Die Wiederholung

Notizbuch, 196 Seiten, 16.09.1981 bis 31.12.1981

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Beschreibung

Dieses kleinformatige, unlinierte Notizbuch umfasst 196 paginierte und beschriebene Seiten mit täglichen Einträgen von 16. September bis 31. Dezember 1981. Die Innenseiten der Buchdeckel (vorderer und hinterer Vorsatz) sind beschrieben. Der vordere Vorsatz enthält die Datierung »16.9. – 31.12.1981«, Peter Handkes Salzburger Adresse und Telefonnummer sowie eine Aufzählung der Entstehungsorte. Diese sind in Form einer Route unter Verwendung der dafür typischen Pfeilsymbole angegeben: »«.

Als Werktitel sind am vorderen Vorsatz »Die Wiederholung« sowie »und immer noch "Die Geschichte des Bleistifts"« eingetragen. Zwei Mottos sind dort ebenfalls zu finden. Bei dem ersten handelt es sich ursprünglich um eine Notiz vom 15. Juni 1981, die Handke in die danach folgenden Notizbücher des Jahres 1981 übertrug und die im Text von Phantasien der Wiederholung enthalten ist: »Die Freude des Wiederholens wird erst möglich, wenn ich ins Ungewisse aufgebrochen, ratlos bin« (Bl. I). Das zweite Motto stammt aus dem diesem Notizbuch unmittelbar vorangehenden Heft zur Reise nach Maribor vom 14./15. September 1981: »"Ein Tag kann erst als schön bezeichnet werden, wenn er, schön wie er war, noch einmal schön geworden ist"« (Bl. I).
Am hinteren Vorsatz sind Uhrzeiten, Namen, Telefonnummern und Orte notiert. Dort liegt auch eine gefaltete Postkarte bei, auf der ein durch zahlreiche Korrekturen fast unleserlicher Eintrag vom 31. Dezember 1981 neu abgeschrieben ist: »Und jetzt bin ich, am Ende dieser KriminalGeschichte verpflichtet, aufzuklären, wer der ominöse "Geist" ist, der so oft, handelnd, rettend, vernichtend, in diesen Begebenheiten auftrat.«

Im Eintragungszeitraum unternahm Handke nur eine Reise. Er befand sich den Ortseintragungen zufolge vom 16. September bis 15. Oktober 1981 in Salzburg. Von 15. bis 23. Oktober reiste er über Kärnten (Griffen) nach Slowenien (mit Station in Ljubljana) in den slowenischen Karst und am 22. Oktober wieder zurück nach Salzburg, wo er sich dann durchgehend bis zum 31. Dezember 1981 aufhielt. Auffällig ist, dass die täglichen Einträge während dieser Karstreise mit fünf bis zwölf Seiten bedeutend länger ausfielen als die sonst durchschnittlichen drei Seiten. Im Verlauf der Reise nahmen Handkes Überlegungen zum Werkprojekt Die Wiederholung eine zentrale Position ein. Es sind fortwährend Textstellen der hierfür häufig gebrauchten Abkürzung »DW« markiert. Handke notierte eine Vielzahl an slowenischen Wortübersetzungen und kulturgeschichtlichen Informationen. Auch beide im Notizbuch enthaltenen Zeichnungen vom 18. und 19. Oktober 1981 entstanden unterwegs in Slowenien.

Die Einträge von September bis Dezember 1981 bilden zusammen mit anderen Notizbüchern die Textgrundlage für Handkes Journal Phantasien der Wiederholung. Explizite Hinweise auf dessen Entstehung sind im Notizbuch jedoch nicht vermerkt. Drei Notizen beziehen sich auf das in dieser Zeit bereits abgeschlossene Über die Dörfer und an weiteren drei Stellen sind Bezüge zu Der Chinese des Schmerzes erkennbar. Seine Übersetzungsarbeit an Georges-Arthur Goldschmidts Der Spiegeltag erwähnte Handke nur ein Mal, zwei Notizen beziehen sich nur allgemein auf die Tätigkeit des Übersetzens.

