Die Abwesenheit; Die Kunst des Fragens; Der Bildverlust

Notizbuch, 184 Seiten, 28.08.1986 bis 24.11.1986

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Beschreibung

Das Notizbuch enthält die erste Titelnennung "Bildverlust"; verwendete Kürzel mit Verweis auf andere Werkprojekte sind "DW", "W’s Film", "NeS", "DA".

Eingetragenes Motto (Vorsatz, Bl. I): "Die Symbole und Mythen kommen aus zu weiter Ferne, als daß sie sterben könnten ..."

Werkbezüge

Das Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land

Figuren

„Die Kunst des Fragens“: Laß mit ihrer Art zu fragen, all deine Bekannten auftreten, einander in Frage stellen, widersprechen, ergänzen, von. H. B. bis zu Herrn und Frau G. („Welttheater“) [5. September 1986]

Figur: Jemand, der sofort vieles sieht, aber nichts anschauen kann; nicht in der Anschauung leben kann“ [5. September 1986]

KdF: Der Erzähler, anfangs {Steno} [immer] nur 1 Satz, am Schluß hat er das Wort zu einer weitausholenden Erzählung [6. September 1986]

Auf einer Seite zu „Parzival“: „Narr“, „Tölpel“, „Einfaltspinsel“ (gut, daß ich das Epos nicht so recht kannte, als ich „Kaspar“ schrieb...) [8. November 1986]

Immer wieder reitet Parzival auch aus der schönsten und besten Gesellschaft, „ganz allein“ weg, ohne Grund, übergangslos (da „identifiziere“ ich mich) [9. November 1986]

Der Erzähler als Dramenfigur, nicht als dramatische Figur [6. September 1986]

Wie kannst Du mich lieben, wenn du mich nie fühlen lassen kannst, wer ich bin? [29. Oktober 1986]

DKdF: Ich bin eher ein Frager als ein Erzähler; oder: ein fragender Erzähler [8. Oktober 1986]

Ja, in mir wirkt immer noch das Kind von einst, aber dieses Kind kann nur schauen und nicht reden [8. Oktober 1986]

DKdF: Hell – in – Hell; trotzdem kein „Lustspiel“; aber ebenso leicht und rein [8. Oktober 1986]

In den Monologen und Dialogen der Prosa von DA schon den Übergang zu dem Stück DKdF schaffen [15. Oktober 1986]

 

Heimatlos

Die unheilbare Krankheit Heimatlosigkeit (Grenze) [8. September 1986] [Identifikation: Odysseus; er der Heimatlose sucht sich seine Heimat in der Fremde, in der Erzählung]

Epos der Heimatlosen und der Heimatverbundenen im Vergleich – siehe 19. Sept. 1986

Gelingt das Werk, gibt sich die Welt zur Geliebten [...] zeigt sich die herrlichste aller Geliebten, die Welt [24. Oktober 1986]

[DA, DKdF und BV = in einer Reihe genannt] [1. November 1986]

 

Wiederholung

Angesichts der Kunst die Gegenwart atmen, gerade wenn diese Kunst jahrtausendalt ist“ [5. September 1986]

(In der Laube von Aquileia, in der Nacht, fern Kinderstimmen, ein Frosch? Die Kunst des Fragens; schwerer heißer leichter Kopf vom Werkdenken) [5. September 1986; nach seiner Erinnerung an Aquileia 1964]

Zeit, komm zurück (das Gebet) [5. September 1986]

Die große Kunst: Man spürt das Zittern und hat die Form, man hat die Form und spürt das Zittern [30. September 1986]

„... aber der erste Akt der Kunst ist eben die vollständige Negation der realen Welt“ (H.) [1. Oktober 1986]

„Die abgewerteten Bilder bezeichnen nämlich den Ausgangspunkt, von dem aus die geistige Widergeburt des modernen Menschen beginnen könnte“ (Eliade) [1. November 1986]

In den Epiphanismen – sie sind keine Lüge – wiederholt sich der Mythos [1. November 1986]

Der künstlerische Grund und die künstlerische Energie, das ist am reinsten die Durchlässigkeit (das als das andere Wort, {weiten} für Erbarmen) [17. November 1986] [– die richtige Frage]

Die Symbole und Mythen nach Eliade, „offenbaren stets eine Grenzsituation des Menschen und nicht bloß eine geschichtliche Situation; Grenzsituation bedeutet jene Situation, die der Mensch entdeckt, wenn er einen eigenen Standort im Weltall erkennt“ (ich so die Schwell, LH, Januar 1979) [2. November 1986]

 

Religion

Wenn die Pyramide des Staufen in der Ferne sich verhüllt, ist es, als entziehe sich dem Blick und dem Herzen etwas Wesentliches (wie ein sich verbergender Gott) so könnte ich den Geist benennen, jenes, auf das ich im Schreiben aus bin: DAS DRITTE („das Vorwaltende des oberen Leitenden“)

„Ich will nie mehr glücklich sein, ehe ich den Gral gesehen“ [12. November 1986]

