Echo - Stimmen der Kritik (Auszüge)

Österreichisches Literaturarchiv



 

Grundbücher
der österreichischen Literatur seit 1945

W.P.
Profil, 3.12.2007:

In der jüngsten Nummer des Publikationsorgans des Österreichischen Literaturarchivs und der Nationalbibliothek werden 25 "Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945" vorgestellt, eine Auflistung bedeutender Autoren und wichtiger Werke, die von renommierten Literaturwissenschaftern wie Wendelin Schmidt-Dengler und Daniela Strigl und Schriftstellern (etwa Robert Schindel und Franz Schuh) ohne Kanonisierungsabsicht vorgestellt und einer sachten Neuinterpretation unterzogen werden - unter anderem klassische Literaturarbeiten wie Franz Innerhofers "Schöne Tage", Elfriede Jelineks "Lust" und Thomas Bernhards "Frost".

Qet
Neue Zürcher Zeitung, 12.1.2008:

Dass der Kanon oft das Ende der Debatten ist, lässt sich an vielen Versuchen zeigen, die Literatur in eine klassifizierende Ordnung zu bringen. Dass mit dem Kanon die Diskussionen mitunter aber auch erst beginnen, ist mit einer vorzüglichen Veranstaltungsreihe der Wiener "Alten Schmiede" und des Linzer Stifterhauses bewiesen, die sich seit 2002 mit den "Grundbüchern" der österreichischen Literatur befasst. Die Essenz dessen, was seit 1945 in diesem Land erschienen ist, wird zum Gegenstand einer im besten Sinn skrupulösen Auseinandersetzung. [...] Die dazu verfassten Essays füllen jetzt einen von Klaus Kastberger und Kurt Neumann herausgegebenen Band, der selbst zum Grundbuch der Beschäftigung mit österreichischer Literatur werden könnte. Das Geschriebene nicht als Festgeschriebenes zu betrachten, ist die Grundtugend eines Prozesses, der konsequenterweise auch noch nicht zu Ende ist. "Erste Lieferung" steht als Zusatz auf einem in jedem Sinn erhellenden Buch.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.1.2008:

Alles auf einmal wäre ein wenig viel. Denn die Liste der Schlüsselwerke einer Nationalliteratur kann je nach den angelegten Maßstäben eine lange sein. Daher bieten Klaus Kastberger und Kurt Neumann vorläufig auch nur eine "Erste Lieferung": "Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945" sind die bisherige Ergebnisse der gleichnamigen Veranstaltungsreihe der Alten Schmiede in Wien und des Stifterhauses Linz. Texte, die aus der Sicht von Künstlern, Kritikern oder Wissenschaftlern eine "exemplarische Stellung" in der Literatur des Landes eingenommen haben, werden aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln und methodischen Zugriffen beleuchtet. Manchmal eher wissenschaftlich-analytisch, dann wieder im Gespräch mit den Autoren oder auch auf literarische Weise nähern sich Experten der österreichischen Literatur wie Klaus Amann und Wendelin Schmidt-Dengler Werken von Aichinger bis Handke, von Bachmann bis Jelinek.



 

Sichtungen
Archiv - Bibliothek - Literaturwissenschaft. Bd. 8./9.

Evelyne Polt-Heinzl
9.2.2007 (http://www.literaturhaus.at/buch/fachbuch/rez/Sichtungen/ [Stand 12.10.2007]):

Das literarhistorische Interesse an jeder Form von Zusatzinformation ist groß, der Genuss beim immer auch ein wenig voyeuristischen Geschäft auch, und im Idealfall werden daraus tatsächlich überraschende Erkenntnisse über Leben und Werk von Autoren gewonnen. Ein spektakulärer "Fall" ist dem Band "Zum Geleit" vorangestellt. Eine briefliche Auseinandersetzung zwischen Alexander Moritz Frey und Hermann Hesse, die sich an einem Hesse dedizierten Werk Freys entzündet, das dieser in einem Antiquariat wiederfand, entpuppt sich hier als Schlüssel zur Rekonstruktion von Alexander Moritz Freys schwierigen Exiljahren in der Schweiz. (...)
Auf gut 300 Seiten entsteht (...) ein wahres Feuerwerk an Beiträgen mit Fallbeispielen, von denen viele - häufig sind die Verfasser die jahrelangen Nachlassverwalter oder -bearbeiter - aus der Petitesse der Widmung kleine Fundstücke für die Forschung entwickeln. Das Spektrum der behandelten AutorInnen könnte breiter nicht gesteckt sein, und wenn man den Band kontinuierlich durchliest, ist man kaum je versucht, einen Beitrag zu überblättern.

P.P.
Kurier, 15.2.2007:

Ein Buch über Widmungen in Büchern. In dieses Thema kann man sich vertiefen - wenn es derart gut aufbereitet ist wie in diesem Fall.

Hermann Schlösser
Wiener Zeitung, 3.8.2007:

Seit jeher werden Dichtern handschriftliche Widmungen abverlangt, sodass sich im Lauf der Zeit eine Kultur des Widmens herausgebildet hat. Der Band "Aus meiner Hand dies Buch", im Österreichischen Literaturarchiv entstanden, ist dieser Kultur auf der Spur. In einer Reihe von Aufsätzen wird dargestellt, wer wem mit welchen Gedanken (und Hintergedanken) Bücher gewidmet hat. Zahlreiche Faksimiles von Widmungen berühmter Autoren ergänzen die wissenschaftlichen Studien aufs Schönste. So gibt der Band Aufschlüsse über ein Phänomen, das ein bedenkenswertes Eigenleben im Grenzgebiet von Öffentlichkeit und Privatheit führt. Schön und belehrend.

