Die Wiederholung; Phantasien der Wiederholung

Notizbuch, 160 Seiten, 24.04.1982 bis 18.08.1982

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Bis 22. April 1982 hatte Handke am Typoskript (ÖLA 165/W2) mit der Erstfassung von Die Geschichte des Bleistifts gearbeitet, dem bereits umfassende Manuskripte mit exzerpierten Journaleinträgen vorangingen.  Notizen mit Bezug auf Die Geschichte des Bleistifts enthält dieses Notizbuch wieder vermehrt ab dem 19. Mai 1982, unter Verwendung des Kürzels »dGdB« oder »GdB«. Da dem Typoskript ein Schreiben mit Korrekturvorschlägen vom 10. Mai 1982 beiliegt, ist wahrscheinlich, dass Handke anschließend mit Korrekturen am Text befasst war. Auch einzelne mit einem »X« markierte Einträge im Notizbuch sind Die Geschichte des Bleistifts zuordenbar, erstmals am 19. Mai 1982, z.B.: »hier sitze ich, im Moment unver[???], von Hoffnungslosigkeit bewegt“ (anfügen)«; »dGdB: der Tod brach als splitternder Baumstamm aus mir hervor (auch anfügen, aber wo?)«. In der Folge finden sich bis etwa 27. Juni 1982 regelmäßig Einträge mit Korrekturen und Einfügungen zu Die Geschichte des Bleistifts. Zum Inhalt von Die Geschichte des Bleistifts notiert Handke am 4. Mai 1982: »Die Orakelsprüche („Nur der Fremde, an dem man das Drama sieht, erscheint ist unverdächtig“) erscheinen mir doch unzerstörbar; sie sind, jedenfalls in mir, unvergänglich (ich werde sie in dGdB wiederaufnehmen, aber in eine Reihe zusammengezogen, wie die „-sagte“-Sätze am Anfang) [nur das unentschlüsselbare Dutzend, das ich wirklich erlebt habe, wie auch: „Dämonisiere den Raum, durch Wiederholung“, „Das Dorf ist groß“, etc. „In den Geistesabwesenden fliegen die Spitzschnäbel hinein“]«. Handke greift Notate zu Die Geschichte des Bleistifts über einen längeren Zeitraum mehrmals auf. Ein Beleg, dass die Formulierungsarbeit an Die Geschichte des Bleistifts über die in der Buchausgabe angegebenen Jahreszahlen »1976-1980« hinausgeht ist z.B. eine Textstelle, die Handke auch im vorangehenden Notizbuch (ÖLA SPH/LW/W99, S. 32) andeutete und die in einer neuen Formulierung (ÖLA SPH/LW/W100, 7. Juni 1982) in die Druckfassung übernommen wird: »Zu den Spatzen kann man sagen „allerliebst“ und: „allgegenwärtig“ („Sie sollen dich freibinden“, hieß es von ihnen im Traum). Allmählich entsteht so mein Wappen: Spatzen in einem Holunderbusch (auch dieser ist allgegenwärtig) –; und beide sind für die Arbeit meine großen Helfer«. (ck)

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorlage): 

Die Wiederholung; (und immer noch: Die Geschichte des Bleistifts); und: Phantasien der Wiederholung (so heißt des Journal ab 1981); Losers Geschichte

Entstehungsdatum (laut Vorlage):  24. April 1982 bis 18. August 1982
Datum normiert:  24.04.1982 bis 18.08.1982
Entstehungsorte (laut Vorlage): 

Salzburg; Sassari Santa Terésa; Porto Conte

Zusätzlich eingetragene Entstehungsorte: 

