Entstehungskontext

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Der Sammelband Als das Wünschen noch geholfen hat entstand zwischen Jänner und Juli 1974 und umfasst neun Texte verschiedener Gattungen (Essays, Gedichte, Rede, Portrait, Fotoerzählung), die im Zeitraum zwischen Dezember 1972 und März 1974 in Kronberg und Paris geschrieben und – bis auf das Gedicht Die Sinnlosigkeit und das Glück sowie die Fotoerzählung Die Reise nach La Défense – kurz nach ihrer Entstehung jeweils in verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen erstmals veröffentlicht wurden. 

Enstehung der Einzeltexte

Das erste Gedicht im Sammelband, Leben ohne Poesie, schrieb Handke im Oktober und November 1972 in Kronberg (Pichler 2002, S. 104). Es wurde am 31. Dezember 1972 in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht.

Ein Manuskript der Erstfassung von Was soll ich dazu sagen? befindet sich im Bestand der Sammlung Peter Handke/Leihgabe Widrich (ÖLA SPH/LW/W188), es ist datiert mit »5.2.1973«. Dieser ebenfalls in Kronberg entstandene Text, in dem sich Handke mit Reaktionen zum Vietnamkrieg auseinandersetzte, zitiert unter anderem den Artikel Amerikas Wirtschaft braucht keinen Krieg aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. Jänner 1973. Das Zitat notierte Handke in einem Notizbuch, das er ab Anfang 1973 für Vorarbeiten zu Die Unvernünftigen sterben aus (ÖLA SPH/LW/W44/1) verwendete. Erstmals veröffentlicht wurde dieser Text in der Ausgabe 1/1973 der von Günther Nenning herausgegebenen Zeitschrift Neue Freie Presse.

Auch Die offenen Geheimnisse der Technokratie, ein Essay über die Architektur im Märkischen Viertel Berlins bzw. im Stadtteil La Défense in Paris schrieb Handke vermutlich im ersten Halbjahr 1973 in Kronberg. Der Text erschien in zwei Teilen in den Ausgaben 2 und 3/1973 der Neuen Freie Presse. Ergänzend dazu fertigte Handke eine Serie mit Fotografien in La Défense an und montierte sie zusammen mit Bildtexten zum Beitrag Die Reise nach La Défense. Diese Fotoerzählung kündigte Handke am 31. Jänner 1974 in einem Brief an Unseld an: »In der nächsten Woche möchte ich nach La Défense fahren und Fotos machen. Dann schicke ich Dir Texte und Fotos gemeinsam.« (Handke / Unseld 2012, S. 242)

Blaues Gedicht ist das zweite Gedicht in Als das Wünschen noch geholfen hat. In seiner Chronik notierte Siegfried Unseld am 18. September 1973: »Sein "Blaues Gedicht" gefällt mir sehr gut.« Handke hatte es noch in Kronberg, eigenen Angaben zufolge, im Juni 1973 geschrieben (AW 121). Erstmals gedruckt wurde es 1973 in der Nummer 304 der Zeitschrift Merkur (S. 838-846).

Zu seiner Büchnerpreisrede Die Geborgenheit unter der Schädeldecke merkt Handke an, dass er diese »im September und Oktober 1973« geschrieben habe (AW 121). Zu dieser Zeit wohnte er noch in Kronberg am Taunus. Ein vorhandenes Typoskript in der Sammlung Peter Handke/Leihgabe Widrich (ÖLA SPH/LW/W177) ist mit »17.10.73 11h« datiert. Ingeborg Bachmann war am selben Tag gestorben. Die am 21. Oktober gehaltene Rede wurde am 27. Oktober  mit einer Widmung an Bachmann erstmals in der Süddeutschen Zeitung gedruckt.

Der Essay Jemand anderer: Hermann Lenz wurde unter dem Titel Tage wie ausgeblasene Eier. Einladung, Hermann Lenz zu lesen am 22. Dezember 1973 in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, rund ein halbes Jahr, nachdem Handke Hermann Lenz erstmals im Mai 1973 besucht hatte. Ein in der Sammlung Peter Handke/Leihgabe Widrich enthaltener Taschenkalender (ÖLA SPH/LW/L3/2) enthält einige relevante Notizen. Der im Dezember 1973 bereits in Paris verfasste Text trug dazu bei, dass Lenz einem breiteren Publikum bekannt wurde. Wenige Wochen später setzte sich Handke im Februar 1974 bei Unseld dafür ein, Lenz als Autor in das Suhrkamp-Programm aufzunehmen.

