[1/ S. 174:] Der Kriegsroman »Letzte Ausfahrt« (1953) war der einzige größere Erfolg in der schriftstellerischen Karriere von Herbert Zand
(1923-1970). Heute ist der österreichische Nachkriegsautor weitgehend in Vergessenheit geraten. Zands Nachlaß wurde bereits
1989 von der ÖNB erworben, im selben Jahr vorgeordnet und in rund 700 Mappen abgelegt. In ihm sind überwiegend Typoskripte
enthalten, wobei den Großteil Zands Prosaarbeiten (Romane, Erzählungen und Essays) ausmachen; die lyrischen Texte stammen
hauptsächlich aus den frühen Jah- [1/ S. 175:] ren. Zand hat außerdem an einigen Drehbüchern und Hörspielen gearbeitet, die meist nur fragmentarisch erhalten sind.
Der Nachlaßverwalter von Zand war Wolfgang Kraus, der Anfang der 70er Jahre im Europa-Verlag eine Werkausgabe des Autors herausbrachte.
In ihr wurden nicht wenige bis dahin unveröffentlichte Texte vorgestellt. Kraus publizierte im folgenden auch interessante
Teile aus der Korrespondenz Zands in diversen literarischen Zeitschriften. Die Briefe Hermann Brochs an den jungen Zand wurden
außerdem in der von Paul Michael Lützeler erstellten Gesamtausgabe der Werke Brochs aufgenommen.
Zands Leben und Werk sind bislang kaum literaturwissenschaftlich erforscht worden. 1986 wurde in Wien von Dominik Troger eine
monographische Diplomarbeit verfaßt, als der Nachlaß des Autors noch nicht zugänglich war. Die Bestände des ÖLA erlauben nun
genaue Einblicke in die Entstehungsprozesse seiner drei zu Lebzeiten veröffentlichten Romane; so sind zum Beispiel von der
»Letzten Ausfahrt« zwei Vorstufen vollständig erhalten. Zur »Sonnenstadt« (1947) und zu »Erben des Feuers« (1961) sind Strukturbilder
bzw. Wegskizzen vorhanden, was auch für den Roman »Jesters« gilt, den Zand 1964 größtenteils verbrannte.
Die mehrmaligen Schreibkrisen, die sich im zunehmenden Alter vertieften, lassen sich an der unregelmäßigen Arbeitsweise des
Autors gut beobachten. Tagebuchaufzeichnungen und Notizen bestätigen die Annahme, daß Zand immer wieder Werke teilweise oder
völlig vernichtet haben muß. Manchmal finden sich Reste (ebenfalls in Form von Typoskripten) auch auf der Rückseite von Typoskripten
anderer Texte.
Aus der Korrespondenz, vor allem mit seinem Jugendfreund Dolf Lindner, aber auch mit seinen Mentoren Hans Vlasics, Felix Braun
und Frank Thiess, läßt sich die Genese des literarischen Weltbildes von Herbert Zand besser nachvollziehen. Zand wuchs als
Sohn kleiner Bauern im Salzkammergut auf und konnte keine höhere Schule besuchen, daher war für ihn etwa der Zugang zur Bibliothek
von Thiess in dessen Villa in Bad Aussee von entscheidender Bedeutung. Von seinen konservativen Lehrern konnte sich Zand nie
völlig lösen.
Seltenheitswert besitzt die äußerst umfangreiche Sammlung von Rezensionen und Radiomanuskripten zu den Werken Zands. Da der
Autor als Lektor im Wiener Donau-Verlag arbeitete, in dem seine wichtigsten Werke in den 50er .Jahren veröffentlicht wurden,
ist das literaturkritische Echo aus eben jener Zeit besonders gut belegt. Die Besprechungen geben Einblick in die damalige
österreichische Zeitungslandschaft, aber auch in das weltanschaulich deutlicher als heute positionierte und meist moralisierende
Selbstverständnis der Kritiker. In [1/ S. 176:] der Sammlung sind ebenfalls die Besprechungen der postum erschienenen Werkausgabe enthalten.
Der Nachlaß wurde nun in eine für Benützer nachvollziehbare, den vom ÖLA adaptierten Standards entsprechende Ordnung gebracht.
Eine exakte Datierung der Unterlagen war nur sehr beschränkt möglich. Die Signaturen wurden gemäß dem neuen Signaturenmodell
des ÖLA vergeben, ein detailliertes Verzeichnis ist in Arbeit. Nach wie vor gesperrt sind der Briefwechsel Herbert Zands mit
seiner Frau Mimi und mit Elias Canetti.
Lydia RössIer
|