Das Notizbuch enthält zahlreiche Lektürezitate oder -nennungen, die meisten Titel oder Autoren werden aber nur vereinzelt erwähnt. Am 20. September beendete Handke seine Lektüre von Herbert Wilhelmys Welt und Umwelt der Maya, das er vom 11. Juni 1981 an im Hinblick auf Die Wiederholung gelesen hatte. Dieses 1981 neu erschienene Buch diente Handke als Vorlage für den Vortrag des Lehrers zur Geschichte der Maya und zum Vergleich der Karstlandschaften von Yucatán und Slowenien in Die Wiederholung (DW 268-269). Ab Ende September und Oktober 1981 fällt im Notizbuch eine häufige Erwähnung der Romane Balzacs auf, aus denen einige Zitate in Die Phantasien der Wiederholung übernommen wurden. (ck)

Werkbezüge

Über die Dörfer

ÖLA SPH/LW/W98Zu Über die Dörfer enthält dieses Notizbuch lediglich drei kurze Nachbetrachtungen am 26. September, am 2. Dezember (»Zu dem, der sagte, ÜdD sei für "Gleichgestimmte", wollte ich sagen: "Nein, es ist ein objektives Stück!" und dachte jetzt: "Nein, es ist das objektive Stück!"«) sowie am 8. Dezember 1981. (ck)

Der Spiegeltag

ÖNB ÖLA/SPH/LW/W98Von 24. Oktober bis 10. Dezember 1981 übersetzte Peter Handke Georges-Arthur Goldschmidts Der Spiegeltag / Le miroir quotidien. In seinem Notizbuch, das in diesem Zeitraum entstand, erwähnte Handke diese Übersetzungsarbeit nur ein einziges Mal, am 15. November 1981, explizit – als Einschub in seine Notizen zu Die Wiederholung: »(Heute habe ich zum ersten Mal eine gewisse Freude am Übersetzen von "Le miroir quotidien" gehabt und auch einen deutschen Titel gefunden: "Der Mann im Dachfenster")«. Zum Übersetzen allgemein notierte Handke erst wieder am 4. Dezember 1981: »Vielleicht bin ich wirklich zum Übersetzen geboren – aber habe ich nicht das Schreiben, wenn ich ganz stark und ruhig dabei wurde, als ein Übersetzen erlebt?« Am 5. Dezember ergänzte er: »Übersetzen kann verglichen werden mit dem Betrachten und Nacherzählen eines Films, weil ich die fremden Sätze zuerst Bild und Bewegung und Raum werden lassen muß (auch kann), bevor ich diese Bilder, Bewegungen und Räume dann in meiner Sprache wiedergebe (schönes Tageskino manchmal)«. Das Notizbuch enthält keine Aufzeichnungen oder Zitate aus dem Inhalt von Der Spiegeltag oder zu konkreten Textstellen. Auch über die intensive und anhaltende Korrespondenz mit Georges-Arthur Goldschmidt gibt es keine Hinweise in den Notizen. (ck)

Die Geschichte des Bleistifts

Obwohl der Werktitel Die Geschichte des Bleistifts am Vorsatzblatt des Notizbuches explizit Erwähnung findet, konnte bisher nicht eindeutig ermittelt werden, ob und welche Textstellen in das Journal übernommen wurden. Mehrheitlich dürfte das Notizbuch als Ausgangspunkt für Phantasien der Wiederholung gedient haben, wenngleich nicht auszuschließen ist, dass Handke bestimmte Notate für Phantasien der Wiederholung, andere hingegen für Die Geschichte des Bleistifts auswählte. (ck)

Phantasien der Wiederholung

Aus diesem Notizbuch stammen Texte, die Handke für sein ursprünglich geplantes Journalprojekt Die Geschichte des Bleistifts verwendete – worauf er am Vorsatz mit »und immer noch: "Die Geschichte des Bleistifts"« hinwies. Handke beließ die Aufzeichnungen weitgehend in ihrer ursprünglichen Chronologie und wählte aus fast jedem seiner täglichen Notizbucheinträge vom 16. September bis 31. Dezember eine Textstelle für das Journal aus. Die Exzerpte übertrug er in ein 198 Blatt umfassendes Manuskript für Die Geschichte des Bleistifts (ÖLA SPH/LW/W62/2, darin entsprechen den Phantasien die Blätter 180-198), auf dessen Grundlage er weiterarbeitete. Im Lauf des Jahres 1982 entwickelte er daraus das eigenständige Journal Phantasien der Wiederholung. Die Texte aus diesem Notizbuch ergeben in Phantasien der Wiederholung ungefähr die zweite Hälfte des gedruckten Textes (PW 65ff.). (ck)

