Taschenkalender 1972

Notizbuch, 344 Seiten, ohne Datum [??.??.1972 bis ??.??.1973]

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Beschreibung

Der gebundene, mit einem weinroten Plastikeinband versehene Taschenkalender der Firma Baier & Schneider aus dem Jahr 1972, Format 10,4 x 14,4 Zentimeter, besteht aus insgesamt 344 unpaginierten Seiten: vier vorderen Vorsatzblättern, 4 Seiten Jahreskalender, 273 Seiten Tageskalender (einige Seiten sind herausgerissen), 26 Seiten Anhang (mit Landkarte, Verkehrszeichen- und Länderkennzeichenliste etc.), 20 Seiten Adressbuch, 14 Seiten unlinierte Blätter für Notizen, einem Faltkalender und einem hinteren Vorsatzblatt. Den Einträgen nach diente er Peter Handke wahrscheinlich weniger als Kalender denn als Adress- und Notizbuch. Der Großteil dieser meist nur stichwortartigen Notizen wurde von ihm jedenfalls nicht kalendarisch eingetragen.

Datierung

Die Aufzeichnungen entstanden vermutlich in einer Zeitspanne von 1972 bis mindestens Mitte 1973 vor allem in Kronberg und Paris sowie an verschiedenen Reiseorten, die von Handke aber nicht wie in seinen späteren Notizbüchern eigens vermerkt wurden, sondern vielmehr aus den notierten Adressen hervorgehen. Zum Beispiel Torcello und Venedig (vorderer Vorsatz), Cabourg (Kalenderblatt vom 1. März) oder Stuttgart (14. Juni). Hinweis für die über das Jahr 1972 hinausreichende Verwendungsdauer des Kalenders geben Notizen, die erst 1973 entstanden sein können, wie etwa eine Auflistung von Werken des Schriftstellers Hermann Lenz, in der auch das Jahr 1973 berücksichtigt ist (16. Juni). Den Taschenkalender könnte Handke aber auch noch nach 1973 als Adressbuch in Verwendung gehabt haben.

Notizen

Die im Kalender vermerkten Einträge bestehen in erster Linie aus Namen, Adressen, Telefonnummern und Terminen sowie Listen mit zu erledigenden Dingen. Am Tageskalenderblatt des 6. Jänner 1972 zum Beispiel, kurz nach seinem Einzug in das Eigentumshaus in Kronberg, notierte Handke: »Farben«, »Papier«, »ab Mittwoch das Baby« und »Versicherung: Hess. Unfall{versicherung [Steno]}: morgen anrufen!!«. Man findet im Kalender nicht nur eigenhändige Einträge, sondern auch mit fremder Hand geschriebene Adressen und Nachrichten wie etwa: »ich bin gegen 1 h sowieso wieder hier wenn wir dann vielleicht essen gehen mögen« (8. Februar) oder »Freddy hat 2 x angerufen« (im Notizteil des Kalenders). Viele der Einträge wurden von Handke in Stenografiekürzeln notiert und sind deshalb nur schwer zu entziffern. Um die Notizen herum findet man immer wieder wie beim Telefonieren gemachte einfache Kritzeleien.

Darüber hinaus enthält dieser Taschenkalender vereinzelt Notizen zu verschiedenen Schreibprojekten. Bisher konnten Aufzeichnungen zum Theaterstück Die Unvernünftigen sterben aus, zum Portrait Jemand anderer: Hermann Lenz, zum Filmdrehbuch Falsche Bewegung und zur Erzählung Die Stunde der wahren Empfindung gefunden werden. Es sind aber noch nicht alle in Stenozeichen geschriebenen Notizen entziffert wie beispielsweise die Aufzeichnungen auf den Blättern vom 27. und 28. Juni. Diese Vielfalt deutet darauf hin, dass der Kalender vermutlich nur, wenn kein anderes Schreibmaterial zur Hand war, als Merkbuch verwendet wurde. Es handelt sich zudem, bis auf die Notizen zum Text über Hermann Lenz, immer nur um kleinere Einträge. (kp)

Werkbezüge

Die Unvernünftigen sterben aus

In dem gebundenen, insgesamt 344 Seiten umfassenden Taschenkalender von 1972, der in der Sammlung Peter Handke/Leihgabe Widrich am Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird, notierte Peter Handke Namen, Adressen, Telefonnummern und Termine sowie Listen mit zu erledigenden Dingen. Er verwendete den Kalender aber auch gelegentlich als Merkbuch, um Ideen zu verschiedenen Schreibprojekten festzuhalten.

