Ubi ergo habes aures?

Ubi ergo habes aures? - Quid loqueris inepte?

Exercitia Et Colloquia Latino Germanica. Lateinisch-teutsche Uibungen und Gespräche. Ein Versuch die Anfänger in der lateinischen Umgangssprache durch einen natürlichen Stuffengang zu üben. Von Leopold Chimani, Direktor der k. auch k. k. Haupt- und Industrieschule in Korneuburg. Erster Theil. - Wien : Im Verlage bey Aloys Doll, Buchhändler im teutschen Hause, 1806.

Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 309.259-B.1.Alt-Mag

Detailinformation

Auch im frühen 19. Jahrhundert wurde von Akademikern erwartet, daß sie auf Latein nicht nur einen Aufsatz verfassen oder einen vorbereiteten Vortrag halten, sondern sich auch frei artikulieren konnten. Doch obwohl die aktive Sprachbeherrschung Ziel des Unterrichts im Gymnasium war, reichte hier die Wirklichkeit wie so oft nicht an das Ideal heran.

Zwar lagen zahlreiche Ausgaben lateinischer Mustergespräche vor, von denen einige schon seit Jahrhunderten in Gebrauch waren, und einige dieser „Klassiker“, vor allem Erasmus von Rotterdams Colloquia familaria, waren auch keineswegs trocken zu nennen. Dem Pädagogen Leopold Chimani schienen diese Texte aber zur Arbeit mit Kindern schon von ihrer Thematik her ungeeignet zu sein. Obwohl die Sprache seiner Gesprächsvorlagen auch für seine Zeit etwas sperrig wirkt, sind die Inhalte der Übungen weitgehend dem familiären und schulischen Alltag entnommen (wenn man von einigen Ausnahmen wie „ich würde von den Wölfen nicht in die Flucht gejagt worden seyn einmal absieht). Seine Empfehlung an die Lehrer, die mit seinem Buch arbeiten, ist nicht das sture Auswendiglernen der Beispiele durch die Schüler, vielmehr das Variieren der Aufgaben und das Durchspielen von ähnlichen Gesprächssituationen. Die vorwurfsvollen Fragen „ubi ergo habes aures?“ oder „quid loqueris inepte?“ sollten sich die Schüler nach diesem Sprachtraining nicht mehr gefallen lassen müssen. So beschließt Chimani das Vorwort zu seinen Exercitia et Colloquia auch mit folgendem Wunsch: „Mich würde es freuen, wenn ich durch diese Schrift den Studierenden den Weg zur Umgangssprache gebahnet hätte, der mir und hunderten meiner Mitschüler so sauer geworden ist, und oft so holpericht und mit Dörnern bewachsen war […]“

Leopold Chimani (1774-1844), der als einer der ersten bedeutenden Jugendschriftsteller Österreichs gilt, veröffentlichte weit über 100 Kinder- und Jugendbücher, Sachbücher ebenso wie (moralische) Erzählungen.
Einige seiner Werke finden Sie auch in unserem Webarchiv Schöne alte Kinderbücher“ 

Bildbeispiel links: Der Mausklick auf den Bildausschnitte führt zur Gesamtansicht einer Doppelseite der Colloquia.

 


last update 03.09.2014