Jdl. [Paul Jandl]
Neue Zürcher Zeitung, 13.08.2007:

Enger hätte man den Kreis nicht fassen können und zugleich auch nicht weiter: "(Für den, den's angeht)" schreibt Peter Handke auf sein Journal "Das Gewicht der Welt". Gewidmet ist das Buch damit der Empathie des unbekannten Lesers und nicht nur, wie bei Günter Grass, einer "Ute, die es mit F. hat ...". "Ein weites Feld" heisst der von Grass solcherart zugeeignete Roman, und ein weites Feld ist auch das Phänomen der Widmung, dem das Österreichische Literaturarchiv einen vorzüglichen und auch optisch ganz ausgezeichnet gemachten Band widmet. "Aus meiner Hand dies Buch ..." heisst das opulente Werk, das unter diesem Zitat Thomas Manns kurze Texte in schöner Ausführlichkeit behandelt. Interessant sind für das Buch vor allem die handschriftlichen Zueignungen. Dazu gibt es neben konzisen Aufsätzen eine kommentierte "Galerie der Widmungen" und Selbstauskünfte von Schriftstellern.

Carsten Wurm
Marginalien, 188. Heft (4, 2007):

Bei der Präsenz des Themas im literarischen Leben und auf dem antiquarischen Buchmarkt ist es geradezu verwunderlich, daß bislang kaum jemand dem Phänomen Widmung wissenschaftliche Aufmerksamkeit zuteil werden ließ. Die drei Herausgeber des vorliegenden Jahrbuches haben nun im Auftrag des Österreichischen Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek und der Wienbibliothek im Rathaus gleich eine komplexe Untersuchung vorgelegt. Sie fassen den Gegenstand denkbar breit: In dem Sammelband finden sich Beiträge zu gedruckten, handschriftlichen und sogenannten "privaten" Widmungen. Das Thema wird historisch, theoretisch und durch viele Fallbeispiele umkreist. Die Konzentration liegt auf der deutschsprachigen Literatur vor der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Die Autoren sind zumeist Literaturwissenschaftler, Bibliothekare und Archivare, die sich über Widmungsexemplare im öffentlichen Besitz beugen. Einige haben auch ihren eigenen Bücherschrank durchforstet oder bekennen sich gar zu der schönen Leidenschaft. Eine zusätzliche Dimension erhält das Buch durch Stimmen von meist zeitgenössischen Schriftstellern (Alfred Polgar, Franzobel, Friederike Mayröcker, Peter Rühmkorf und anderen), die vom geteilten Echo zeugen, die die Jagd nach Widmungsexemplaren und die Sitte des Schenkens von Büchern mit Widmung unter ihnen hervorruft.



 

Österreichisches Literaturarchiv
Die ersten 10 Jahre

S. Strohschneider-Laue
Ebensolch. Rez-E-zine, 27/06 (http://ebensolch.at/eb_27_06/eb_001_001_249.htm [Stand 15.9.2006]):

So ist dieses Buch auch keine anekdotische Annäherung an die zur Zeit über 120 geschlossenen Bestände, sondern eine Bilanz der Aufgaben, erreichten und angestrebten Ziele sowie Normierungen der letzten zehn Jahre. Stetes Thema aller Archive, Bibliotheken, Museen ist nicht nur die Bestandserweiterung, sondern auch dessen Erhalt, zu dem auch der moderne K(r)ampf der sinnvollen Datensicherung - u. a. von Video- und Audiodateien - zählt. Sammeln, bewahren, ausstellen und aufarbeiten gehören auch im Literaturarchiv zum Tagwerk, deren Ergebnisse in der Buchreihe "Profile" und in Fachperiodikum "Sichtungen" veröffentlicht werden. (...) Insgesamt wird ein knapper und interessanter Überblick über die ersten zehn Jahre des Österreichischen Literaturarchivs geboten.



 

Ernst Jandl
Musik Rhythmus Radikale Dichtung

Benedikt Erenz
Die Zeit, 11.8.2005:

Ein Jandl-Album von Jandl-Kennern für Jandl-Liebhaber. Also für alle.

Leopold Federmair
www.literaturhaus.at, 6.2.2006 (http://www.literaturhaus.at/buch/fachbuch/rez/Jandl_Musik/ [Stand: 29.11.2006]):

Als "Magazin" bezeichnet sich die vom Literaturarchiv der österreichischen Nationalbibliothek herausgegebene Buchreihe Profile, und der zwölfte, Ernst Jandl gewidmete Band erfüllt den Anspruch, eine vielfältige Mischung zu bieten, aufs beste: Einblick in die Werkstatt des Dichters; Herausforderungen, denen seine Übersetzer begegnen; literaturwissenschaftliche Beiträge, Fotos, Zeichnungen Jandls, unveröffentlichte Gedichte, Übersetzungen.