Der vorletzte Beitrag im Sammelband, Eine Zwischenbemerkung über die Angst, wurde zwar erst im Jänner 1974 geschrieben, erschien aber noch vor der Buchveröffentlichung im März in der deutschen Ausgabe der Zeitschrift Playboy.

Im Dezember 1973 war Handke nach Paris übersiedelt und wohnte seither am Boulevard Montmorency. Im Jänner 1974 schrieb er sein Gedicht Die Sinnlosigkeit und das Glück, das eigens für die Veröffentlichung in Als das Wünschen noch geholfen hat gedacht war (an Siegfried Unseld schrieb er am 25. Jänner: »[...] ich arbeite seit einigen Tagen an einem Gedicht [...]«, Handke / Unseld 2012, S. 239). Es ist auf Wunsch Handkes als abschließender Text im Sammelband enthalten.

Konzeption und Zusammenstellung des Buches

Das Buch enthält lediglich eine Auswahl aus jenen Texten, die Handke von 1972 bis 1974 veröffentlicht hatte. Nicht in den Sammelband aufgenommen wurden aus dem selben Zeitraum die Texte Freundlicher Mensch mit bösem Blick… (zu Alfred Kolleritsch, erstgedruckt in der Neuen Kronen-Zeitung, 15. Oktober 1972); drei aus dem Jahr 1965 stammende und 1973 erstmals in den protokollen gedruckte Aufsätze unter dem Gesamttitel Für den Mann von Welt; der Text für den Ernstfall, erstmals erschienen in der Süddeutschen Zeitung am 19. Februar 1973, Bonds pauschaler Schmerz (erstmals in: Der Spiegel, 10. Oktober 1973), zwei Beiträge zu Franz Nabl und Peter Pongratz (diese erschienen im Almanach des Residenz Verlags für 1974), sowie Der Rausch durch die Beatles (erstmals in der von Otto Breicha herausgegebenen Kunstzeitschrift Ver Sacrum) und Gewaltiger als alle Handlungen (zu Franz Kafka, erstgedruckt in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. Juni 1974).

Im Jänner und Februar 1974 tauschten sich Siegfried Unseld und Peter Handke intensiv zu Als das Wünschen noch geholfen hatte aus. Am 25. Jänner erläuterte Handke seine Textauswahl folgendermaßen: »Ich möchte sehr gern, daß die drei Gedichte im Herbst als Taschenbuch erscheinen, als Gegensatz drei oder vier Aufsätze dazwischen, die keine rechten Aufsätze sind, sondern mehr offenere politikbezogene Gedichte. Das würde den 3 eigentlichen Gedichten sehr wohl tun und ihnen auch den Kunstcharakter ein bißchen entziehen. Ich stelle mir ein freies und spannendes Buch vor, schmal und selbstverständlich. Ich möchte noch ein paar Fotos für den Architekturaufsatz dazu machen. In vielleicht zwei Wochen habe ich das Gedicht fertig.« Mit dem selben Brief hatte Handke die Zusammenstellung des Bandes mit Ausnahme des letzten, im März 1974 verfassten, Beitrags Eine Zwischenbemerkung über die Angst abgeschlossen: »Es wären: ein Aufsatz über Stellungnahmenposen zur Politik [d.i. Was soll ich dazu sagen?], ein Aufsatz, wie ich Architektur erlebte [d.i. Die offenen Geheimnisse der Technokratie], die Büchner-Rede, leicht modifiziert, und eventuell die Geschichte über Hermann Lenz. [...] Ich möchte noch ein paar Fotos für den Architekturaufsatz dazu machen [daraus wurde Die Reise nach La Défense]« Unseld war mit dem Vorschlag postwendend einverstanden und sagte das Taschenbuch zum gewünschten Erscheinungstermin im Herbst 1974 zu: »Ich meine also, der Plan ist gut, und ich bin gerne bereit, ihn zu realisieren.« (Handke / Unseld 2012, S. 239-240) Nach dieser relativ raschen Konzeption des Sammelbands widmete sich Handke ab Februar der Überarbeitung von Die Unvernünftigen sterben aus sowie seiner nächsten Erzählung Die Stunde der wahren Empfindung, die er schon seit 1973 geplant hatte.