Der Chinese des Schmerzes

Etwa ein Jahr bevor Handke die Niederschrift der ersten Textfassung von Der Chinese des Schmerzes in Angriff nahm, sind ab Ende November 1981, als er sich in Salzburg aufhielt, bereits vereinzelt Bilder und Szenen in diesem Notizbuch zu erkennen, jedoch ohne nachweisliche Absicht in Bezug auf das Werkprojekt. Vielmehr rief Handke diese losen Journalnotizen und Beobachtungen bei der späteren Arbeit an seiner Erzählung wieder auf, beispielsweise »Das Zirpen von Obusleitungen« am 23. November 1981, zum Tarockspiel am 24. November: »Als ob ich inzwischen, wenn ich etwas spiele (Schach, Tarock) nur noch "Spielen spiele" (ich bin nicht dabei)«. Am 26. November 1981 enthält das Notizbuch eine Stelle zur Figur des Malers, der in Der Chinese des Schmerzes Teilnehmer der Tarockrunde ist. Die Textstelle ist in Der Chinese des Schmerzes nicht wörtlich übernommen, findet sich allerdings in Phantasien der Wiederholung: »Der Maler erzählte, was ihn zum Bildermachen gebracht hätte, sei das Bedürfnis gewesen, etwas zu schaffen, das für alle eine Freude wäre, […]« (PW 83). Wiederkehrende Notizen zum zentralen Schwellenmotiv deuten ebenso auf die Erzählung hin wie das in Der Chinese des Schmerzes für die Handlung entscheidende Hakenkreuzsymbol, z.B. am 2. Dezember 1981: »das niedrigste Zeichen: das Hakenkreuz, das freundlichste: die Sonne«. (ck)

Die Wiederholung

ÖLA SPH/LW/W98Im gesamten Notizbuch verwendete Handke Abkürzungen, um Eintragungen dem Werkprojekt Die Wiederholung zuzuordnen (das Kürzel schließt allerdings zu diesem Zeitpunkt noch einen größer angelegten Werkkomplex als nur die spätere Buchveröffentlichung Die Wiederholung mit ein): »HdW« [Held der Wiederholung], »DHdW« [Der Held der Wiederholung], »DW«, »DW!«. Gelegentliche Einträge mit projektrelevanten Notizen sind zu finden von 16. September bis 16. Oktober. Den Beginn seiner Reise in den slowenischen Karst markiert eine zentrale Notiz am 17. Oktober: »KOBAL = Name DW [Aufstand hatte 2500km² erfaßt, 2 Monate gedauert, teilgenommen haben ca 750 Ortsgemeinschaften – "soseski"; es war der letzte große Bauernaufstand vor den Reformen Ma Theresias und JII]«. Im Verlauf dieser Reise vom 16. bis 23. Oktober 1981 traten Handkes Überlegungen zum Werkprojekt Die Wiederholung stark in den Vordergrund. Handke notierte sich eine Vielzahl an slowenischen Wortübersetzungen und kulturgeschichtlichen Informationen. Auch beide im Notizbuch enthaltenen Zeichnungen vom 18. und 19. Oktober 1981 entstanden unterwegs in Slowenien.

In größeren Intervallen notiert Handke im Anschluss an die Reise, etwa am 5. November: »In diesem Jahr habe ich noch nicht mit einem Vorsatz geschrieben (wenn das auch bei DW möglich wäre…)«, am 15. November: »Ein beherrschendes Gefühl in DW: von etwas nicht mehr Nachzuholendem, Versäumten ("Die Wiederholung oder Das Versäumnis").« Nahezu täglich finden sich Projektnotizen zwischen 17. November und 9. Dezember und danach wieder am 14. und 18. Dezember. Notizen zur Beschreibung des Internats in Die Wiederholung sowie Überlegungen zu Personennamen in der Erzählung sind auffallend. Bedeutend ist auch die Lektüre von Herbert Wilhelmys Welt und Umwelt der Maya, das Handke seit 11. Juni 1981 gelesen hatte und dessen Abschluss er am 20. September kommentierte. Dieses 1981 neu erschienene Buch diente ihm als Vorlage für den Vortrag des Lehrers zur Geschichte der Maya und zum Vergleich der Karstlandschaften von Yucatán und Slowenien in Die Wiederholung (DW 268-269). (ck)