Paul Jandl
Neue Zürcher Zeitung, 27.8.2005:

Der von Bernhard Fetz herausgegebene und in der ‚Profile'-Reihe des Österreichischen Literaturarchivs erscheinende Band zu Ernst Jandl nimmt sich im schönen Bogen poetologischer und biografischer Fragen an. Es ist eine Jandl-Hommage, die den Menschen nicht weniger diesseitig zeigt als den Künstler. Das Buch lebt von Fotografien und den Abbildungen kräftig durchfurchter Manuskriptseiten. Jandl mit Schrägstrich, wie Heinz Schafroth das einmal genannt hat - das ist ein Leben getrennt geführter Liebe. Einer Liebe zu Friederike Mayröcker, zur Literatur und zu sich selbst.

Ann-Catherine Simon
Die Presse, 1.8.2005:

Das Verworfene, Ausgeschiedene, Korrigierte in Jandls Textproduktion sei ein "Gegengewicht gegen die Tendenz einer trivialisierenden Verfestigung der Textgestalt in der Jandl-Rezeption", meint Herausgeber Bernhard Fetz. Wer Jandl ernst nimmt, spielt mit ihm. Die Übersetzer wissen, dass man diesem Autor anders nicht beikommt: Aus ihrer Sicht lernt man im Buch den "englischen", "italienischen" und "spanischen" Jandl kennen - und erfährt, was "schtzngrmm" auf Spanisch heißt: "trnchnbmm".

Wolfgang Paterno
Profil, 1.8.2005:

Eine Jandl-Leseverführung



 

Die Dichter und das Denken.
Wechselspiele zwischen Literatur und Philosophie

Martin Sexl
Salzburger Nachrichten, 4.10.2004, Ausgabe 298, Lebensart:

Ich muss gestehen, dass mich doch auch ein kleines bisschen 'niedere Instinkte' angestachelt hatten, als ich mich für die Rezension des vorliegenden Bandes 'angemeldet' hatte: "Noch ein Sammelband über Literatur und Philosophie! Die eine Hälfte der Beiträge in solchen Sammelbänden sucht nach Spuren altbekannter Philosophen - selten Philosophinnen - in altbekannten literarischen Texten, die andere Hälfte nimmt die Texte jener Philosophen - selten Philosophinnen - auseinander, die sich eines 'literarischen Stils' befleißigen." Mein Schadenfreude-Zentrum im Gehirn meinte da: "Das Buch werden wir aber ganz schön auseinander nehmen!"
Als das Buch dann auf meinem Schreibtisch lag, war der erste Gedanke nur: "Was für ein schönes Buch!" - und der zweite und der dritte ebenso. Ich liebte das Buch schon, bevor ich eine Zeile davon gelesen hatte: die Bilder, Fotos, die Faksimile-Abbildungen, das Druckbild, die Kompaktheit, die auch nicht durch Fußnoten gestört wird - immer wieder nahm ich den Band zur Hand, um ihn einfach durchzublättern, ohne zu lesen.
Beim Lesen dann verflüchtigte sich der erste Eindruck keineswegs, im Gegenteil, er vertiefte sich. Und etwas beschämt erinnerte ich mich an meine allzu voreilige Schadenfreude, an meine Urteile und Vorurteile, welche nun von den Beiträgen des Bandes so eindrücklich widerlegt wurden. Sammelbände sind Sammelsurien und Anhäufungen von Dingen, die eine gewisse gemeinsame Themenstellung, ansonsten aber keine Ähnlichkeiten aufweisen - und die auch alle für sich alleine existieren könnten und können. Die schlechten unter diesen Zusammenstellungen erinnern an Wohnungen, in denen sich Urlaubsmitbringsel anhäufen, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, eben Urlaubsmitbringsel zu sein. Die besseren unter ihnen - und dieses Buch gehört zweifelsohne zu dieser Sorte - sind liebevolle Arrangements, die es erlauben, Zusammenhänge wahrzunehmen, die sich erst in der Ordnung einzelner Gegenstände (sprich: Beiträge) - so willkürlich gewählt diese Ordnung auch erscheinen mag - ergeben. Gerne hätte ich mehr über dieses Buch geschrieben - aber der Platz für eine Rezension ist knapp bemessen -, denn über die Solidität aller Beiträge hinaus regen die meisten unter ihnen an zum Weiterdenken und Weiterschreiben. Ein schönes Buch, ein gelungenes Buch - rundum.

rox
Neue Zürcher Zeitung, 9.10.2004, Ressort Feuilleton :

Dichter contra Denker. Der Streit zwischen Denkern und Dichtern darüber, ob denn die Vertreter der einen Gilde denen der anderen ins Handwerk pfuschen, geht schon lange und ist weiterhin unentschieden. Nichtsdestoweniger ist das Thema herrlich und lehrreich und darüber hinaus: ein schönes Feld für angewandte Studien im literarischen Grenzgängertum. Die österreichische Literaturkritikerin Daniela Strigl eröffnet einen entsprechenden Band mit einer Etüde über "Denker als Dichter. Warum sie so gute Bücher schreiben". Nicht zu vergessen sei zunächst einmal, dass sich unter den Literatur-Nobelpreisträgern allein vier Denker finden: Henri Bergson (1927), Bertrand Russell (1950), Albert Camus (1957) und Jean-Paul Sartre (1964). Vorbild und klassisches Beispiel für ein unbekümmertes Grenzgängertum zwischen den Sphären ist Nietzsche, der in "Ecce homo" selbst der Frage nachgeht, "Warum ich so gute Bücher schreibe". Ob Heidegger ein ebenso guter Schreiber wie Denker gewesen ist, darüber liesse sich freilich des Längeren streiten. Bei der Lektüre einiger Heidegger-Gedichte kann man sich in der Tat fragen, ob man es nun mit schlechter Philosophie oder mit schlechter Handhabung der Sprache zu tun hat.

