloses Unglück (1972): als Ort in dem Mutter geboren wurde und in dem sie auch gestorben ist. Der Ort musste dabei kaum beschrieben werden, da sich die Frauen ohnehin nur im Haus oder, wenn draußen, dann im Hof aufhalten durften. (WU 19) Elternhaus und Heimatdorf sind weitere neun Jahre später Inhalt in Handkes Theaterstück Über die Dörfer (1981), in welchem er über den Verlust dieser Kindheitsräume klagt und ihre Rettung in die Kunst verlegt. Der Friedhof von Stift Griffen mit dem Grab der Vorfahren war dabei Vorbild für den Schauplatz wie auch für das von Jean-Paul Chambas gestaltete Bühnenbild der Uraufführung in der Salzburger Felsenreitschule. In der Erzählung Die Wiederholung (1986) unternimmt Handke die Rettung der Kindheitsbilder durch Erzählen (Wiederholen), wobei die damit verbundene Freiheit, diese Erinnerungen nach Belieben zu verändern, deutlich wird; es geht ihm um keine nostalgischen Bilder. Die Erzählung spielt größtenteils am Kindheitsort, der hier »Rinkenberg« (z.B. DW 13, 20) genannt wird und zusätzlich mit Merkmalen des nahe Griffen liegenden und tatsächlich Rinkenberg genannten Ortes versehen wurde. Wieder zwölf Jahre später handelt das sechste Kapitel des »Märchens« Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994), die Geschichte des Priesters (MJN 613ff.), vornehmlich in einer Pfarrei, die an Stift Griffen erinnert, sowie in Orten der Umgebung, in denen der Priester predigt. Mit Die Morawische Nacht (2008) nimmt Handke weitere vierzehn Jahre später die Griffen-Erzählung wieder auf. Der Erzähler kehrt darin in einer fernen Zukunft in sein Heimatdorf zurück, das sich fast bis zur Unkenntlichkeit verändert hat; die Orte sind vor allem an ihren kleinen Wahrzeichen erkennbar. In Immer noch Sturm (2010), Handkes Theaterstück über seine Vorfahren mütterlicherseits, wird das Heimatdorf mit dem Obstgarten im »Jaunfeld« noch einmal Handlungsort, wobei der Ort vielmehr mit seinen großen Landschaftsmerkmalen – der Drau oder den verschiedenen Gebirgen – Erwähnung findet.
Verstreute kleinere Kindheitserinnerungen
Meist taucht der Ort in kleineren, in die Erzählungen oder Stücke eingeflochtenen Erinnerungen oder in traumartigen Bildern auf. Sie ziehen sich ab 1972 durch das gesamte Werk Handkes. Zum Beispiel erinnert sich der durch Amerika reisende Erzähler in Der kurze Brief zum langen Abschied (1972) daran, dass er »auf dem Land aufgewachsen« (DBA 50) die Natur nicht als befreiend sondern bedrückend wahrgenommen habe, weil er in sie »gezwungen wurde, um darin zu arbeiten«, wodurch er vielmehr einen »kuriosen« Blick entwickelte »auf Felsspalten, hohle Bäume und Erdlöcher, in denen man verschwinden konnte« (DBA 51). Weitere kleine Erinnerungen wie an die »Korntruhen am Dachboden« (DU 69) oder an »die Buschwindröschen unter dem Haselnußsträuchern« (DU 9) findet man im Theaterstück Die Unvernünftigen sterben aus (1973) oder in den durch Formen oder Gerüche evozierten Kindheitsbildern des österreichischen Presseattachés in Paris, Gregor Keuschnig (DSE 14ff., 130, 155) in Die Stunde der wahren Empfindung (1975). In Langsame Heimkehr (1979) kommen das Wort Österreich oder Kärnten zwar als Herkunftsland des Geologen Valentin Sorgers nicht vor, es wird aber von Plänen der »Heimkehr« ins »Geburtshaus« (LH, 146, 168) berichtet und von der Idee, »die Feldformen (seiner) Kindheit zu beschreiben« (LH 114). In Gedicht an die Dauer (1986) erkennt Handke im Griffener See für sich einen Ort der Dauer (GD 34). In Zurüstungen für die Unsterblichkeit (1997) sind das Boot und das Pferdekarren des Großvaters (beides Geräte des landwirtschaftlichen Alltags) Teil des Bühnenbilds (ZU; siehe dazu ein Bild in Höller 2007, S. 14). In Versuch über die Müdigkeit (1989) denkt er an die Zimmerleute auf den Baustellen, denen er als Junge Essen bringen musste, als ein waches Volk der Müden (VM 33-36) oder stellt die »gute« Müdigkeit beim Korndreschen (VM 25-28) der »schlechten« Müdigkeit, die sich durch die »Schinderei« beim Hausbau eingestellt hat, gegenüber (VM 37). In Versuch über die Jukebox (1991) erzählt er vom Wirtshausgang der Familie, bei dem ihn vor allem die Jukebox interessiert habe (VJ 79). Im Stück »Warum eine Küche?