Über die Musiksammlung

Wie die meisten anderen Spezialsammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek entstand auch die Musiksammlung nicht im Sinne einer "Gründung", sondern im Verlauf eines jahrhundertelangen Kristallisationsprozesses innerhalb der Bestände der ehemaligen k.k. Hofbibliothek.

Erst 1920, mit dem Umzug in das Albertinagebäude, begann die Phase einer äußeren Selbständigkeit und der Umwandlung in eine moderne musikalische Gebrauchsbibliothek, als die sich die Musiksammlung heute neben ihrer Funktion als größtes staatliches Musikarchiv Österreichs und als "Autografenschatzkammer" der Öffentlichkeit darstellt.

Einen umfassenden räumlichen und organisatorischen Neubeginn erlebte die Musiksammlung 2005, als sie in ihre neue Heimstätte im Palais Mollard (1010 Wien, Herrengasse 9) übersiedelte und gleichzeitig den nach jahrelanger Vorbereitung erstellten Onlinekatalog ihrer Gesamtbestände der Öffentlichkeit zur Verfügung stellte. 

Geschichte

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Ein geschichtlicher Rückblick zeigt, dass Musikalien in der Hofbibliothek bereits lange vor der Institutionalisierung der Musiksammlung in großem Stil erworben wurden. Ein erster Zuwachs von außerordentlicher Bedeutung ist 1655 zu verzeichnen, als die Albert Fuggersche Bücherei von Mathias Mauchter für Kaiser Ferdinand III. erworben wurde. Sie enthielt zahlreiche Musikalienwerke, vor allem Zeugnisse der Frühzeit des Notendrucks, sodass sich heute in der Österreichischen Nationalbibliothek die wichtigsten und wahrscheinlich einzigen Reste der berühmten Fuggerschen Musikbibliothek befinden. Über 200 Signaturen aus dem Besitz von Philipp Eduard Fugger (1546-1618) mit dem Buchzeichen P.E.F., sowie kleinere Gruppen von Drucken und Handschriften lassen sich zurück verfolgen bis auf Raimund Fugger den Älteren, über seinen Sohn Georg, seinen Enkel Philipp Eduard bis zu dessen Enkel Albert, von dem sie an den kaiserlichen Hof in Wien gelangten.

 

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Erste Ansätze zu einer gezielten Pflege musikalischer Belange sind im Wirkungsbereich Gottfried van Swietens festzustellen, der von 1777 bis 1803 Präfekt der Hofbibliothek war. Van Swieten hatte in England als Diplomat die Musik Georg Friedrich Händels, besonders dessen große Oratorien, kennengelernt; er selbst komponierte, sammelte Musik und gründete 1785 die "Gesellschaft der associierten Cavaliers“, die mit ihren Oratorienaufführungen zu einem wichtigen Faktor im zeitgenössischen Wiener Musikleben wurde. Es lag nahe, dass van Swieten, dessen Affinität zur Musik auch in seiner Freundschaft mit Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart zum Ausdruck kam, als Leiter der Hofbibliothek Akzente in dieser Richtung setzte.

 

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Eine wesentliche Förderung des Themenbereiches Musik erfolgte in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Moritz Graf von Dietrichstein, ab 1819 "Hofmusikgraf", hatte die Aufgabe, Hofkapelle, Hofkirchenmusik und Hofmusik zu betreuen, den Sängerknaben- und Künstlereinsatz zu leiten und das Hofmusikarchiv zu überwachen. Als Dietrichstein 1826 von Kaiser Franz I. seiner bisherigen Ämter enthoben und zum Präfekten der Hofbibliothek ernannt wurde, leitete er unverzüglich die Überstellung der archivalischen Bestände des Hofmusikarchivs in die Bibliothek ein. Umfang und Wert dieser Sammlung waren sehr bedeutend, da die komponierenden und musikliebenden Habsburgerkaiser Ferdinand III., Leopold I., Joseph I. und Karl VI. von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts für eine intensive Musikpflege gesorgt hatten.

 

Wichtige Bestände

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Zu den hervorragendsten Bestandsgruppen zählen die in weißes Pergament gebundenen, handschriftlichen Partituren der Schlafkammerbibliothek Leopolds I. ("bibliotheca cubicularis“) sowie die einheitlich in braunes Leder gebundenen Partituren der Regierungszeit Karls VI.; sie vermitteln ein breites Spektrum der am Wiener Hof gepflegten Musik, in der vor allem die italienische Oper und das Oratorium Spitzenplätze einnehmen. Das beginnende 19. Jahrhundert stand im Zeichen des Historismus, der sowohl der Musik vergangener Epochen als auch den Originalhandschriften der Komponisten als Zeugnisse überzeitlicher künstlerischer Geltung eine neue Bedeutung zumaß. Als ein Pionier des musikalischen Historismus muss Raphael Georg Kiesewetter genannt werden, der seit 1816 historische Hauskonzerte veranstaltete und seine Musiksammlung (mit Schwerpunkt auf der niederländischen Polyphonie des 16.Jahrhunderts) systematisch aufbaute und der Hofbibliothek überließ.

In den folgenden drei Jahrzehnten setzten die Präfekten der Hofbibliothek den Akzent ausdrücklich auf die Erwerbung von Druckschriften und brachten für musikalische Denkmalpflege nur geringes Interesse auf. Die Stärke der Musiksammlung für diesen Zeitraum liegt vor allem in einer umfassenden Quellensammlung für die Musikpraxis des späten 18. und des gesamten 19.Jahrhunderts. Tausende Handschriften, sowohl Autografen als auch Abschriften, dokumentieren das Werk der sogenannten "Kleinmeister“, deren Schaffen heute vielfach vergessen ist, die jedoch insgesamt den kompositorischen "Humus“ bildeten, aus dem sich in Sternstunden der Musikgeschichte das überragende Oeuvre der Großen entwickelte.

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Die Erwerbung des nahezu vollständigen Gesamtwerks Anton Bruckners stellte für die Musiksammlung einen Glücksfall besonderer Art dar. Nicht nur sämtliche Hauptwerke Bruckners, auch vielfältiges biografisches Material (Kalendernotizen, Briefe, Dokumente) bilden in ihrer Gesamtheit ein einzigartiges "Bruckner-Archiv“.

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Einen Glücksfall stellte auch die Erwerbung des Nachlasses Alban Bergs dar, den Helene Berg, die Witwe des Komponisten, 1974 der Musiksammlung vermachte. An die 3000 Inventarnummern umfassen Musikhandschriften, Skizzen, Notizzettel und Briefe; damit ist hier das Lebenswerk zumindest eines der Hauptvertreter der "Zweiten Wiener Schule“ präsent.

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Die zweite Großerwerbung des 20. Jahrhunderts ist mit dem Namen Anthony van Hoboken verbunden. Hobokens Sammlung von rund 8.000 Erst- und Frühdrucken von Werken der großen Meister von Bach bis Brahms, die in ihrer Geschlossenheit den weltweit größten, auf privater Basis zusammengetragenen Bestand dieser Art darstellte, konnte 1974 von der Republik Österreich angekauft werden.


last update 03.10.2014