Anton Thuswaldner
Salzburger Nachrichten, 24.12.2004, Ausgabe 298, Lebensart:

Wer nicht glauben mag, dass Dichter Originalgenies sind, die ihr Werk unmittelbar aufs Papier schleudern, kann hier nachlesen, wie Dichtung und Theorie zusammengehen. Denken ist nicht der natürliche Feind der Poesie, es hilft der Literatur erst so richtig auf die Sprünge. Ein Dossier ist Günther Anders gewidmet, dem Philosophen, der der Widersetzlichkeit der Kunst bedurfte, um zu seiner philosophischen Theorie zu kommen, und der Literatur schrieb auf dem Fundament seiner philosophischen Bildung.



 

Die Teile und das Ganze.
Bausteine der literarischen Moderne in Österreich

Hannelore Schlaffer
Stuttgarter Zeitung vom 13.5.2003:

Die Ausstellung "Die Teile und das Ganze. Bausteine der literarischen Moderne in Österreich", die sich Marbach vom Österreichischen Literaturarchiv Wien ins Haus geholt hat, widmet sich mit dem fragmentarischen Werk einem Problem der Moderne - die Postmoderne des Ausstellungsstils aber hat, gottlob, die Österreicher noch nicht eingeholt. Zwar leiten ein paar groß bedruckte und Raum füllende Spruchbänder aufs Thema hin und in die Räume mit den Vitrinen hinein. Dort aber ist die Askese der standhaften und standfesten Lektüre gefordert. Weiß auf Schwarz erklären Kommentare, in kleinen Buchstaben gedruckt, welche Not die Dichter der österreichischen Moderne, also Kafka, Musil, Hofmannsthal, Broch, Bachmann und Bernhard, mit der Vollendung ihrer Werke hatten.
Das Unvermögen, einen Text abzuschließen, interpretieren die Ausstellungsmacher als Unwillen gegen die Tradition, die ans vollendete Werk des inspirierten Genies glaubte. "Das Fragment", so Wendelin Schmidt-Dengler, "bedeutet Protest gegen die Autorität des Monumentalen, das den Schein der Geschlossenheit suggerieren will." Diesem Protest schließt sich die Ausstellung selbst an, denn was sonst wäre hier zu sehen als vom Fragment noch einmal ein Fragment: das Manuskriptblatt.
Konzeptfetzen und Skizzen zu Bühnenbildern etwa zeigen den langen Weg, den Ödön von Horváth ging, um von dem Film "Mädchenhandel" über viele verworfene Fassungen zu den "Geschichten aus dem Wiener Wald" zu gelangen. Broch wiederum hat den Entwurf der "Schlafwandler" gewissermaßen hinter Gitter gestellt: Er überzieht seine Seiten kreuz und quer mit Strichen und sagt sich selbst damit, dass keiner seiner Entwürfe auf ein gültiges Ende zuschreiten werde. Die Fragmentarisierung des Werkes in der Moderne dokumentiert sich also optisch durch gehäufte Streichungen, Überschreibungen, Kritzeleien. Sie drücken die Ungeduld des Autors aus, der eine komplizierte Welt mit den sich auflösenden poetischen Formen nicht mehr zu fassen vermag.
Solange den Betrachter seine Füße tragen, hat er deshalb im doppelten Sinne die Moderne vor Augen: das Fragment als poetologisches Konzept und das Manuskriptblatt als Concept-art. Der Dichter erscheint bei der Arbeit als Maler, der mit Formen und Farben seinen Text der Komplexität des modernen Denkens anzupassen sucht. (...) Heimrad Bäcker treibt das Spiel mit den Partikeln der Sprache bis zur letzten Konsequenz und gelangt bei der konkreten Poesie an, die Wortkunstwerk und Bild in einem ist.



 

George Saiko

HS
Buchkultur (Wien) von April/Mai 2004:

George Saiko lässt in seinem grandiosen Roman "Auf dem Floß" den Diener Joschko ausstopfen und statt eines Wisents zur Schau stellen. Aber im entscheidenden Augenblick haut die Leiche ab. Das Motiv vom Diener-Herrscher und der Zeitlosigkeit endet also im Nichts. Allein schon wegen dieser tollen Story vom leeren Gehäuse lohnt es sich, sich ein wenig mit George Saiko zu beschäftigen. Der frische Texte- und Materialienband von Michael Hansel und Klaus Kastberger bringt spannende Lektüre mit sich, denn Literatur, Biographie und diverse Romantheorien zeigen unverfroren, zu welch grandiosen Leistungen das Schreiben führen kann.
Mit zwei Bestsellern der Marke Hyper-Qualität hat George Saiko (1892-1962) letztlich das Auslangen gefunden und ist als Meilenstein in die Literaturgeschichte eingerückt. Neben dem angesprochenen "Floß"-Roman, in dem irgendwie die gesamte Donaumonarchie den Bach hinuntergeht, gilt der Roman "Der Mann im Schilf" als eine gelungene Arbeit, historische Ereignisse im Weltgeflecht der eigenen Erlebnisse zu verknüpfen. Der Materialienband George Saikos ist wahrlich ein Leseerlebnis, das ununterbrochen Querverweise zur eigenen Leseerlebnissen und Stoffen herstellt. Wie gut George Saiko letztlich ist, merkt man als Leser daran, dass man beinahe mit jedem Satz sofort etwas Aktuelles anfangen kann. Und das ist in der Literaturgeschichte etwas Rares und Bemerkenswertes. HS Fazit: Auch ein fundierter Materialienband kann zum Leseerlebnis werden!