« ruft sich Handke die Küche seiner Großeltern und Eltern ins Gedächtnis, in Der Große Fall (2011) erwähnt er am Ende das Bild vom verlorenen Sohn, zu dem die Mutter über die Holztreppe in das Mansardenzimmer steigt (DGF 279), und in seinen letzten beiden Versuchen, Versuch über den Stillen Ort (2012) und Versuch über den Pilznarren (2013), erinnert sich Handke an den Abort des Großvaterhauses (VO 11ff) und an das Pilzesammeln als Kind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in den Erzählungen der Geburts- oder Kindheitsort meist namenlos bleibt, er wird nur als »Geburtsort« (DSE 15, 130, 155), »Heimatdorf« (DW 257) oder als Ort im »Ursprungsland«, »Geburtsland« bzw. in der Heimat seiner »Vorfahren« (LH 42, 60, 70, 168, 179, 206) bezeichnet. In manchen Erzählungen erhält er den Namen Rinkenberg (DW, MJN, VP). Auch verändert oder variiert Handke in seiner Beschreibung die Ortszusammenhänge, wechselt zwischen Erinnerungen an den Ort seiner Kindheit (DHo, WU, DW), dem Ort heute (ÜD) oder phantasiert den Ort in eine ferne Zukunft (DN). Er macht das Großelternhaus zum Elternhaus (DHo, DW, DN), oder verschmilzt beide Häuser in der Beschreibung (DN) – so wie er auch seine »Vorfahren« in ihrem Verhältnis zu sich immer wieder neu arrangiert. In den Erzählungen kommen markante Orte, aber auch unscheinbare, von Handke als Kind wahrgenommene Räume vor, die zu anderen »Wahrzeichen« des Ortes werden. Diese einzelnen, immer wiederkehrenden, unbestimmten und dennoch präzisen Beschreibungen zeigen ein Bild seiner Kindheitslandschaft und wie sich diese im Verlauf der Jahrzehnte verändert hat.
Verschiedene Ortswahrzeichen
Die Beschreibungen und Erinnerungen in den Erzählungen, Romanen oder Theaterstücken beziehen sich dabei auf den Geburts- oder Herkunftsort selbst – Altenmarkt, Griffen und Stift Griffen, sie umfassen aber auch die gesamte Gegend, das von der Drau durchzogene Jauntal, oder »Jaunfeld«, wie es Handke in Immer noch Sturm (2010) nennt, mit der Dobrowa, einer mit Kiefern und Eichen bewachsenen Almweide (DW 191), der Saualpe und der »Karawanken-Kette, dem spitzen Hochobir und der breiten Koschuta« (DW 89), die man von überall sehen konnte. (MJN 614; DN 453ff.; IS 12, 50, 128, 136, 145)
Die erzählte Kindheitslandschaft setzt sich aus verschiedenen Ortsteilen zusammen: aus dem Großelternhaus und dem Elternhaus, dem Obstgarten des Onkels (DW, 165ff; DN 477ff.), der sich zwischen Großelternhaus und Stift Griffen rechts, am Hang nach dem Anwesen Pototschnig (vulgo Hübler) befindet, dem Griffener See, wohin er mit dem Großvater zum Schilfernten mitgefahren ist (DHo 19-25; GD 34; DN 403), dem Milchstand (DHo 100, 239, DW 155; vgl. Widrich 1985, S. 31), der alten Landstraße, der heutigen Packerstraße, mit der Bushaltestelle (ÜDa 54; DN 401, 435) und der tiefen Sandgrube zwischen Landstraße und See (DHo 268). Erwähnt werden das Haus mit dem bemalten, blinden Fenster (DN 463), das Kino im Ort (DHo 64, 200), das sich rechts vor dem heutigen Gemeindezentrum Griffen befand, und der »Kirschbaumstamm mit den jahrzehntdicken Kinoplakaten« in der Dorfmitte von Altenmarkt (ÜDa 54; vgl. DN 402) oder die Tropfsteinhöhle im Schlossberg (DW 284ff).
