Salzburg, Mönchsberg 17a (1979-1987/9)

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Um seiner zehnjährigen Tochter den Besuch eines österreichischen Gymnasiums zu ermöglichen, übersiedelte Peter Handke Ende August 1979 nach Salzburg. Er wohnte dort im Anbau eines burgähnlichen, auf einen Felsen gebauten Hauses des befreundeten Ehepaars Hans und Gerheid Widrich auf der Richterhöhe, Mönchsberg 17a. Nach den acht Schuljahren ging seine Tochter zum Studium nach Wien und Handke machte sich auf zu einer mehrjährigen Weltreise. In den Salzburger Jahren entstanden einige der bekanntesten Werke Handkes, der Großteil seiner Übersetzungen aus dem Amerikanischen, Slowenischen, Griechischen und Französischen sowie zwei Filmarbeiten – er schrieb Teile für das Drehbuch zu Wim Wenders' Film Der Himmel über Berlin (1987) und verfilmte 1987 Marguerite Duras' Erzählung La Maladie de la Mort unter dem Titel Das Mal des Todes, das er auch selbst übersetzt hatte.

Die Fotos und Polaroids von Peter Handke (manche sind auf der Rückseite datiert und mit Notizen versehen) zeigen das Haus, den zur Wohnung gehörenden Garten mit dem kleinen Brunnen und der Thuje, wo Handke im Sommer auch einen Gartentisch stehen hatte, sowie die Wohnräume oder den Blick aus dem Haus. Handke konnte von seiner Terrasse und im Winter, wenn die Bäume kein Laub trugen, auch von seinem Schreibtisch am »Felsfenster« die gesamte Salzburger Ebene, das Leopoldskroner Moos mit dem Flughafen, bis zum Morzger Wald, Untersberg und Staufen, überblicken – es sind die Schauplätze seiner Salzburg-Erzählungen. Das Haus am Mönchsberg selbst wurde ebenfalls zum Schauplatz von Erzählungen: als Kartenspielerhaus im Chinese des Schmerzes (1983) und als Haus des Schriftstellers in Nachmittag eines Schriftstellers (1986).

Die erzählerische Rückkehr nach Österreich (seine Werke vor dem Umzug spielten vor allem in Frankreich oder Amerika) hatte Handke bereits mit seinem kurz vor dem Umzug nach Salzburg fertiggestellten Roman Langsame Heimkehr (1979) vorbereitet. In der Lehre der Sainte-Victoire (1980), dem ersten in Salzburg entstandenen Buch, kommt der Erzähler auf Umwegen über Cézannes Berg Sainte-Victoire in der Provence zurück nach Österreich; Der große Wald, so lautet der Titel des letzten Kapitels, ist ein erzähltes »Bild«, eine Hommage an den Morzger Wald in Salzburg. Die folgenden in Salzburg entstandenen Werke – Kindergeschichte (1981), das 1982 bei den Salzburger Festspielen in der Inszenierung von Wim Wenders uraufgeführte Theaterstück Über die Dörfer sowie Die Wiederholung (1986) – setzen die Heimkehr »ins tiefe Österreich« fort bis zu Handkes Geburtsort in Kärnten und nach Slowenien. Zwei Jahre nach der Lehre der Sainte-Victoire nahm Handke in Der Chinese des Schmerzes (1983) die begonnene Salzburg-Erzählung wieder auf. Er schrieb sie später im Nachmittag eines Schriftstellers (1987), zum Teil auch in dem Märchen Die Abwesenheit (1987), in dem kurzen Text über den Untersberg Zwei Tage angesichts des Wolkenküchenbergs (1989) aus dem Sammelband Noch einmal für Thukydides und in dem im Salzburger Vorort Taxham angesiedelten Roman In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus (1997) weiter fort. Zusammen bilden diese Texte eine Art poetische Topographie der Stadt Salzburg und ihrer Umgebung. Die Stadt und ihre Randgegenden erschloss sich Handke durch tägliches Gehen – vor allem an den Nachmittagen (er schrieb, wenn seine Tochter in der Schule war). Poetische Reflexionen und Beschreibungen oder auch geologische Studien dieser Landschaft findet man in seinen Notizbüchern – Teile daraus wurden in seinem 1998 erschienenen Journal der Salzburger Jahre Am Felsfenster morgens (und andere Ortszeiten 1982-1987) abgedruckt. (kp)