 

Frauen verstehen keinen Spaß

Susanne Ostwald
Neue Zürcher Zeitung vom 10.10.2002:

Man erfreut sich an der spezifischen Absurdität eines Vorurteils, greift es spielerisch, scheinbar bestätigend auf, um seine Argumente mit Humor zu entwaffnen - und welches Vorurteil scheint dafür besser geeignet zu sein als jenes, welches den neunten Band der Zeitschrift "Profile" betitelt: "Frauen verstehen keinen Spaß".

Christa Salchner
Die Furche (Wien) vom 2.1.2003:

"Frauen verstehen keinen Spaß" bietet Innenansichten von 38 prominenten Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen und Schriftstellerinnen und dokumentiert ein spannungsgeladenes Stück Frauengeschichte.



 

Ödön von Horváth
Unendliche Dummheit - dumme Unendlichkeit.

Renate Langer
bn.bibliotheksnachrichten (Salzburg)
zitiert nach Rezensionen online, 2002:

Ödön von Horváth, der scharfsichtige Chronist der Zwischenkriegszeit, dessen Figuren sich durch ihren Jargon selbst demaskieren, zählt heute zu den meistgespielten Dramatikern auf deutschsprachigen Bühnen, und sein Roman "Jugend ohne Gott" ist zur Pflichtlektüre an Schulen avanciert. Anlässlich des 100. Geburtstags dieses Autors, der 1938 durch einen schaurigen Unfall in Paris ums Leben kam, haben renommierte Germanisten sein Werk aus neuen Perspektiven untersucht. Die Beiträge befassen sich u. a. mit Horváths Sprache, seiner Kurzprosa und der Inszenierungsgeschichte seiner Stücke. Karl Müller legt das mythologische Substrat vieler Texte frei und weist insbesondere den Einfluss der Bibel auf Horváths Schreiben nach: Bei aller sozialgeschichtlichen Präzision sind die Figuren zugleich Akteure in einem metaphysischen Geschehen. Ein umfangreiches Dossier beleuchtet Horváths komplexes Verhältnis zum Kino, das in vielen seiner Werke Spuren hinterlassen hat. Dass er in den dreißiger Jahren, als Dramatiker brotlos geworden, in der deutschen Filmindustrie als Scriptautor Fuß zu fassen versuchte, dürfte auch vielen Horváth-Kennern bislang unbekannt gewesen sein. - Ein weiterer wissenschaftlicher solider und reich bebilderter Band aus der Reihe "Profile", die für Qualität bürgt.

Richard Reichensperger
Der Standard (Wien) vom 27.9.2001:

1989 konnte das Literaturarchiv der Nationalbibliothek gemeinsam mit der Wiener Stadt- und Landesbibliothek den Nachlaß Ödön von Horváths erwerben. Eine Sensation. Der genaue Blick auf diesen, wie ihn der besonders schöne profile-Band Klaus Kastbergers dokumentiert, zerstört Klischees: In den Skizzen, Vorstufen, Arbeitsphasen wird deutlich, dass Horváth keineswegs der "einfache", bloß auf Reden im Berliner Bierlokal Aschinger hinhörende Autor ist.
Hier ist ein neuer Horváth zu entdecken! Nicht nur, weil in einer Vorstufe der Geschichten aus dem Wienerwald München noch eine viel stärkere Rolle spielt. Sondern auch, weil sinnfällig wird, wie klar und auch abstrahierend Horváth arbeitete. Und dann gibt es (...) im profile-Band sehr schön, noch eine weitere Linie: Ödön von Horváth und der Film. Zwischen Filmpalästen, Filmplakaten, Filmbesuchen und Notizheften mit eigenen Filmprojekten - da entschwebt Ödön von Horváth endgültig: nicht nur in die Probleme der Gegenwart (wie schon in der schön fremden Marthaler-Deutung), sondern auch in den Äther. In ein flirrendes Licht, das überhaupt nicht mehr bayrisch und noch weniger österreichisch ist.

Paul Jandl
Neue Zürcher Zeitung vom 19.10.2001:

Die vom Österreichischen Literaturarchiv herausgegebene Reihe "Profile" geht der Künstlichkeit von Horváths Menschennaturen nach, sie liefert im Band "Ödön von Horváth. Unendliche Dummheit - dumme Unendlichkeit" wichtige Befunde zu einem Werk, das längst noch nicht ausgelotet ist. Mit den Grundlagen der Psychoanalyse wird Horváths dramatisches Personal konfrontiert, die Pointenlosigkeit der Kurzgeschichten wird ebenso untersucht wie der verräterische Ort der Horváth'schen Kunstsprache. Wenn sich das Unbewusste ins Bewusstsein mischt, setzt Horváth Zäsuren, in denen die dunklen Seelen seiner Stücke kenntlich werden: Die Suada des Spiessers gerät ins Stocken. - Ein Dossier über Ödön von Horváths Verhältnis zum Film, bei dem er sich als Drehbuchschreiber verdingte, ergänzt die photographisch hervorragend illustrierten "Profile".

