Dieses Notizbuch mit dunkelbraunem Einband enthält Einträge von 1. Jänner bis 24. April 1982. Die Seiten sind unliniert, von 1-160 paginiert und mit enger Schrift beschrieben. Peter Handkes tägliche Notizen sind jeweils zwischen einer halben und drei Seiten lang, als Schreibmaterial verwendete er Bleistifte, blauen Kugelschreiber sowie rote und schwarze Fineliner. Die Aufzeichnungen enthalten allgemeine Beobachtungen von Orten, an denen er unterwegs war, Traumnotizen, beiläufig Aufgeschnapptes aus Fernsehfilmen oder mitgehörte Dialogfetzen aus Café- und Wirtshäusern, Reflexionen zu seinem eigenen Schreiben (vor allem zum Bleistift), Zitate aus verschiedenen Lektüren sowie vereinzelte slowenische Wortübersetzungen.
Auf dem vorderen Vorsatz ist Peter Handkes Salzburger Wohnadresse eingetragen, darunter die Datierung »1. Januar 1982 – 24. April 1982« (S. I). Auch zwei Projekttitel sind dort notiert: »Die Geschichte des Bleistifts« und »"Die Wiederholung"« (S. I). »La Sabana de la Libertad (Kras)«, die spätere Kapitelüberschrift aus Die Wiederholung, ist wie ein Motto auf einer eigenen Seite eingetragen (S. II). Am hinteren Vorsatz sind zwei Seiten mit Handkes Tagesnotizen vom 22. bis 24. April 1982 beschrieben (S. I*-II*), nur die letzte Seite enthält die dort üblichen Telefonnummern, Zug- und Busabfahrtszeiten und Personennamen (S. III*).
In diesem Notizbuch sind vier kürzere Reisen dokumentiert: Von 10. bis 16. Jänner 1982 war Handke in Slowenien, von 22. bis 24. Jänner 1982 in der Schweiz, von 7. bis 14. Februar 1982 in Paris und von 14. bis 17. April 1982 erneut in Slowenien. Drei auffällig lange Notizbucheinträge entstanden während dieser Reisen: am 22. Jänner, 8. Februar und 16. April 1982. Zwischen den Reisen befand sich Handke vorwiegend in seinem Wohnort Salzburg, den er zumeist mit »(S.)« abkürzte. Seine nähere Wohnumgebung auf dem Mönchsberg bezeichnete er mit »(Mbg.)«.
Mehrere Werkprojekte und Übersetzungsarbeiten Handkes sind nachweisbar. Markierungen von Textpassagen mit dem Symbol »⊗« fallen auf: erstmals beim Eintrag vom 7. Jänner 1982 und letztmals bei jenem vom 8. April 1982. Die Verwendung dieser Markierungen diente nicht für ein bestimmtes Werkprojekt. Einerseits handelte es sich um Notizen, bei denen Handke bei einer späteren Lektüre des Notizbuches entschied, sie für das Projekt Der Chinese des Schmerzes zu übernehmen, andererseits wurden einige dieser mit »⊗« markierten Sätze für Die Geschichte des Bleistifts verwendet. Doch auch einige unmarkierte Notizen aus diesem Buch verwendete Handke für Der Chinese des Schmerzes. Die vereinzelt eingesetzten Kürzel »GdB« und »DGdB« sind dem Journalprojekt Die Geschichte des Bleistifts zuzuordnen. Es handelt sich um Anmerkungen und Ergänzungen zur vermutlich ersten vollständigen Textfassung, die Handke mit einem Schreiben vom 22. April 1982 (ÖLA 165/W2) an den Residenz Verlag sandte. Am vorderen Vorsatz ist eine Gliederung für den Textbeginn von Die Geschichte des Bleistifts skizziert.
Für sein drittes Journal Phantasien der Wiederholung übernahm Handke wenige Notizbucheinträge vom Beginn des Notizbuchs. In den Zeitraum dieses Notizbuchs fiel auch Handkes Übersetzungsarbeit an Emmanuel Boves Armand, die nur mit kleineren Anmerkungen erwähnt wird. Das Typoskript entstand vom 1. Februar bis 5. März 1982, der Abschluss wird kurz mitgeteilt: »Boves "Armand" übersetzt« (S. 90).
Ab Mitte März 1982 mehren sich die Hinweise auf Handkes Langzeitprojekt Die Wiederholung, Anzeichen dafür sind vordergründig die Abkürzungen »DW« und »HdW« (womit »Held der Wiederholung« gemeint ist), sowie die Notiz von möglichen Ortsnamen für die Erzählung. Bereits abgeschlossene Werke erwähnte Handke an wenigen Stellen, z.B. sein am 31. August 1981 erschienenes Stück Über die Dörfer: »ÜdD ist kein Festspiel: sein Grundzug ist vielmehr die Sachlichkeit, die sich manchmal ins Festliche ausweitet, und am Ende feierlich wird« (S. 37). Er nahm auch einige Male Bezug auf seine am 6. September 1979 veröffentlichte Erzählung Langsame Heimkehr, worauf das Kürzel »LH« oder der Namen der Hauptfigur »Sorger« hinweisen.
Eine nachträgliche Ergänzung zu der von Handke im Dezember 1981 fertiggestellten Übersetzung von Georges-Arthur Goldschmidts Der Spiegeltag (vgl. Typoskript ÖLA SPH/LW/W138) hielt er auf dem hinteren Vorsatz fest. Darunter notierte er eine Idee zur Übersetzung der Gedichte von Gustav Januš, die Handke aber dem Manuskript zufolge (vgl. ÖLA SPH/LW/W139) erst am 4. Juli 1982 begann: »In der Januš-Übersetzung sollten das erste und das letzte Gedicht auch slowenisch dastehen«. Diese Überlegung wurde in der Übersetzungsarbeit so umgesetzt.