Das Notizbuch beginnt mit Aufzeichnungen, die Peter Handke ab 24. April in Salzburg und Umgebung anfertigt: Gnigl (26.4.1982), Mbg., Tag (29.4.1982); Handkes Parisreise von Februar 1982 wird rückblickend erwähnt: Fontaine Sainte-Marie (1.5.1982); In weiterer Folge werden genannt: Klagenfurt; Villach Velden;  Gr. (jeweils 2.5.1982); Görz (3.5.1982); Solkan (4.5.1982); Štanjel (4.5.1982); Hruševica (4.5.1982); Pliskovica (4.5.1982); Sempeter (4.5.1982); N.[ova] G.[orica] (5.5.1982); »Die winzigen Gärten von Vipava« (5.5.1982); Vrhpolje (5.5.1982); Vipava Rožna Dolina (6.5.1982); Bahnhof Görz (6.5.1982); »nach Cormons« (6.5.1982); Tricesimo (6.5.1982); »von Tricesimo nach Gemona« (7.5.1982); »Gestern in Udine« (7.5.1982); Chiusaforte (7.5.1982); Dogna (7.5.1982); Villach (7.5.1982); »im Café an der Alm = Albina« (8.5.1982); Mülln (18.5.1982); Zürich (28.5.1982); Offenburg (29.5.1982); Anif (30.5.1982); St. Peter a. Wallersberg (31.5.1982); Sbg. (2.6.1982); Innsbruck (22.6.1982); Mantua (23.6.1982); Brescia (24.6.1982); Bergamo (24.6.1982); Lecco (24.6.1982); Colico am Comer See (24.6.1982); Piadena (24.6.1982); Sils (24.6.1982); Nendeln/Liechtenstein (27.6.1982); St. Anton a. Arlberg (27.6.1982); Pietole (28.6.1982); Rom (Flughafen) (10.7.1982); »am Swimmingpool, Corte Rosada, Porto Conte« (10.7.1982); Alghero (11.7.1982); Capo Caccia (16.7.1982); Sassari (20.7.1982); Fertilia (20.7.1982); Villanova (21.7.1982); Lago di Baratz (27.7.1982); Porto Torres (28.7.1982); Fertilia Alghero (30.7.1982); Olmedo (31.7.1982); Bozen (1.8.1982); »St. Veit an der Glan, Naziland« (1.8.1982); Udine (2.8.1982); Gor. (2.8.1982); Triest (3.8.1982); Kosov. (3.8.1982); Pliskovica (3.8.1982); Kobjeglava Kosovelje (3.8.1982); Triest (4.8.1982); Gemona (5.8.1982); »zurück im Heimatland [Wörthersee]« (5.8.1982); Velden (5.8.1982); »Viktring, Mittag« (6.8.1982); »Salzburger Hbhf....« (8.8.1982)

Materialart und Besitz

Besitz 1:  Deutsches Literaturarchiv Marbach
Art, Umfang, Anzahl: 

1 dunkelbraunes Notizbuch mit lederartigem Einband, 160 Seiten, I-III, pag. 1-160, I*-III*; von Handke auf Buchrücken geklebter Papierstreifen mit hs. Datierung: »April 82 – Aug 82«

Format:  10,3 x 14,6 cm
Schreibstoff:  Fineliner (blau, grün, rot, schwarz), Bleistift, Kugelschreiber (blau)
Weitere Beilagen: 

1 Foto (Polaroid Via Mario Borza Franco Taroni, Milano, 8.7.1982), mehrere getrocknete Pflanzen (Die getrockneten Pflanzen lagen zwischen S. 82/83, S. 84/85, S. 86/87, S. 88/89, S. 90/91, S. 92/93, S. 94/95, S. 96/97, S. 102/103, S. 110/111, S. 112/113, S. 114/115, S. 116/117, S. 120/121, S. 122/123, S. 124/125, S. 130/131, S. 132/133, S. 134/135, S. 136/137, S. 142/143, S. 144/145 und S. 156/157 und sind im DLA Marbach aus konservatorischen Gründen separat abgelegt)

Nachweisbare Lektüren

Die S. I-II des vorderen Vorsatzes enthalten drei ausgewiesene Lektürezitate:

