Dieses Notizbuch Peter Handkes aus der Zeit zwischen 16. April und 8. Mai 1976 umfasst 96 vom Autor paginierte Seiten. Es blieb ohne Titel und wurde von ihm auch keinem Schreibprojekt zugeordnet. Die Notizen entstanden vor allem in Paris, wo Handke zu dieser Zeit lebte, und während eines kurzen Aufenthalts in Cap d’Antibes, Frankreich (S. 36ff.). Der überwiegende Teil der Einträge wurde von Handke mehr oder weniger überarbeitet und mit den jeweiligen Datierungen in das Journal Das Gewicht der Welt übernommen; sie umfassen dort 37 Seiten (DGW 123-160). Nicht übertragen wurden persönliche Erinnerungen an die Kindheit, Familie oder ihm nahestehende Personen, werkbezogene Aufzeichnungen zur Linkshändigen Frau oder die mit Illustrationen zusammenhängenden Notizen.
Das in der Vornotiz zum Journal thematisierte Problem des Vergessens im Zusammenhang mit dem Notieren (DGW 5) wurde von Handke in diesem Notizbuch auf verschiedene Weise aufgegriffen, zum Beispiel als Klage oder Wut über das Vergessen oder Verschwinden des emphatischen Gefühls: »Ich sah den klaren Nachthimmel mit den kleinen hellen Wolken die Sterne, und war schon wütend über mich, in der lauen Luft, wie schnell ich diese Einmaligkeit wieder vergessen würde – Wut und Bitterkeit über das VERGESSEN« (S. 73, DGW 153). Oder als Bemerkung, dass auch das Schreiben eine Arbeit am Vergessen bedeutet und zwar an keinem »fruchtbaren«, sondern einem »furchtbaren«: »Das furchtbare Vergessen, das ich mit dem unablässigen Aufschreiben betreibe!« (S. 87, DGW 159)
Die Eingriffe und Überarbeitungen beim Abtippen der Notizen sind unterschiedlich: Manche Notizen wurden für die Veröffentlichung erst ausgeschmückt (z. B. S. 77ff, DGW 154), umgestellt (z. B. S. 31, DGW 130), weitergeschrieben wie das kleine Gedicht vom 7. Mai (DGW 159ff, vgl. S. 88) oder gekürzt. Zum Beispiel fehlt bei der Notiz: »Für viele heißt nur das "Wirklichkeit", was nicht in Ordnung ist« (DGW 150) der ganze Zusatz: »(Vorwurf gegen Schriftsteller wie mich), die genaue Beschreibung von etwas, das zwar nicht in Ordnung ist, aber Ordnung, besser gesagt, Harmonie verheißt, wie Naturbeschreibungen, Liebeserlebnisse, "haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun"« (S. 66). Namensinitialen wurden teilweise verändert (z. B. S. 57, DGW 148) oder weggelassen. So wurde bei der Notiz: »Wie schnell mir die Lippen trocken werden, wenn ich mit fremden (und fernbleibenden) Leuten spreche!« (DGW 137) – der Zusatz weggelassen »bei Th. Bernhard habe ich das Gefühl ihm würden die Lippen trocken mit allen Leuten und er müßte sie dauernd befeuchten)« (S. 35). Manche Notizen wurden von Handke im Journal durch kleine Kommentare ergänzt wie beispielsweise »der soll mein wahres Gesicht sehen!« (DGW 153, vgl. S. 75) oder »so fängt der Tag mit Stumpfsinn an« (DGW 155, vgl. 79); sie sind im Notizbuch nicht zu finden. Den an eine Notiz über einen Flugzeugtraum angefügten Kommentar »Und heute werde ich nach Los Angeles fliegen« (DGW 160; vgl. 89) generierte Handke vermutlich aus dem im Notizbuch drei Seiten später aufgeschriebenen und nicht ins Journal übernommenen Satz: »12h: Jetzt fahren wir zum Flughafen nach L.A.« (S. 91). Vier kleinere Einträge im Journal konnten im Notizbuch nicht gefunden werden, sie dürften von Handke beim Abschreiben der Notizen ergänzt worden sein (DGW 130, 136, 148, 159). (kp)
Paris [Wohnadresse, S. I]
1 rot-weiß-kariertes Notizbuch mit Spiralbindung, 96 Seiten, I, pag. 1-96, I*; von Handke auf vorderen Buchdeckel geklebter Papierstreifen mit Datierung »April-Mai 1976«; S. 92-93 unbeschriftet
Beilagen (Blätter vom DLA eingelegt mit Hinweisen auf eingelegte Briefe?)
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