Engelbert Washietl
Wirtschaftsblatt (Wien) vom 19.10.2001:

In "Profile" des Zsolnay-Verlags erschienenen "Ödön von Horváth - Unendliche Dummheit - dumme Unendlichkeit" spüren mehrere Autoren der ebenso hintergründigen wie gesellschaftskritischen Sprachgewalt des Autors nach. (...)
Die Literaturwissenschafterin Evelyne Polt-Heinzl widmet sich in dem Buch auch den Querverbindungen zwischen Horváth und dem Film.
Er war mit Paul Hörbiger befreundet und hatte auch literarisch für die aufstrebende Kino-Industrie zu arbeiten versucht. Auch wenn sein Wirken in der Branche insgesamt nur peripher blieb, wie Polt-Heinzl anmerkt, ist das Kapitel aus zeithistorischen Gründen interessant: Es führt von den Kino-Anfängen (Horváth: "Du könntest doch Filmstar werden - mußt nichts reden, nur aussehen") in die nationalsozialistische Ära. Sie trieb Horváth letztlich zur Reise ins Exil - und nach Paris, wo ihn am 1. Juni 1938 das Schicksal in Form eines im Sturm herunterstürzenden Astes ereilte.

Wolfgang Huber-Lang
Austria Presse Agentur vom 3.12.2001:

Kastberger widmet sich den "Revisionen im Wiener Wald" und zeigt anhand der Genese des Stückes nicht nur die Modernität der Arbeitsmethode Horvaths ("ein Monteur, der an seinem Textmaterial herumgeschnitten, es immer wieder neu zusammengeklebt und vielfach überarbeitet hat"), sondern dass das vermeintlich typisch Wienerische der "Geschichten aus dem Wiener Wald" zunächst einmal in der Münchner Schellingstraße angesiedelt war.
Neben drei aus Fotos bestehenden Zwischenkapiteln und einigen germanistischen Untersuchungen (so widmet sich Wendelin Schmidt-Dengler Horvaths Kurzprosa, Johanna Bossinade den Paarbildungen in "Geschichten aus dem Wiener Wald" oder Johann Sonnleitner dem berühmten "Bildungsjargon" bei Horvath) enthält der Band auch ein längeres Dossier von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell über "Horvath und der Film", das als Ausstellungskatalog zu der bis 17. Dezember laufenden Ausstellung in der Österreichischen Nationalbibliothek gedacht ist. Besonders interessant sind jene Beiträge, die sich der Horvath-Rezeption und -Interpretation auf den Bühnen widmen. So belegt etwa Kurt Bartsch, dass die Österreichische Erstaufführung der "Geschichten aus dem Wiener Wald" 1948 am Volkstheater ungleich kritischer aufgenommen wurde als die Berliner Uraufführung 1931, und widmet sich Hajo Kurzenberger einigen der zahlreichen Horvath-Inszenierungen der vergangenen Jahre. So unterschiedlich die Ansätze von Andrea Breth ("Der jüngste Tag"), Andreas Kriegenburg und Christoph Marthaler ("Kasimir und Karoline") sowie Martin Kusej ("Geschichten aus dem Wiener Wald") sind, sie belegen doch eines: Horváth lebt.

Marietta Piekenbrock
Frankfurter Rundschau vom 8.12.2001:

Die gelungenste Horváth-Hommage ist dem Wiener Zsolnay-Verlag geglückt, der eine illustrierte Essaysammlung herausgegeben hat, deren Klugheit sich mit dem schönen Titel tarnt: Ödön von Horváth. Unendliche Dummheit - dumme Unendlichkeit.

SIM - Special Interest Magazines (Wien), Heft 4/Dezember 2001:
Unerlässlich für Horváth-Liebhaber!

BUCHKULTUR (Wien), Nr. 77 vom Dezember 2001:
Einen anderen Zugang bietet der von Klaus Kastberger herausgegebene Band Ödön von Horváth. Erschienen ist er in der Reihe Profile, dem Magazin des Österreichischen Literaturarchivs. Die einzelnen Beiträge beschäftigen sich fundiert und kompetent mit der Verortung Horváths (erfrischend originell ist dazu Helmuth Lethens Beitrag über Horváths Biotope), seiner Arbeitsweise, den Problemen einer Horváth-Edition, seiner sprachlichen Produktion sowie einzelner Motive. Weitere Themen beschäftigen sich mit der Wirkung von Horváths Dramen nach 1945 und seinem noch wenig erforschten Verhältnis zum Film. Für eine weitere Auseinandersetzung mit Horváth bietet dieser Band sicher zahlreiche Anregungen.

Falter (Wien), Nr. 50/2001:
Der im Rahmen der Schriftenreihe des Österreichischen Literaturarchivs und infolge eines Symposiums erschienene Band versammelt u.a. eine detaillierte Analyse zur Entstehungsgeschichte der "Geschichten aus dem Wiener Wald" (Klaus Kastberger) (...) Das reihhaltig illustrierte Buch enthält auch den Katalog zur Ausstellung "Geborgte Leben".


 

Wien-Berlin
Mit einem Dossier zu Stefan Großmann.

Paul Jandl
Neue Zürcher Zeitung vom 24.07.2001:

Den Triumph der Grossstadt über die zur Provinz herabgewirtschaftete Metropole beschreibt der Band "Wien-Berlin", der die Reihe "Profile" des Österreichischen Literaturarchivs fortsetzt. Die "Profile" setzen mit erfrischender Leichtigkeit dort an, wo sich archivarisches Material wieder zu Lebensumständen verdichtet. So würdigt "Wien-Berlin" die Protagonisten einer Epoche als Reisende in Sachen eigener Kunst und zwischen zwei Orten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können.