Notizen zu Lektüren sind im gesamten Notizbuch zu finden, wobei ab März 1982 Verweise auf die Romane Georges Simenons auffallen, da sie als Hintergrund für die »Kriminalgeschichte« in Der Chinese des Schmerzes eine Rolle spielen. Das üblicherweise für die Ortsangabe »Salzburg« eingesetzte Kürzel »(S.)« verwendete Handke auch zur Kennzeichnung seiner Simenon-Lektüre. Francis Ponges Das Notizbuch vom Kiefernwald. La Mounine hatte Handke bereits 1981 übersetzt und es wurde vom Verlag am 4. März 1982 ausgeliefert. Lektürezitate im Notizbuch zeigen aber, dass Handke Ponges frühe Texte gerade im Jänner 1982 intensiv las, so ist aus Proêmes (1948) am vorderen Vorsatz zitiert: »"... tenter d’exprimer quelque chose, c’est-à-dire soi-même, su propre volonté de vivre par exemple, de vivre tout entier, avec les sentiments nobles et pars de bon petit garçon ardent qui existent en vous..." (Francis Ponge)« und aus Le parti pris des choses (1942) am 16. Jänner 1982: »"mûres, parfaitement elles sont mûres"« (S. 14). Bei der späteren Kapitelüberschrift »La Sabana de la Libertad (Kras)« am zweiten vorderen Vorsatzblatt handelt es sich um eine aus Herbert Wilhelmys Welt und Umwelt der Maya entnommene Bezeichnung einer für die Kulturgeschichte der Maya bedeutenden Karstlandschaft auf der Halbinsel Yucatán. Handke hatte dieses 1981 neu erschienene Buch bereits zwischen Juni und Oktober 1981 gelesen und anschließend diese Bezeichnung auf »seine« Karstlandschaft in Slowenien bzw. seine Erzähllandschaft übertragen.
Das Notizbuch enthält mehrere Zeichnungen, die Handke während seiner Reisen anfertigte. Am 22. Jänner 1982 zeichnete er eine Löwensäule in der Kathedrale von Chur, am 8. Februar fügte er in Neuilly zwischen die Notizen die Skizze eines Wegdreiecks ein, am selben Tag zeichnete Handke eine Baumreihe mit Birken; beides sind Motive, die er immer wieder an verschiedenen Orten festhielt. Eine Vorlage für das Titelbild zur Erstausgabe von Die Geschichte des Bleistifts ist mit großer Sicherheit die Zeichnung vom 11. Februar 1982 mit der Beschriftung »Porte d'Auteuil«, auf der eine schreibende/zeichnende Person (der Autor) von hinten abgebildet ist. Ein Ornament oder Muster aus Dreiecken zeichnete Handke am 15. April 1982 über den zuvor notierten Text; dabei könnte es sich um Dachziegel oder einen Holzstoß handeln. (ck)
Die Geschichte des Bleistifts; "Die Wiederholung"; La Sabana de la Libertad (Kras);
Salzburg
An Ortsangaben lassen sich aus den Aufzeichnungen vorerst ermitteln: Villach (10.1.1982), Villach → Udine (10.1.1982), Görz (12.1.1982), Piran (12.1.1982), Izola (14.1.1982), S.[alzburg], (16.1.1982); Zürich "Airport", Zürich, Bhf. (22.1.1982); Chur, Kathedrale (22.1.1982), Davos (22.1.1982); → Zürich (24.1.1982); »vom Engadin zurück in Salzburg« (25.1.1982); → Paris (7.2.1982); Neuilly (8.2.1982); Clamart (8.2.1982); Bois de Meudon/Clamart (8.2.1982); »DER PRACHTWEG (von Clamart durch den Wald, oder die Bahn entlang, dann an den Teichen entlang, nach Chaville« (8.2.1982); Viroflay/Chaville, → Montparnasse (9.2.1982); rue St. Denis (10.2.1982); Zürich (14.2.1982); vom 14.2.1982 bis zum 5.3.1982 folgen zahlreiche Eintragungen mit slowenischen Ortsnamen, es ist aber unklar, ob es sich um Notizen vor Ort handelt oder ob der Zeitraum eine längere Schreibphase in Salzburg darstellt; → Villach, Drautal (14.4.1982); Ljubljana, am Schieferhügel Celovska Cesta (15.4.1982); Cankarjev Vrh (15.4.1982); Nova Gorica (16.4.1982); → Hruševica (16.4.1982), Kosovelje[?] (16.4.1982), Krajna vas (16.4.1982), Nova Gorica (16.4.1982); Villach Hbf. (17.4.1982), »zurück auf dem Mbg.« (17.4.1982)
1 dunkelbraunes Notizbuch mit lederartigem Einband, 160 Seiten, I-III, pag. 1-160, I*-III*; von Handke auf Buchrücken geklebter Papierstreifen mit hs. Datierung »Jan–April 82«
Das Notizbuch enthält mehrere größere Illustrationen.
Handke verwendet die Kürzel »HdW« (Held der Wiederholung), »DW« (Die Wiederholung), »DGB« (Die Geschichte des Bleistifts); das Symbol ⊗ (für DCS) wird in diesem Notizbuch erstmals eingesetzt.