  • Johann Wolfgang von Goethe: West-östlicher Divan »Schwerer Dienste tägliche Bewahrung sonst bedarf es keiner Offenbarung (G.)«. (Vorsatz, S. I, Diese Stelle aus dem West-östlichen Divan, Buch des Parsen zitiert Handke auch im Eintrag vom 5. Mai 1982.)
  • Vergil: Georgica. (Zu/aus Vergils Georgica notiert Handke auf S. I am vorderen Voratz: »galbanum: Harz einer doldentragenden Pflanze in Syrien (zum Ausräuchern!): Und mit Galbanumqualm verscheuche die schädlichen Schlangen (G III, 415) (galbaneoque agitare gravis nidore chelydros«. Ebenfalls zitiert er: »IV, 264: hic iam galbaneos suadebo incendere odores (Bienen, wenn krank)«)
  • Heraklit: Fragment 93 (Auf S. II notiert Handke eine Stelle aus Heraklits Fragment 93 in griechischer Schrift, deren deutsche Übersetzung lautet: "Der Herrscher, dem das Orakel in Delphi gehört, sagt nicht und verbirgt nicht, sondern gibt Winke." Die Stelle »(sondern gibt Winke)« fügt Handke dem Zitat auf Deutsch bei.)
  • Drei Notizeinträge (vermutlich zu Lektüren) auf dem Vorsatz (S. II) hat Handke entweder nachträglich eingefügt oder während des Notierens gesondert am Vorsatzblatt eingetragen bzw. hervorgehoben: »Glyzinien [/] Glyzinien in der Landschaft [/] Ein eigenes Hauptwort / ein eigenes Umstandswort / ein eigenes Anrufswort / ein eigenes Zeitwort / möchte ich für euch bilden: / Glyzinien, Lippenblütentraubenkelterbottichgefügtheiten / sanftblau= greiffrisch / o meine Gerechtigkeiten! / Flugherzt mich«. Dieses Gedicht notiert Handke in drei weiteren Varianten auf S. II* des hinteren Vorsatzes, wobei zwei Varianten zur Gänze gestrichen sind. Die ungestrichene Variante auf S. II* lautet: »Glyzinien in der Land= schaft und um die Häuser / Ein eigenes Hauptwort / ein eigenes Umstandswort / ein eigenes Anrufswort / ein eigenes Zeitwort / möchte ich / gerechtigkeitshalber / für euch bilden: / Glyzinien / Lippenblüten= traubenkelterbottichgefügtheiten / sanftklangreiffrisch / meine Gerechtigkeiten! – / Flugherzt mich!«. Drei weitere Ansätze bzw. Varianten notiert Handke in seinem Eintrag vom 3. Mai 1982 im Rahmen seiner Karstreise.
  • Ebenfalls am vorderen Vorsatz (S. II) folgt das Gedicht Sonnenfrau: »Sonnenfrau [/] Warum siehst du mich nicht, [/] daherschlendernd aus der Sonne, [/] und beanspruchst mich, [/] Sonnenfrau? [/] Ich habe gerade Zeit [/] (Gorizia, 3. Mai 1982, Nachmittag)«.
  • Die dritte Notiz (Vorderer Vorsatz, S. II) lautet: »Der wunderbarste Raum III [/] Der wunderbarste Abstand III [/] Der wunderbarste Zwischenraum IIII [/] Ist der zwischen dem Engel der Verkündigung) [/] Und der jungfräulich gebären-Sollenden: [/] Abstand von der Lilie des Feldes und des Himmels [/] Zur Lilie des sechsten Tages«. – Diese Aufzeichnung wiederholt sich auf Seite 32 des Notizbuchs in der Variante: »Der wunderbarste Raum / der wunderbarste Abstand / der wunderbarste Zwischenraum / ist der zwischen dem Engel der Verkündigung und der [??????] jungfräulich gebären-Sollenden / Abstand zwischen vor der Lilie des Feldes und des Himmels / und zu der Lilie des sechsten Tages (Gorizia, 6.5.1982, 14h)«.
  • Buch Jesaja (Am unteren Rand von S. I* am hinteren Vorsatz sind drei Zitate bzw. Hinweise aus dem/auf das Buch Jesaja notiert, zu dessen Lektüre Handke ab 11.8.1982 laufend Einträge verfasst: »Wunderbare Ortsangabe bei Jesaja: "Gehe hinaus … an das Ende der Wasserleitung des Oberen Teichs, am Wege beim Acker des Walkmüllers…" [/] Als die Seraphine "Heilig, heilig…" rufen, BEBEN DIE ÜBERSCHWELLEN (des Tempels) [Jes. 6. K.] [/] "glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht" (7,9)«)

Im Inneren des Notizbuches sind zahlreiche weitere Lektürehinweise zu finden, meist in mehrfacher Nennung:

