Theatrum heroinarum

Frontispiz (mit Mausklick zum Vollbild)

Theatrum Annuum Historico-Morale Heroinarum. Oder: Jährliche sittliche Geschichts Schau-Bühne der Heldinen. Bestehend In unsterblicher Gedächtnus würdigen Tugenden, Als inbrünstigen Glaubens-Eifer, Unverwelckter beständiger Ehelicher Treu, mit eigenem Blut verfochtener Jungfrauschafft, unerschrockenem Martialischem Heldenmuth, außbündiger Weisheit, wunderlichen Begebenheiten, und anderen seltsamen denckwürdigen Sachen. Welche Auß vilen alten und neuen, so Geistlichen, als profanen Bücheren nicht ohne Mühe zusamen gesucht, und mit allerhand rären Biblischen Concepten außerlesenen Sprüchen der heiligen Vätteren, sambt anderen nutzlichen Moralitäten und Lehr-Stucken gezieret, Nicht nur dem Hoch-Löblichen Frauen-Volck zum Lobe und Nachfolge, sonder auch denen Herren Predigern zu sonderlichem Vorrath In vier Theil verfasset, und mit fünf-fachen Indice versehen ... Eröffnet Von P. Fr. Ivone Hueber. - Augspurg und Grätz : In Verlag Philipp, Johann, und Martin Veith. [Erster Theil] 1717.

Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 310.279-B.Alt-Mag.1

Detailinformation

Das Wissen der Zeit gleichsam auf einer Bühne vor dem Leser auszubreiten und damit anschaulich zu machen – das war das Ziel der Theatrum-Literatur der frühen Neuzeit. Das Frontispiz zum Theatrum annuum historico-morale heroinarum (Bild  links) veranschaulicht diese Idee mit einem barocken Theaterprospekt. Zwölf Frauengestalten, durch ihre Kleidung den verschiedensten Ländern und Zeiten zugeordnet, repräsentieren die vielen Heldinnen der einzelnen „Vorstellungen“, der Kapitel des Werkes.

Das großangelegte Buchprojekt des Franziskanermönchs Ivo Hueber sah ursprünglich eine Vorstellung für jeden Tag des Jahres vor, und so umfasst der vorliegende erste Band für die Monate Jänner bis März (der auch der letzte bleiben sollte) insgesamt neunzig davon. Jede ist einem bestimmten Thema gewidmet, wobei – wenig überraschend – oft traditionelle weibliche Tugenden und unter den verschiedensten widrigen Umständen leidende, geduldig ausharrende oder verzeihende Frauen im Mittelpunkt stehen: „Die ihre Zungen ansehnlich bemeisterende [sic] Frauen“, „die gegen die Arme und Krancke barmhertzige Frauen“, „die verfolgte, hart gehaltene Kindbetterin“ und „die mit Blut tapffer erfochtene Jungfrauschafft“ sind nur einige Beispiele.

Hueber präsentiert aber auch „herrliche und Welts=berühmte Regentinen“, die „unerschrockenen Martial- und kriegerische Frauen-Bilder“ oder „das hochgelehrte und kunstreiche“ bzw. das „das hochweise und gelehrte Frauen=Zimmer“. In dieser „Vorstellung“ lässt er Frauen der jüngeren Geschichte als Protagonistinnen auftreten:
Anna Maria Schurmann (1607-1678), „in allen Künsten und Wissenschafften der Massen [!] gründlich erfahren / daß sie sich mit denen gelehrtisten Männern dörffen in Disputation einlassen“; Elisabeth von der Pfalz (1618–1680), Äbtissin von Herford, „in der Philosophia und Theologia so tieff gegründet / daß sie manchem / der mit ihr angebunden / die Schamröthe und den Schweiß ausgetrieben“; und Helena Sybilla Moller, die sprachgelehrte Tochter des berühmten Orientalisten Johann Christoph Wagenseil.
Der katholische Geistliche Hueber versagt selbst der „kötzerischen Königin in Engelland“, der gebildeten Elisabeth I., nicht die wohlverdiente Bewunderung. Überhaupt scheinen ihm „Weibs=Personen / aller Sprachen / Künsten / und Wissenschaften fähig“, und er argwöhnt gar: „Es scheinet aber / daß es die Manns=Personen darzu nicht wollen kommen lassen / aus Furcht / daß sie von denen Weibern übertroffen möchten werden“.

Die umfangreichen Register erlauben es, das Werk gezielt nach Autoren- und Personennamen, Stichworten und Fallbeispielen und sogar nach Bibelstellen (da viele Erzählungen der Heiligen Schrift entnommen sind) zu durchsuchen.

 

Über die Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit informiert die Website des Projekts „Welt und Wissen auf der Bühne“.
Dort findet sich auch ein ausführlicher Artikel zum Theatrum Heroinarum.

 


last update 03.12.2014