Dieses Notizbuch aus der Zeit zwischen Jänner und Februar 1976 enthält etliche Einträge, die von Peter Handke in sein Journal Das Gewicht der Welt aufgenommen wurden. Die Notate wurden von ihm dafür mehr oder weniger stark überarbeitet und entweder von der Er-Form in eine subjektive Ich-Form umgewandelt oder in eine allgemeine Form gebracht. Zum Beispiel die Notiz: »Sie sehnt sich nach einem anderen; aber er hat diese Sehnsucht bewirkt, erweckt, bedingt« (S. 3) wurde zu: »Eine Frau, die sich in Gegenwart eines Mannes nach einem anderen sehnt; aber der anwesende hat diese Sehnsucht bewirkt, erweckt, bedingt« (DGW 23). Ein anderes Beispiel gibt eine Notiz, die im Kontext der Erzählung Die linkshändige Frau entstand und bereits den Figuren Bruno und Marianne zugeordnet war: »B. redet von seinen Rechten. Sie: "Laß doch den Staat aus dem Spiel."« (S. 7) wurde zu: »Der Mann redet von seinen Rechten. Die Frau: "Laß doch den Staat aus dem Spiel"« (DGW 23).
Im Vorwort zum Gewicht der Welt beschreibt Handke, wie ihm mit dem Notieren von Wahrnehmungen für einzelne Schreibprojekte das »tägliche Vergessen« auffiel: »Es erschien mir sehr bald als ein Versäumnis, und so fing ich an, auch die nicht-projekt-dienlichen Bewußtseins-Ereignisse sofort festzuhalten. So wurde allmählich der Plan zerstört, und es gab nur noch spontane Aufzeichnungen zweckfreier Wahrnehmungen.« (DGW 7). Diesen Übergang vom thematischen, das heißt in das jeweilige Werksystem übersetzten Notieren zum zwecklosen Mitschreiben kann man in dem vorliegenden Notizbuch sehr gut erkennen. Handke notierte auf seinen Wegen durch Paris Beobachtungen und bezog diese zuerst noch in sein aktuelles Schreibprojekt Die linkshändige Frau ein. Diese meist sehr emphatischen Wahrnehmungen sind in einem auffällig anderen, lyrischeren Ton geschrieben und in der ausgedrückten Erfahrung der Wirklichkeit direkter. Handke löste sie später wieder aus der Erzählung heraus und arbeitete sie zu Gedichten um. Diese sofort festgehaltenen und so vorm Vergessen bewahrten Eindrücke, die formal bereits den späteren Journalnotizen Handkes ähneln, werden im hinteren Teil des Notizbuchs häufiger, ebenfalls die ins Journal übernommenen Einträge. Dieser Teil des Notizbuchs wurde von Handke am hinteren Vorsatzblatt dementsprechend mit dem Zusatz »(und anderer Unsinn)« (S. I*) bezeichnet. (kp)
Die linkshändige Frau
Paris [Adresse, S. II]
Place Vendôme (S. 45, 46); Österreich; Deutschland; Paris; Pointe de la Muette am Rand des Bois de Boulogne (S. 61); Heimatort in Südkärnten (S. 62); Epsom Tavern Auteuil; Bd Edgar Quinet; Métro Raspail (S. 78); Censier-Daubenton; Bd. St. Germain (S. 79)
1 Notizbuch, 88 Seiten, I-III, pag. 1-88, I*-III*
Zeichnungen und Skizzen von Peter und Amina Handke
Das Notizbuch wird in einem Briefumschlag aufbewahrt mit einer Beschriftung von Hans Widrich: »erh. 3.2.80 zum Geburtstag«. Das Buch ist von beiden Seiten beschrieben, mit jeweils einem Titel auf dem Vorsatzblatt; die Seiten I-75 enthalten die Datierung »22.2.1976«; die Seiten 76-III* enthalten die Datierung »17.1.76«.