Die vermutlich erste Textfassung von Rund um das Große Tribunal ist ein zweizeilig geschriebenes Typoskript. Es besteht aus 55 Blättern, die von 1-51 paginiert sind. Dazu kommen vier unpaginierte Vorsatzblätter: Zuerst ist ein Titelblatt mit einer aufgeklebten Postkarte des Carlton Beach Hotels in Scheveningen (bei Den Haag). Der Titel ist mit Bleistift über das Bild geschrieben; er stand zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht ganz fest und lautete ursprünglich: »Rund um das hohe Tribunal«; Handke machte daraus noch am Blatt das »große Tribunal«, wobei er ›groß‹ noch als Adjektiv klein schrieb. Der Untertitel ist mit Bleistift unter die Postkarte geschrieben: »dem Andenken an BORIS ILJENKO [Direktor des jugoslawischen Kulturinstituts in Paris], mit dem ich im Oktober 1995 zum ersten Mal zum Kloster Manastir, МAHACTИР, STUDENICA kam« (Bl. I; siehe Abb. 1) – Das mittelalterliche orthodoxe Kloster Studenica gilt als »Wiege des serbischen Königreichs«; es liegt auf halben Weg von Belgrad nach Priština im heutigen Kosovo, in einem von Wald umgebenen Gebirgstal bei Ušće. – Nach dem Titelblatt kommt eine wahrscheinlich später beigefügte Seite mit zwei Mottos, auf deren Rückseite Textergänzungen als Anweisungen vermerkt sind – entweder für die Redaktion des Magazins der Süddeutschen Zeitung oder für den Suhrkamp Verlag (Bl. II; siehe Abb. 2). Als weiterer Vorsatz folgen drittens ein Blatt mit der eingeklebten Kopie von Handkes Zeichnung der Richter mit Kopfhörern (Bl. III; vgl. Original der Zeichnung: ÖLA 326/W28/4, S. 3) und schließlich viertens ein Blatt mit zwei Mottos aus Texten der beiden serbischen Autoren Miodrag Pavlović (geb. 1928) und Mehmed [im Buch steht dann richtig Meša; RT 7] Selimović (1910–1982) (Bl. IV). Im Typoskript findet man auch die anderen von Handke beim Prozess auf seinen Notizblättern angefertigten Zeichnungen – den Wasserkrug (Bl. 29; siehe Abb. 4) und den, wie Handke neben der Zeichnung notierte: »Sprecher der Human Rights Watcher – auf den Stufen vor dem Tribunal bei seinem 1000. Interview« (Bl. 30; vgl. Original der Zeichnung: ÖLA 326/W28/4; S. 4; Abdruck im Buch: RT, 42) Das Textende illustriert eine eingeklebte Postkarte mit der Aufschrift »GRDELICA, APRIL 1999. A TRAIN KILLED ON THE BRIDGE« (Bl. 51; siehe Abb. 7). Dargestellt ist der am 12. April 1999 bei den NATO-Bombardements einer Eisenbahnbrücke über die Morawa bei der serbischen Stadt Grdelica (300 km südlich von Belgrad) getroffene Personenzug. Dabei gab es zehn Zivilopfer und mehrere Verletzte. – Das Typoskript ist dem damals kommissarischen Chefredakteur des Süddeutsche Zeitung Magazins gewidmet: »für Jan HEIDTMANN v. P. HANDKE« (Bl. 49; siehe Abb. 6), wobei sich die Widmungsnotiz nicht am Titelblatt, sondern fast am Typoskriptende befindet. Links neben dem laufenden Text notierte Handke mit Bleistift das Datum des Schreibtags: Demnach begann er mit der Arbeit am »11. Juni 2002« (Bl. 1; siehe Abb. 3) und schrieb täglich bis »21. Juni 2002« (Bl. 33), machte dann eine neuntägige Pause und setzte die tägliche Arbeit am »2. Juli 2002« (Bl. 38) wieder fort bis »4. Juli 2002« (Bl. 47). Das seitlich neben dem Text notierte Datum ist typisch für erste Textfassungen Handkes. Ungewöhnlich ist dagegen, dass er den Text mit Schreibmaschine verfasste (zu dieser Zeit schrieb er seine Arbeiten fast ausschließlich mit Bleistift) und noch dazu zweizeilig tippte (erste Fassungen sind bei ihm üblicherweise einzeilig und erst die »Reinschriften« sind zweizeilig). Ein möglicher Grund für diese Ausnahme könnte in der Erstveröffentlichung des Essays in der Zeitung liegen: Etwa, um die Lesbarkeit des Textes zu gewährleisten oder auch um die offizielle Bedeutung zu unterstreichen. (kp)
Ein Gesamtfaksimile ist bei Handkeonline abrufbar.
Rund um das große hohe große Tribunal dem Andenken an BORIS ILJENKO, mit dem ich im Oktober 1995 zum ersten Mal zum Kloster Manastir, МAHACTИР, STUDENICA kam (Bl. I)
1 Typoskript, 2-zeilig, 55 Blatt, fol. I-IV, pag. 1-51, mit eh. Korrekturen und Einschüben und eingeklebten Illustrationen