Am Kalenderblatt des 31. Jänner 1972 sind unter dem Titel »Die Unvernünftigen sterben aus« drei kürzere Sätze eingetragen, die mit dem Theaterstück in Verbindung stehen: »Ein Beruhigungsvorgang, bei dem der Angeredete schließlich beruhigt ist, während der Beruhigende ganz unruhig geworden ist«, »Das ist mein letzter Versuch, glücklich zu sein«, »Er sieht Sie {an} und hat einen Gedankensprung« und »die Glocken läuten, als ob sie Schnupfen hätten«. Vermutlich entstanden diese Einträge noch vor der Arbeit an der ersten Textfassung, da die ersten beiden Notizen von Handke auch in sein Notizbuch mit dem Projekttitel »Die Unvernünftigen sterben aus« übertragen wurden (ÖLA SPH/LW/W41/1, S. 5a, 6a). Die zweite Notiz wurde auch nachweislich in der ersten Fassung eingearbeitet. Nachdem ihn seine Frau fragt: »Was wirst Du tun?« antwortet Quitt: »im Selbstgespräch: Aufhören. Vernichten. Er schaut sie an. Seltsam: wenn ich dich anschaue, bekomme ich einen Gedankensprung.« (DU 90, DUa 91). (kp)

Siglenverzeichnis

Falsche Bewegung

In dem gebundenen, insgesamt 344 Seiten umfassenden Taschenkalender von 1972, der in der Sammlung Peter Handke/Leihgabe Widrich am Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird, notierte Peter Handke Namen, Adressen, Telefonnummern und Termine sowie Listen mit zu erledigenden Dingen. Er verwendete den Kalender aber auch gelegentlich als Merkbuch, um Ideen zu verschiedenen Schreibprojekten festzuhalten.

Im Taschenkalender findet man eine Notizpassage zum Filmdrehbuch Falsche Bewegung sowie Namen bzw. Adressen von Personen die im Zusammenhang des Filmprojekts relevant waren – Wim Wenders etwa oder Friedhelm Maye, mit dem Zusatz »Regie-Assistenz« (Kalenderblatt vom 17. April). Dieser Eintrag könnte aber auch erst bei den Vorbereitungen für die Dreharbeiten zu Die linkshändige Frau 1976/77 entstanden sein. Am Tageskalenderblatt des 8. März 1972 notierte Handke Großteils in Stenografiekürzeln eine Strophe aus dem Gedicht, das der Alte Wilhelm und den anderen Reisegefährten über seine Vergangenheit vorsingt: »In Karlsbad steht ein kleines Haus [/] Da sitzt ein Mann und kommt nicht raus [/] Und wie der Mann dann endlich geht [/] Da war es leider schon zu spät [/] Da sagt' ich ihm: Mein lieber Herr [/] Mich int'ressiert das jetzt nicht mehr [/] Jetzt können Sie reingehen noch einmal [/] Mir ist schon alles ganz egal.« (FB 50) Diese Strophe wurde von Handke erst bei einem Korrekturgang im Typoskript der ersten Textfassung mit dem Hinweis »den reim mit Karlsbad einfügen!« (ÖLA SPH/LW/W7, S. 14) handschriftlich ergänzt. (kp)

Siglenverzeichnis

Die Stunde der wahren Empfindung

In dem gebundenen, insgesamt 344 Seiten umfassenden Taschenkalender von 1972, der in der Sammlung Peter Handke/Leihgabe Widrich am Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird, notierte Peter Handke Namen, Adressen, Telefonnummern und Termine sowie Listen mit zu erledigenden Dingen. Er verwendete den Kalender aber auch gelegentlich als Merkbuch, um Ideen zu verschiedenen Schreibprojekten festzuhalten.