Titelfindung

Kurz nachdem Handke sein Gedicht Die Sinnlosigkeit und das Glück abgeschlossen hatte, schlug er in einem Brief an Unseld vom 31. Jänner 1974 zwei Titelvarianten für den Sammelband vor: »[...] gestern habe ich nach 10-tägiger intensiver Arbeit das Gedicht fertig geschrieben. Es heißt "Die Sinnlosigkeit und das Glück". Da alle Texte in dem geplanten Buch sich mit diesen zwei Zuständen beschäftigen, wäre das ein ganz schöner Gesamttitel. Es wäre auch möglich, einen Titel, der ein Zitat aus dem Froschkönig ist, zu nehmen: "Als das Wünschen noch geholfen hat".« (Handke / Unseld 2012, S. 242) Den persönlich-biographischen Hintergrund des Zitats erläuterte er in einem Brief an Alfred Kolleritsch: »Das kommt vom Märchenvorlesen am Abend« (Handke / Kolleritsch 2008, S. 71). Unseld plädierte in seiner Antwort am 5. Februar für den Titel »Die Sinnlosigkeit und das Glück«. Handke ging im Brief vom 8. Februar auf diesen Vorschlag noch nicht näher ein, sondern gab nur bekannt, dass er »fröhlich und lebhaft« arbeite und »in etwa 10 Tagen etwas allseits Druckfertiges schicken« wollte. (Handke / Unseld 2012, S. 242 und S. 244) Am 13. Februar erkundigte Unseld sich bereits nach den fertigen Texten: »Wann schickst Du Dein Manuskript? Ich warte sehr darauf.« (Handke / Unseld, S. 246) Thomas Beckermann, Handkes zuständiger Lektor im Suhrkamp Verlag, schrieb am selben Tag an Handke und schlug anstelle des Titels Die Sinnlosigkeit und das Glück den Beginn des Blauen Gedichts vor: »Tief in der Nacht wurde es schon wieder hell«. (DLA SUA, A: Suhrkamp Verlag, Verlagskorrespondenz) Im Brief vom 26. Februar, als Handke die fertige Zusammenstellung des Sammelbands an Unseld schickte, entschied er sich schließlich doch gegen dessen bevorzugten Titel und es blieb bei »Als das Wünschen noch geholfen hat« (Handke / Unseld, S. 250).

Satzvorlage und Korrekturen

Handke umriss seine Vorstellungen zur Buchgestaltung am 26. Februar 1974 folgendermaßen: »[...] ich kann mir das Buch nur als Taschenbuch vorstellen. [...] so grosszügig wie "Wunschloses Unglück" gesetzt ist. Für die Titel der Texte bitte jeweils eine eigene Seite. [...] Als Frontispiz und "Rückfrontispiz" habe ich zwei Farbfotos, hier der Stadtrand in Auteuil, am Morgen vorn, am Abend hinten. Die schwarz-weiss-Fotos von "Die Reise nach La Défense" brauchen zum genauen Reproduzieren sicher Arbeit. Ich möchte sie aber genauso wiedergeben, genauso traurig, trüb, grau, mit flockiger Luft. [...] Die Schreibmaschinentypen-Legenden darunter sollen beibehalten werden. Wenn möglich, die Fotos auf Buchseitenformat vergrössern. Den weißen Rand sollte man nicht sehen. Das Gedicht, das ich zuletzt geschrieben habe, steht am Ende.« Das Buch sollte an die früheren Sammelbände anschließen: »Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt, und wie sie sich in fünf, sechs Jahren geändert hat. Ich hoffe, freier, genauer und weniger schematisch.« (Handke / Unseld, S. 250-251)

Am 7. März teilte Unseld Handke mit, dass »alles nach Deinen Wünschen« umgesetzt werde. Die beiden von Handke gewünschten Farbbilder hatten einen Mehraufwand in der Herstellung von »einige[n] Tausend Mark« zur Folge. Unseld zeigte sich aber bereit »in dieses schöne Buch [zu] investieren.« (Handke / Unseld 2012, S. 251) Seinem Freund Alfred Kolleritsch berichtete Handke – ebenfalls am 7. März – vom Abschluss der Vorarbeiten: »Ich habe die Texte für ein Taschenbuch im Herbst fertig, auf das ich mich schon ausserordentlich freue.« (Handke / Kolleritsch 2008, S. 71)