Ein weiterer wesentlicher Ort der erzählerischen Heimkehr ist das Stift Griffen mit dem Friedhof (DHo 41, 104ff.; ÜDa 70, 75ff., 81ff.; DN 464), wo sich das »Sippengrab« (DN 476) befindet, sowie die Kirche mit der Altarstatue (DW 44) und den in altertümlichem Slowenisch beschrifteten Kreuzwegtafeln (DHo 112), der umzäunte Obstgarten des Stifts (MJN 614; DN 477) oder der Kreuzgang mit den steinernen Heiligen Drei Königen (DS). Hinter dem Stift beginnt der Grafenbachgraben mit der Bachschlucht (DHo 45, 123) und dem Himbeerhang (ÜDa 70), dort ist die zum Stifterwirt gehörende Kegelbahn (DW 44, MJN 638), von der nur mehr Reste erhalten sind (DN 463), und ein kleiner Grasfleck in Form eines Dreiecks zwischen drei Straßen (ÜDa 70-73; DW 24, 26; DN 461, IS 27). Obwohl die Beschreibung der Straßen und des Grasflecks auf jene bei Stift Griffen zutrifft dürfte Handke damit zugleich das »Grasdreieck« in der Nähe seines Elternhauses in Altenmarkt gemeint haben. Es handelt sich dabei, wie Valentin Hauser, ein langjähriger Freund Peter Handkes, erklärte, um ein kleines Grundstück, das der Dorfkommune gehörte. Auf dem Grasfleck stand ein Baum, von dem nur mehr ein morscher Baumstamm übrig ist, und ein »Quellenhäuschen« (DN 402), welches mittlerweile stark vergrößert worden ist.
Blick aus dem Flugzeug
In Die Morawische Nacht (2008) erblickt der heimkehrende Erzähler seinen Herkunftstort bereits vom Flugzeug aus. Er sucht seine Kindheitsorte und zählt sie sich auf: »Und zugleich erkannte er den Baum in der Dorfmitte, den wohl schon abgestorbenen Kirschbaum, samt dem roh betonierten Quellhäuschen an seinem Fuß, und daneben das aufgelassene, immer noch gelbleuchtende Dorfwirtshaus, und gegenüber die Mauer rund um den fremden Obstgarten, über die man nicht nur einmal geklettert war zum Apfel- und Birnenstehlen. Und da, die Scheunenwand des Großvaterhauses, des Geburtshauses, samt der in die Bretter gesägten Entlüftungsluke, in Form eines Kleeblattes, eines, versteht sich, vierblättrigen. Oder war das wieder so eine Fata Morgana, eine Luftspiegelung in seinem Inneren, aus einer sehr fernen Zeit.« (DN 402ff.) Und dann sieht er den »Friedhof mit der haushohen Wehrmauer, "gegen die Türken"« und den »See, verlandet? nein, doch nicht, nicht ganz, ein Wasserauge noch offen inmitten des Schilfwalds, die Schilfhalme im schwarzen Schlamm, und dieser zwischen den Zehen frisch hervorquellend, und die Blutegel im schwarzen Schlamm.« (DN 403) (kp)
(Mit Dank an Valentin Hauser und Hans Widrich für ihre Hilfe.)