Die auf das Tageskalenderblatt des 13. März geschriebene Notiz: »Die letzte Stunde ist schon so langsam vergangen – wie habe ich nur das Leben vorher überstanden?« wurde von Handke etwas verändert in seine Erzählung Die Stunde der wahren Empfindung aufgenommen. Dort heißt es: »So viel Zeit hatte er also schon verbracht! Wenn er sich vorstellte, wie schwer ihm allein die letzte Stunde vergangen war, dann wußte er nicht mehr, warum er nicht schon lange vorher erstickt war. Aber irgendwie mußte die Zeit doch vergangen sein?« (DSE 37) (kp)

Siglenverzeichnis

Als das Wünschen noch geholfen hat

In dem gebundenen, insgesamt 344 Seiten umfassenden Taschenkalender von 1972, der in der Sammlung Peter Handke/Leihgabe Widrich am Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird, notierte Peter Handke Namen, Adressen, Telefonnummern und Termine sowie Listen mit zu erledigenden Dingen. Er verwendete den Kalender aber auch gelegentlich als Merkbuch, um Ideen zu verschiedenen Schreibprojekten festzuhalten.

Die auf den Kalenderblättern vom 13. bis 28. Juni eingetragen Notizen zur Biografie von Hermann Lenz  umfassen insgesamt 12 Seiten. Sie entstanden im Kontext von Handkes Portrait über Lenz, das unter dem Titel Tage wie ausgeblasene Eier. Einladung, Hermann Lenz zu lesen am 22. Dezember 1973 in der Süddeutschen Zeitung erschien und 1974 im Sammelband Als das Wünschen noch geholfen hat unter dem Titel Jemand anderer: Hermann Lenz (AW 81-100) wiederabgedruckt wurde. In Vorbereitung des Beitrags besuchte Handke seinen Kollegen am 5. Mai 1973 in Stuttgart (Handke / Lenz 2006, S. 18-20). Die stichwortartigen Notizen im Kalender (der Großteil ist in Stenokürzeln geschrieben) sind eine Art Mitschrift der Gespräche mit Lenz. Sie bilden die Grundlage für Handkes Text. Die Aufzeichnungen beginnen mit Stichworten zum Lebenslauf von Lenz, die sich Handke vermutlich auf einem gemeinsamen Spaziergang notierte: »Kunstgeschichte, Archäologie u. Germanistik, [/] Heidelberg + München [/] Theologie vorher in Tübingen [/] lila: {die Farbe des [in Steno]} Biedermeier [/] Feuerbachtal ({wenn ich mir den Namen [Rahmen?] merke [?], dann erinnere ich mich [Steno]}« (13. Juni). Im Portrait schreibt Handke dann: »für alles gibt es eine Erinnerungsmöglichkeit: als wir durch das Feuerbachtal bei Stuttgart gingen, kam uns ein junges Paar entgegen, der Mann mit einer lila Jacke. Ich sah nur Stuttgarter Wochenendspaziergänger (siehe oben) und schaute weg; aber Hermann Lenz sagte lebhaft zu seiner Frau: "Ha, der trägt eine lila Jacke – die Biedermeierfarben kommen wieder!"« (AW 89) (kp)

Siglenverzeichnis

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Zusätzlich eingetragene Werktitel:  Die Unvernünftigen sterben aus (Tageskalenderblatt vom 31.1.1972)
Entstehungsdatum (laut Vorlage):  1972
Datum normiert:  ohne Datum [??.??.1972 bis ??.??.1973]
Entstehungsorte (ermittelt):  Kronberg im Taunus, Paris

Materialart und Besitz

Besitz:  Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
Art, Umfang, Anzahl: 

1 Taschenkalender 1972 mit weinrotem Plastikeinband, 344 Seiten (inkl. Vorsatz), unpag. 4 Seiten Vorsatz, 4 Seiten Jahreskalender, 273 Seiten Tageskalender (einige Seiten wurden herausgerissen), 26 Seiten Anhang (mit Landkarte, Verkehrszeichen, Länderkennzeichen etc.), 20 Seiten Adressbuch, 14 Seiten unlinierte Blätter für Notizen, ein Faltkalender (2 Seiten) und ein hinteres Vorsatzblatt

Format:  10,4 x 14,4 cm
Schreibstoff:  Kugelschreiber (blau, schwarz, grün, rot), Tinte (blau), Filzstift (grün, blau, braun, schwarz, rot), Buntstift (blau, rot, schwarz, braun, gelb), Bleistift
Weitere Beilagen: 

1 Polaroidbild mit Libgart Schwarz

Nachweisbare Lektüren

Musik:
Erwähnung von John Fogerty (Kalenderblatt vom 21.2.) und der Zeile »She is my kind of woman« (10.3.) aus dem Song My Kind Of Woman von Craig Morgan

Ergänzende Bemerkungen

Illustrationen: 

1 Kinderzeichnung (Tageskalenderblatt vom 1. Juli)