Thomas Beckermann schickte Andrucke zusammen mit Fragen zur Fotomontage, zum Titelblatt, zum Inhaltsverzeichnis und zum Rückentext am 11. März (DLA SUA, A: Suhrkamp Verlag, Verlagskorrespondenz), worauf Handke am 13. März reagierte und entschied: »Mir ist der 12-Punkte-Ausdruck am liebsten.« Zugleich brachte er noch eine letzte Textkorrektur für Die Reise nach La Défense ein. Statt der Formulierung »leerer als ein leeres Schwimmbecken« lautete die endgültige Fassung: »leerer als ein Schwimmbecken, aus dem man das Wasser abgelassen hat«. (Handke / Unseld 2012, S. 252-253)

Herstellung und Erstausgabe

Ab Mitte März blieb das Buch in der Korrespondenz zwischen Unseld und Handke unerwähnt bis zum 31. Juli 1974, weitere Fragen klärte Handke mit Thomas Beckermann. Einem Brief vom 22. März zufolge, hatte dieser das Buch kurz davor »in die Herstellung gegeben«. Auch Anfragen nach Vorabdrucken in Zeitungen lagen zu diesem Zeitpunkt bereits vor. Beckermann schlug die beiden noch unveröffentlichten Texte Die Reise nach La Défense und da Gedicht Die Sinnlosigkeit und das Glück vor, worauf Handke am 27. März eher zurückhaltend reagierte. (DLA SUA, A: Suhrkamp Verlag, Verlagskorrespondenz) Nach den Druckfahnen erkundigte sich Handke am 17. April, da er die Texte zum Lesen weiterreichen wollte, jedoch inzwischen »alles verlegt und vertan« hatte. Auch wünschte er zu sehen, »was aus den Fotos geworden ist – um rechtzeitig EINGREIFEN zu können [...]« (DLA SUA, A: Suhrkamp Verlag, Verlagskorrespondenz). Thomas Beckermann versprach am 26. April den Umbruch zu Als das Wünschen noch geholfen hat für Anfang Mai, die Druckfahnen schickte er am 8. Mai ab. (DLA SUA, A: Suhrkamp Verlag, Verlagskorrespondenz) Einen Besuch bei Beckermann im Suhrkamp Verlag, bei dem wohl die Korrekturen besprochen wurden, erwähnt Handke in einem Brief an Alfred Kolleritsch vom 23. Mai 1974. (Handke / Kolleritsch 2008, S. 76) Am 18. Juni gab Beckermann in einem Brief zu Die Unvernünftigen sterben aus beiläufig über den Sammelband Bescheid: »Dein anderer st-Band liegt bald im Umbruch vor. Im Augenblick werden jene besagten Bilder retouchiert.« Am 19. Juni erhielt Handke die Seiten für die »Foto-Erzählung« zur Korrektur. Handke merkte am 25. Juni eine Änderung der Fotoanordnung an und lehnte eine Umrandung der Bilder ab. Nachdem er auch den Druck der Farbfotos gesehen hatte, kritisierte Handke am 4. Juli die Farbgebung und die fehlende Retusche von »kleinen weissen Fleckchen rechts unten«. (DLA SUA, A: Suhrkamp Verlag, Verlagskorrespondenz)

Entgegen der ursprünglichen Pläne für Herbst schickte Unseld bereits am 31. Juli 1974 ein Exemplar des fertigen Taschenbuchs an Handke mit der Feststellung: »Ich hoffe, du siehst die Mühe, die wir uns hier gegeben haben. Ich meine, daß letztlich die Qualität der Farbfotos doch sehr gut ist.« (Handke / Unseld 2012, S. 261) Und nach Vorliegen erster Rezensionen konnte Unseld am 20. August feststellen: »Ich freue mich, daß das Echo lebhaft ist und daß auch die Nachbestellungen ganz schön sind. Wir haben da etwas Gutes gemacht.« (Handke / Unseld 2012, S. 263) (ck)

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