  • Georges Simenon: Der Mörder [u.a. 24.4.1982, S. 1]
  • Georges Simenon: En cas de malheur (u.a. 24.4.1982, S. 1 (Das Kürzel »S.« wird sowohl für Salzburg als auch für Simenon verwendet, »Vielleicht sollte ich Simenon nicht mehr lesen; denn er rührt mich zu Tränen und läßt mich und seine Leute allein« (17.7.1982, S. 121))
  • Die Verfilmung von Die Verkaufte Braut mit Karl Valentin (S. 10, 1.5.1982)
  • Johann Wolfgang von Goethe: West-östlicher Divan (Buch des Parsen) (u.a. S. 28, 5.5.1982)
  • Simone Weil (ab 8.5.1982, S. 38/39)
  • Emmanuel Bove: Départ dans la nuit (u.a. 10.5.1982, S. 40)
  • Vergil: Georgica (u.a. 16.5.1982, S. 57; »(leider habe ich gerade die Georgica zuende)« (8.6.1982, pag. 83))
  • Ernst Jünger: (»trotzdem lese ich weiter«, 10.6.1982 pag. 85)
  • René Char (u.a. S. 88)
  • Christian Wagner (u.a. S. 88)
  • Epikur (u.a. S. 88)
  • Joseph Conrad (u.a. S. 96)
  • Hesiod (u.a. S. 111)
  • Walter Benjamin: Passagenwerk (u.a. S. 115)
  • Henri Michaux (u.a. S. 118)
  • Buch Jesaja, v. 60 "Zions Herrlichkeit" (u.a. 11.8.1982, S. 156)
  • Hermann Broch (u.a. 12.8.1982, S. 157)

Ergänzende Bemerkungen

Illustrationen: 

 

  • Neben einigen kleinen Kritzeleien sind im Notizbuch auch größere Zeichnungen enthalten.
  • Auf der Doppelseite 12-13 (2./3.5.1982) befindet sich eine Zeichnung mit der Bildunterschrift: »Die 3 Könige in der Nische – St. Griffen«.
  • Am 4.5.1982 zeichnet Handke die Darstellung eines Fisches mit einem Rückenkorb voller Steine ab, die er auf einem Altartuch in Pliskovica findet (S. 23), er notiert dazu: »Christophorus, er taucht aus dem [?] auf mit einem R[?]korb voll [?] auf dem Rücken [...]«, und weiter unten: »das schönste Bild des Christophorus« (vgl. dazu in DGB, S. 243: »Und im Traum dann verwandelte sich der helle Apfelrest in den sagenhaften Delphin, der die Erde, Korb voll Früchten, einst auf seinem Rücken aus dem Meer hob, schönstes Bild des Christophorus«.
  • Auf S. 24 ist skizzenhaft über dem Text die Zeichnung eines Verkaufsstandes (?) mit der Bildbeschriftung »Eistüten« erkennbar.
  • Auf S. 26 ist – vom Text umlaufen – die Blüte (einer Glyzinie?) gezeichnet.
  • Auf S. 31 und 33 ist jeweils die halbe Seite mit einem durchschraffierten Muster bedeckt (hat Handke evtl. ein Stück Rinde o.ä. durchgepaust?).
  • Löwenzahn auf S. 40 und S. 42.
  • Im Eintrag vom 26.5.1982 (S. 63) Zeichnung mit Beschriftung: »Keltenfelsschriften am Dürr[????]«.
  • Auf S. 67 (29.5.1982 oder 30.5.1982) ist auf einer Notizbuchseite eine abgepauste Oberfläche zu sehen, die Bildbeschriftung lautet »Anif (Kirche)«.
  • Auf S. 74 (1.6.1982) zeichnet Handke venetische Schriftzeichen neben die Skizze einer keltischen (?) Maske.
  • Durchgepaust auf S. 75 (am 1.6.1982) ist ein Muster, die Beschriftung ist vermutlich »Das Relief des Hasen in der Wand des Pfarrhofs« (St. Peter a. Wallersberg[??]).
  • Zeichnung eines Blattes auf S. 101 (24.6.1982).
  • Palmzweige, über den Text gezeichnet (15.7.1982, S. 119).
  • Durchgepauste Inschrift (23.7.1982, S. 130-131).
  • Durchgepauste Zeichnung mit Beschriftung »Auge des Vogels am romanischen Grabstein und die Kralle« (S. 153).