Hartmut Leser: Geomorphologie II
Buch, mit hs. Anmerkungen und Markierungen von Peter Handke, 106 Seiten, ohne Datum
Im Zuge seiner Übersiedelung von Salzburg nach Chaville bei Paris ließ Peter Handke Möbel und Gegenstände, aber auch Werkmaterialien, Fotos, Platten und Bücher zurück. Seine Bibliothek verschenkte er dabei an verschiedene Freunde, ein Teil befindet sich heute in der Sammlung Peter Handke/Leihgabe Widrich. Zum Bestand seiner Salzburger Bibliothek zählte dabei unter anderen das Buch Geomorphologie II von Hartmut Leser, aus der Reihe »Das geographische Seminar«, in dem es um Arbeitsweisen in der Praxis der geomorphologischen Feldforschung geht. Handke studierte dieses Buch für sein Romanprojekt »Ins tiefe Östereich« bzw. die spätere Erzählung Langsame Heimkehr intensiv. Die Lektürespuren sind durch zahlreiche unterstrichene Stellen und Anmerkungen dokumentiert. Besonders viele Markierungen findet man dabei in jenen Kapiteln, in denen es um das »Zeichnen« (S. 71) und »Fotografieren« (S. 70) oder das Führen eines »Feldbuchs« (S. 22) geht. Ebenso wichtig und für die Beschreibung der Tätigkeiten seiner Hauptfigur, des Geologen Valentin Sorger, der geomorphologische Feldstudien in Alaska betreibt, sind die notwendigen Arbeitsgeräte, die »Ausrüstung« (S. 9) oder die diversen Messmethoden. Zum Beispiel sind die von Sorgers Kollegen Lauffer gebauten »Sandfallen« und »Schuttauffang-Kästen« (LH 61) in Lesers Buch im Kapitel »Abspülung (spezielle Bodenerosion) und fluviatile Dynamik« dargestellt (S. 62), die Methoden, um »die Frosthebungen des Bodens messen« (LH 61) zu können, erklärt Leser im Kapitel »Gravitationsprozesse« (S. 69).
Feldbuch
Das Kapitel »Feldbuch« beginnt mit einer Passage, die Handke (vielleicht auch, weil sie in einer Analogie zu seiner Arbeit als Schriftsteller oder »Chronist« sein Journalführen betreffen) mehrfach angestrichen hat: »Der wichtigeste Gegenstand bei der Geländearbeit ist das Feldbuch. Hier werden alle Beobachtungen, Gedanken und Skizzen eingetragen, die mit der Geländearbeit in Verbindung stehen. Grundsatz muß sein, jede Beobachtung schriftlich oder zeichnerisch zu fixieren. Die Hoffnung, sich später an dieses oder jenes zu erinnern, wird sich nicht erfüllen. Nach Abschluß der Geländearbeit werden viele Einzelheiten miteinander verschmelzen oder ganz aus dem Gedächtnis entschwinden.« (S. 22)
Zeichnen und Fotografieren
Das Führen eines Feldbuchs und Zeichnen wird von Leser dem Fotografieren vorgezogen. Auch diese Passage kennzeichnete Handke für sich durch mehrere Unterstreichungen, Kreuzchen und Wellenlinien. »"Das Beobachten und Zeichnen von Geländeformen ist eine der besten Einführungen in deren Genesis, in die Geomorphologie" (Imhof, 1965). Zeichnen zwingt zum genauen Beobachten, zum Erfassen der Formen in allen Einzelheiten und zum Herausarbeiten der charakteristischen Züge. Alle Zufälligkeiten, die den Wert der Fotografie beeinträchtigen, fallen bei der Zeichnung weg. Sie ist zwar weitgehend subjektiv, doch sagt sie gewöhnlich mehr aus als eine Fotografie, da für die Sache unwesentliche Objekte herausgelassen werden können. Diese Auswahl, die natürlich eine Wertung der Objekte darstellt, erfordert ein ebensolches Verantwortungsbewußtsein, wie die Ansprache der Formen. Die Auswahl darf sich nicht auf Erscheinungen erstrecken, die eine vorgefaßte Meinung, Deutung sein oder die Skizze aus ästhetischen Gründen "stören" können. Hier ist eine scharfe Grenze zu ziehen: Zeichnung kann nur als wissenschaftliches Dokument angesprochen werden, wenn eine möglichst wirklichkeitsnahe und objektive Widergabe angestrebt worden ist.« (S. 71) Diese Aussage über die Feldforschungsmethoden ist der Arbeitsweise und Poetologie Handkes sehr nahe – er dürfte hervorgehoben haben.