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorsatzblatt): 

Die Wiederholung; und immer noch "Die Geschichte des Bleistifts"

Entstehungsdatum (laut Vorlage):  16.9. – 31.12.1981
Datum normiert:  16.09.1981 bis 31.12.1981
Entstehungsorte (laut Vorsatzblatt): 

Salzburg; St. Griffen Rosenbach Jesenice Ljubljana Piran Koper Hrastovlje Kozina Ajdovščina N. Gorica Hruševica Kobieglava Gabrovica Dutovlje Kobarid Škofja Loka Kranj Radovljica Jesenice Villach Salzburg

Zusätzlich eingetragene Entstehungsorte: 

Salzburg (ab 16.9., dort in weiterer Folge u.a.: »Mbg.«, »Anif«, »a.d. Salzach«, »Mbg./Mülln«), Griffen (15.10.), Klagenfurt, Rosenbach, Rosental, Jesenice (16.10.), Ljubljana, Senožeče, Divača, Koper, Piran (17.10.), Piran, nach Kožina, Koper (18.10.), Koper Ljubljana, Hrastlovlje, Kožina, Divača, Ajdovščina, Nova Gorica (19.10.), Hruševica, Tupelče, Kobjeglava, Gabrovica, Krajna Vas Dutovlje (20.10.), Kobarid, Tolmin, Podbrdo, Skofja Loka (21.10.), Kranj (22.10.), Obervellach, n. Bischofshofen, Paß Lueg (23.10.), Kleßheim (25.10.); Salzburg (Anif, Mgb.) (26.10.), St. Andrä (5.11.), »Dunkles Salzburg« (15.11.), »Kloster Nonnberg« (18.11.)

Materialart und Besitz

Besitz 1:  Deutsches Literaturarchiv Marbach
Art, Umfang, Anzahl: 

1 blaugraues Notizbuch, 196 Seiten, I, pag. 1-196, I*; von Handke auf Buchrücken geklebter Papierstreifen mit hs. Datierung »Sept – Dez 81«; Datierungseintrag auf vorderem Buchdeckel »Sept – Dez 81«

Format:  7,7 x 10,3 cm
Schreibstoff:  Kugelschreiber (blau), Fineliner (schwarz), Bleistift
Weitere Beilagen: 

eingelegt in hinterem Vorsatz 1 Postkarte gefaltet mit Notizen (Rembrandt van Rijn Hl. Familie, 31.12.1981); getrocknete Pflanzen (zwischen S. 96 und 97, aus konservatorischen Gründen im DLA Marbach separat abgelegt) und Rechnung (1 Blatt, zwischen S. 58 und 59)

Nachweisbare Lektüren

In Reihenfolge der ersten Erwähnung oder Zitierung sind anhand einer groben Auswertung folgende Lektürespuren festzustellen:

  • Jacques Lacan
  • Vergil
  • Homer
  • Herbert Wilhelmy: Welt und Umwelt der Maya (»Heute Abschied von den Maya«, 20.9.)
  • Honoré de Balzac: La Peau de Chagrin (»Was gibt es Schöneres, als in der Herbstsonne hier unter dem Brunnendach zu sitzen und beim Bäumerauschen Balzac zu lesen?«, 26.9.1981)
  • Charles Dickens
  • René Char
  • Bob Dylan: subterranian homesick blues (am 29.9.1981)
  • Martin Buber: Hiob
  • Antonio Porchia
  • Stefan George
  • Franz Kafka
  • Francis Ponge
  • Lukrez: De rerum natura
  • Anton Jantscha: Vollständige Lehre von der Bienenzucht
  • Roland Barthes
  • Friedrich Hölderlin
  • Ludwig Hohl
  • Horaz
  • Honoré de Balzac: La Médecin de campagne
  • Georg Trakl: Verklärung
  • Claude Levi-Strauss
  • Friedrich Nietzsche
  • Georg Wilhelm Friedrich Hegel
  • Johann Wolfgang von Goethe: Faust
  • Vergil: Georgica
  • Pierre Schneider: Matisse
  • Manfred Eigen: Das Spiel
  • Joseph Conrad: Heart of Darkness

Ergänzende Bemerkungen

Illustrationen: 

 

  • Zeichnung eines »Brotstempels« am 18.10.1981
  • zehn glagolitische Schriftzeichen am 19.10.1981