Vorwort

Die großen historischen Bibliotheken, angefangen von der Alexandrinischen Bibliothek, waren bemüht, das gesamte Wissen der Menschheit in sich zu vereinigen. Auch die ehemalige Hofbibliothek war eine universale Bibliothek, die mit Fug und Recht ein "Weltgebäude des Geistes" (Reinhold Schneider) genannt werden konnte.

Die ungeheuer rasche Entwicklung und Spezialisierung der Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften, machte es diesen Bibliotheken bereits im 19. und erst recht im 20. Jahrhundert immer schwerer, diesen Anspruch aufrechtzuerhalten. Im Falle der ehemaligen Wiener Hofbibliothek kam hinzu, dass sie sich nach dem Ersten Weltkrieg mit der Rolle einer Nationalbibliothek eines Kleinstaates abfinden musste. Die Konsequenz dieser Entwicklungen war, dass die Nationalbibliothek ihre Sammlungspolitik auf  den Bereich der Geisteswissenschaften einschränkte und mit anderen wissenschaftlichen Bibliotheken, insbesondere mit der Bibliothek der Universität Wien, abstimmte.

Geleitet von den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, hat die Österreichische Nationalbibliothek diese Sammlungspolitik auch nach 1945 fortgesetzt. Sie kann sich dabei auf § 28 Abs. 7 des Forschungsorganisationsgesetzes aus dem Jahre 1981 berufen. Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass die Österreichische Nationalbibliothek aufgrund ihres Altbestandes und des Pflichtexemplarrechts (zwei Drittel der Pflichtexemplare sind naturwissenschaftliche Literatur) nach wie vor auch eine international bedeutende naturwissenschaftliche Bibliothek darstellt.

Mit über 8 Millionen Sammlungsobjekten ist die Österreichische Nationalbibliothek die größte Bibliothek Österreichs. Es ist aber nicht nur die moderne wissenschaftliche Literatur, sondern es sind vor allem auch ihre acht Sondersammlungen, die ihren internationalen Rang begründen:

  • Sammlung von Handschriften und alten Drucken
  • Kartensammlung und Globenmuseum
  • Musiksammlung
  • Bildarchiv und Grafiksammlung
  • Papyrussammlung und Papyrusmuseum
  • Literaturarchiv
  • Sammlung für Plansprachen und Esperantomuseum
  • Archiv des Österreichischen Volksliedwerks

Eine kontinuierliche Erweiterung und Pflege der historischen Bestände der genannten Sammlungen, die zum überwiegenden Teil Weltbedeutung haben, gehört zu den wesentlichen Anliegen der Sammelpolitik der Österreichischen Nationalbibliothek.

Eine konsequente und langfristig angelegte Erwerbungspolitik, die sich einerseits ihrer historisch gewachsenen Schwerpunkte bewusst ist und andererseits aber auch den veränderten Anforderungen eines stetig wachsenden Informationsangebotes gerecht werden will, ist gerade heute eine unverzichtbare Forderung an jede wissenschaftliche Bibliothek.


last update 03.10.2014