Michael Rohrwasser
Literaturhaus Wien (buchmagazin online) am 30.07.2001:

Der Band, der nun in der Reihe PROFILE des österreichischen Literaturarchivs erschienen ist - herausgegeben von Bernhard Fetz und Hermann Schlösser - widmet sich in umfassendem wie ausführlichem Sinn einzelnen Episoden dieser Bilder-Geschichte und den subtilen Relationen dieser Städtebilder (...) Er umfaßt zehn Aufsätze zu Feuilleton, Literatur, Theater, Film, Werbung, Karl Kraus, Vicki Baum, Gina Kaus, Robert Müller, Arnold Schönberg, Hanns Eisler u.a., dazu ein spannendes "Dossier" zu Stefan Großmann, bestehend aus vier Aufsätzen und bislang unveröffentlichten Briefen an den Meister, und schließlich vier "poetische" Blicke auf die alten/neuen Metropolen. (..:) Die Beiträge sind spannend, intelligent und stilsicher. Der Band enthält außerdem eine Reihe von Dokumenten und Photographien, die sich nicht auf das Bekannte und Erwartbare beschränken (verblüffend: Gerhart Hauptmann in die Betrachtung von Stefan Großmanns Tochter versunken, die am Strand von Rapallo einen Handstand einübt).

Bert Rebhandl
Der Standard (Wien) vom 14.04.2001 (Album):

Besonders verdienstvoll aber ist, dass die Profile an Stefan Großmann erinnern (...) in Berlin gehörte er in den Zwanzigerjahren zur besten Gesellschaft, wie ein Bild von der Feier seines 50. Geburtstags im Hotel Adlon beweist. Seine Zeitschrift Tage-Buch galt als der Weltbühne gleichrangig (...)

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.05.2001:
Der von Bernhard Fetz und Hermann Schlösser herausgegebene Band (...) ist dort am interessantesten, wo es nicht um die sogenannte Achse Wien-Berlin, sondern um die damit verbundenen Klischees geht.


 

126, Westbourne Terrace
Erich Fried im Londoner Exil (1938-1945).

Richard Reichensperger
Der Standard (Wien) vom 12.5.2001 (Album):
Als der 1921 geborene und am Alsergrund aufgewachsene Erich Fried am 4.8.1938 gerade noch nach England fliehen konnte ("Emigrant klingt mir zu freiwillig. Ich bin Flüchtling."), da gab er bei seiner Registrierung beim "Jewish Refugees Committee" (JRC) als Berufswunsch an: "deutscher Dichter". Das war nicht nur eine Provokation: Kultur in deutscher Sprache war für diejenigen, die in ihr eine, nun geraubte, Identität ausgebildet hatten, rettend. Ein von Volker Kaukoreit und Jörg Thunecke herausgegebener Band arbeitet das kulturelle Umfeld im Emigranten-London heraus, fokussiert auf Frieds erstaunlich frühe Verbindung von politisch-praktischer und dichterischer Aktivität.

Beatrix Müller-Kampel
Zwischenwelt (Wien), 18. Jg., Nr. 3, Doppelheft Oktober 2001:

En détail läßt sich die private, politische, journalistische und poetologische Biographie des jugendlichen Emigranten (...) rekonstruieren: (...)
Die Beiträge sind sachlich, material- bzw. kenntnisreich und ohne ideologische Schieflagen gearbeitet. (...) An autobiographischen und dichterischen Dokumenten aus der Exilzeit bieten die Herausgeber bislang ungedruckte Gedichte, Tagebuchnotizen und Briefe aus dem Nachlaß Frieds im Österreichischen Literaturarchiv. (...)
Die detailreiche Kommentierung der Texte erlaubt eine umfassende politik-, exil- und alltagsgeschichtliche Kontextualisierung. (...) Schlaglichtartig beleuchten die Texte die familiäre und berufliche Situation des Vertriebenen; seine vielfältigen kulturellen und organisatorischen Aktivitäten in Emigrantenzirkeln; die Rettungsversuche Gefährdeter in Hitlerdeutschland (u.a. mit dem gefälschten Briefkopf eines nicht existierenden Lords); Freunde, Genossen und Dichterkollegen; das politische Selbstverständnis des kritischen Kommunisten; nicht zuletzt die erotischen Verwirrungen des knapp Zwanzigjährigen, der in all seinem seelischen, existentiell bedrohlichen Elend auch wohl zur Arznei der Selbstironie greift. Tagebuch und Brief sind ihm nicht nur Medium der politischen, erotischen und moralischen Selbstvergewisserung, sondern auch Deponie von Alltagskram. (...)
Als Lesebuch mit biographisch-exilgeschichtlichem Unterbau ist der Text- und Materialienband überaus ergiebig.


 

Ein treuer Ketzer
Manès Sperber - der Schriftsteller als Ideologe.