Es ist schon so: mir ist, als sei allein die Offenbarungsgeschichte auch meine perösnliche, die geltende; wie selten fallen mir Historie und Offenbarung zusammen [12. November 1986] [vgl. zu Eliade]

„Die Kirchenväter, denen es ... drauf ankam, Anschluß an eine Geschichte zu finden, die gleichzeitig eine Offenbarung war ...“ (Eliade) [13. November 1986]

Ich habe immer ein Einschreiten, einen Eingriff, eine Offenbarung erwartet, insofern komme ich aus der jüdischen Geschichte? Und insofern war ich immer religiös? (ein Blitz, eine Plötzlichkeit, eine Erleuchtung...) [13. November 1986]

Fortschreiten kann ich nur, indem ich zurückgehe; aus mir heraus kann ich nur, indem ich in mich hineingehe; möglichst weit zurückgehen; möglichst tief hineingehen [15. November 1986]

DA: Ist die Fahrt für einen von ihnen auch ein Unterweltsgang, „für das Heil eines andern“? [15. November 1986]

Die Form der Erzählung in sich zu spüren, hat etwas vom Durchbruch eines Flusses durch die Enge in die Stromebene (gestern ging’s mir so bei der Musikbox in Maxglan, Gasthaus Junior) [16. November 1986]

„Für einen mit dem Christentum sympathisierenden Hindu besteht die erregenste Neuerung in der Aufwertung der Zeit und letzlich im Heil der Zeit und der Geschichte“ (Eliade) (s. LH) [16. November 1986]

„... nach meiner Erfahrung gibt es keine Ergänzung der menschlichen Beschränkung als das Gefühl dieser Beschränkung selbst und das aus eben diesem Gefühl entspringende unendliche Fortstreben“ (H. zur Religion) [30. September 1986]

heilige Wiederkehr [27. Oktober 1986] [nennt er die Wiederkehr von Erlebnissen im Traum]

[In den Erleuchtungszuständen: er geht und ist dabei schon an der Schwelle zur Erzählung [19. Oktober 1986]

Die Erlösung heißt für mich: im Bild sein [21. Oktober 1986]

„Es ist wunderlich mit der Tradition, sie ist ein Geheimnis, beinah ein Sakrament“ [Hesse] [19. Oktober 1986]

»„die Frage nach dem Heil, dem zentralen Problem“ (E.; LH); es genüge, wie Parzival, diese Frage zu stellen, „damit das kosmische Leben sich immer aufs neue regeneriert“ (DA ® dKdF)« [3. November 1986]

DA: Gral und Frau, das sind die zwei Ziele des Soldaten [19. November 1986]

„(Gott) macht den Sprung, den niemand sieht / kein Hufschlag und kein Glöckchenklingen, wenn er vom Herzen wieder abschnellt“ [19. November 1986]

Eliade: „die Dialektik der Hierophanie, der Manifestation des Heiligen im Profanen ... ist das Kardinalproblem der Religion“ [20. November 1986]

Ich muß mich endlich für die Suche und Erforschung des Heiligen entscheiden (und sei es auch im Tagtäglichen, an Ort und Stelle) [20. November 1986]

„einer der Hauptunterschiede zwischen dem archaischen und dem modernen Menschen besteht ja gerade in der Unfähigkeit des letzteren, das organische Leben (besonders das der Erotik und der Erzählung) wie ein Sakrament zu leben“ [20. November 1986]

„(Die Handlung) wird real nur, weil sie den Archetypus wiederholt“ [20. November 1986]

Am Felsfenster morgens

Dem Eintragungszeitraum des Notizbuchs entsprechen die Seiten 392-421 in AF.

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorsatzblatt): 

"W's Film" (1986); "Die Abwesenheit" (Drehbuch) (1986?); "Die Kunst des Fragens" (Drama Stück) 1988?; "Der Bildverlust" (Ro) (199...?)

Zusätzlich eingetragene Werktitel:  NeS
Entstehungsdatum (laut Vorlage):  28. August 1986 – 24. November 1986
Datum normiert:  28.08.1986 bis 24.11.1986
Entstehungsorte (laut Vorsatzblatt): 

Kärnten, Karst; Triest, Aquileia, Gemona; London; München

Zusätzlich eingetragene Entstehungsorte: 

Jesenice [nicht weiter ermittelt]

Materialart und Besitz

Besitz 1:  Deutsches Literaturarchiv Marbach
Art, Umfang, Anzahl: 

1 graubraunes Notizbuch, I-III, 184 Seiten unpag., I*-III*; von Handke auf den Buchdeckel und am Buchrücken aufgeklebte Papierstreifen mit Datierungsangabe »Aug - Nov 86«

Format:  8,8 x 13,7 cm
Schreibstoff:  Fineliner (blau, rot), Bleistift, Kugelschreiber (schwarz)
Weitere Beilagen: 

Getrocknete Pflanzen und Feder (im DLA Marbach aus konservatorischen Gründen separat abgelegt) befanden sich in den Doppelseiten mit den Einträgen zum 30.10.1986, 4.11.1986 (Beginn des Eintrags), 9.11.1986 (Beginn des Eintrags) und im hinteren Vorsatzblatt.

Nachweisbare Lektüren

Parzival