In Langsame Heimkehr findet man diese Stelle von Handke verarbeitet, wenn er über Sorger schreibt: »Er zog das Zeichnen, auch in der Arbeit, dem Fotografieren vor, weil ihm dabei erst die Landschaft in all ihren Formen begreiflich wurde; und er war jedesmal überrascht, wie viele Formen sich da zeigten, sogar in einer auf den ersten Blick ganz eintönigen Ödnis. Außerdem kam ihm jede Gegend erst näher, indem er sie — möglichst getreu und ohne die in seiner Wissenschaft üblich gewordenen Schematisierungen und Weglassungen — Linie für Linie nachzeichnete, und er konnte dann, wenn auch nur vor sich selber, mit gutem Gewissen behaupten, dagewesen zu sein.« (LH 47) (kp)
Tabellarische Daten
Titel, Datum und Ort
Hartmut Leser: Geomorphologie II. Geomorphologische Feldmethoden. (Braunschweig: Westermann 1968)
Braunschweig [Verlagsort]
Materialart und Besitz
Buch, 108 Seiten, I-II, pag. 3-106, I*-II*, mit zahlreichen Anmerkungen und Markierungen von Peter Handke
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Ins tiefe Österreich
Notizbuch, 125 Seiten, 08.05.1976 bis 13.06.1976 -
Ins tiefe Österreich
Notizblock, 82 Seiten, 21.07.1976 bis 10.09.1976 -
Phantasien der Ziellosigkeit
Notizbuch, 178 Seiten, 16.09.1976 bis 03.11.1976 -
Ins tiefe Österreich
Notizbuch, 190 Seiten, 24.05.1977 bis 14.10.1977 -
Ins tiefe Österreich (Sorgers Abenteuer)
Notizbuch, 280 Seiten, 14.10.1977 bis 23.12.1977 -
Das Versäumnis
Notizbuch, 176 Seiten, 08.01.1978 bis 24.04.1978 -
Die Zeit und die Räume
Notizbuch, 180 Seiten, 24.04.1978 bis 26.08.1978 -
Die Vorzeitformen
Notizbuch, [126 Seiten], 31.08.1978 bis 18.10.1978 -
Die Vorzeitformen
Notizbuch, 96 Seiten, 18.10.1978 bis 27.11.1978 -
Die Vorzeitformen
Notizbuch, 144 Seiten, 27.11.1978 bis 11.02.1979 -
Das Zeitalter des Verschweigens; Die Wiederholung; Ins tiefe Österreich
Notizbuch, 118 Seiten, 12.02.1979 bis 24.04.1979 -
Langsame Heimkehr (Eine Geschichte unter Freunden); Die Wiederholung
Notizbuch, 138 Seiten, 26.04.1979 bis 08.07.1979 -
Kindergeschichte; Dramatisches Gedicht
Notizbuch, 196 Seiten, 09.07.1979 bis 06.11.1979
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Fotos zur 1. Alaskareise 1977
Polaroids, annotierte Exemplare von Peter Handke, 48 Stück, 08.07.1977 bis 10.07.1977 -
Hartmut Leser: Geomorphologie II
Buch, mit hs. Anmerkungen und Markierungen von Peter Handke, 106 Seiten, ohne Datum -
Herbert Wilhelmy: Geomorphologie in Stichworten
Buch, mit hs. Anmerkungen von Peter Handke, 3 Bände, insg. 511 Seiten, ??.??.[1978] -
Circle. Alaska Topographical Series
Landkarte, annotiert, 1 Blatt, 14.10.1978 -
Die Vorzeitformen (Textfassung 1)
Typoskript 1-zeilig, 52 Blatt, [14.10.1978 bis] 06.01.1979 -
Das Raumverbot (Textfassung 2a)
Typoskript 2-zeilig, mit hs. Markierungen von Siegfried Unseld, 158 Blatt, ohne Datum [07.01.1979 bis 29.01.1979] -
Das Raumverbot (Textfassung 2b)
Typoskript 2-zeilig, Kopie, mit hs. Korrekturen fremder Hand, 158 Blatt, ohne Datum [02.02.1979 bis 19.02.1979] -
N. K. Sandars (Hg.): The Epic of Gilgamesh
Buch, mit hs. Notizen von Peter Handke, 128 Seiten, ohne Datum -
Das Zeitalter des Verschweigens (Textfassung 3)
Typoskript 2-zeilig, Kopie, mit hs. Korrekturen, Überklebungen und originalen Typoskriptblättern, 162 Blatt, ohne Datum [19.02.1979 bis 21.03.1979] -
Langsame Heimkehr. Erzählung
Druckfahnen, mit hs. Korrekturen von Peter Handke, Elisabeth Borchers und vom Verlagskorrektorat, 132 Blatt, ohne Datum [12.04.1979 bis 14.05.1979] -
[Langsame Heimkehr] (Neuschrift des 2. und tw. des 3. Kapitels)
Typoskript 1,5-zeilig, 48 Blatt, ohne Datum [14.05.1979] -
Langsame Heimkehr. Erzählung
Umbruchabzug, Exemplar von Peter Handke, 200 Seiten, 30.05.1979 -
Langsame Heimkehr. Erzählung
Buch, Korrekturexemplar von Peter Handke, 211 Seiten, ohne Datum [07.09.1979 bis 10.09.1979] -
Slowenisch I
Vokabelheft, 80 Seiten, 19.11.[1979] bis 31.01.[1980] -
Konvolut mit Korrekturlisten (zum Korrekturexemplar)
Manuskript und Typoskript, von Peter Handke und Elisabeth Borchers, 5 Blatt, [07.09.1979 bis] 18.09.1979 -
Dokumentation der Herstellungs- und Korrekturabläufe
Typoskript, 1 Blatt, 19.09.1979