Christiane Zintzen
Neue Zürcher Zeitung vom 1.11.2000:

Nach Bänden über Werkgenese und Handschrift, nach Monographien über Otto Basil, Hilde Spiel und über die Nachkriegs-Avantgarde legt das Österreichische Literaturarchiv nun in der Reihe "Profile" ein ‚compte rendu' zu Manès Sperber vor. (...)
Dass mit Sperbers Spuren die komplexen Fährten wendungsreicher Zeitgeschichten aufzunehmen sind, profilieren die sechs Beiträge zu Leben und Werk.
Sperber, im galizischen Städchen Zablotow nach chassidischer Tradition erzogen, widerfuhr früh jenes Schicksal von Vertreibung und Flucht, welches für das 20. Jahrhundert so charakteristisch werden sollte: Aus der Kampfzone heranrückender Fronten rettete sich die Familie 1916 in die Haupt- und Residenzstadt Wien, welche sich - von der ärmlichen Leopoldstädter "Mazzesinsel" aus - freilich wenig glanzvoll ausnahm. Kreise linker Jungzionisten entflammten den Heranwachsenden für sozialpolitische Agenden. Alfred Adlers individualpsychologische Vorträge leisteten ein Übriges. 1921 brillierte der kaum Sechzehnjährige mit einem ersten Referat: nicht zufällig über "Die Psychologie des Revolutionärs". (...)
1933 als "Literat der Kommune" kurzfristig von den Nazis inhaftiert, floh Sperber über Wien, Prag und Zagreb ins Pariser Exil.
Der kommunistischen Illusion ein schmerzhaftes Fanal, wurden die Moskauer Schauprozesse zum Schibboleth der Bewegung: Als Sperber 1937 die Partei verließ, trug er als Schmuggelware jenes Manuskript Arthur Koestlers bei sich, welches als "Sonnenfinsternis" die europäische Intelligenz aufstören sollte. Dass Sperber in Literatur und Leben, speziell jedoch in seinem umfangreichen essayistischen Werk, fortan als konsequenter Antikommunist auftrat, trug ihm, wie Wendelin Schmidt-Dengler pointiert, nicht wenig "Lob von der falschen Seite" zu und ein. (...)
Erhebt sich unwillkürlich die Frage, wie der als "Doppelzüngler" und "Renegat" Denunzierte wohl das Syndrom der "Wendehälse" nach 89 kommentiert hätte, so werfen auch die archivalisch tief geschürften "Profile" mehr produktive Fragen auf, als sie zu kommoder Zufriedenheit lösen.

Thierry Elsen
read!! (Wien) vom November 2000:

Es geht vielmehr um die Person und Figur Sperber, mit all ihren Widersprüchen. So arbeitet die Mitherausgeberin des Bandes Mirjana Stancic die Biografie des Autors auf und bietet auch 'absolute beginners' einen schnellen Zugang zur Person Sperber. Der zweite Mitherausgeber dieser Aufsatzsammlung, Wilhelm Hemecker, bearbeitet das Verhältnis Freud - Adler - Sperber im Spannungsfeld Psychoanalyse (Freud), Individualpsychologie (Adler) und dialektisch-materialistische Psychologie (Sperber). Genau in diesem Themenkomplex wird das letzte wissenschaftliche Wort sicher noch nicht gesprochen worden sein. Nicht weniger von Interesse sind beispielsweise die Aufsätze von Michael Rohrwasser und Klaus Amann. Erster behandelt das Spannungsverhältnis zwischen Sperber und dem Kommunismus. Zuerst glühender Anhänger, dann Renegat und Kritiker. Rohrwasser arbeitet bravourös heraus, wie Sperber in seinem Lebensrückblick die Parteimitgliedschaft zu relativieren und zu glätten versucht. Indem er seine eigene Rolle zu minimieren sucht und auf andere GenossInnen ablenkt, zeigt sich welch braver Parteisoldat er gewesen sein muß. (in Klammern sei bemerkt, daß diese Taktik in der Tagespolitik von einigen selbst ernannten Saubermännern und Sauberfrauen bis zum Exzeß betrieben wird.) Amann analysiert die Dankesrede von Sperber, nach der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels 1983 in Frankfurt. Die Rede war ein Affront gegen die Friedensbewegung und irritierte vor allem die Intelligenz der Bundesrepublik.
Abgerundet wird der Band einerseits durch die zahlreichen Illustrationen, aber auch durch Briefe aus dem Nachlaß. (Briefe von Albert Camus, André Malraux, Upton Sinclair u.a.). Andererseits sind natürlich auch der Beitrag von Siegfried Lenz zu nennen (eine erweiterte Fassung der Laudatio auf Manès Sperber zur Verleihung des oben angesprochenen Preises) und das bereits erwähnte Gedicht von Robert Schindel, das mehr als eine Einleitung darstellt. Robert Schindel und Manès Sperber verbinden nicht nur ähnliche Lebensentwürfe. Nein, das Gedicht könnte als Konnex zwischen Sperber in der (politischen) Gegenwart verstanden werden.

Egon Schwarz
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16.2.2001:

Das Magazin "Profile" des Österreichischen Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek pflegt literarische Themen auf hohem Niveau darzustellen. Das vorliegende Heft ist Manès Sperber gewidmet, den die Einleitung einen "Románcier, Autobiographen, Essayisten, Philosophen, Soziologen, Individualpsychologen, Religionskritiker und Philologen" nennt. Der Nachdruck in diesem Band liegt aber auf den verschlungenen Pfaden des Psychologen, auf seinen weltanschaulichen Wandlungen und den Kontroversen, die sich um Sperber als Gestalt des öffentlichen Kulturlebens entspannen. Zahlreiche Fotografien Sperbers aus verschiedenen Lebensphasen und Personen seines Umkreises sowie Ablichtungen von Dokumenten steuern visuelles Anschauungsmaterial zu einer Biographie bei, die vom ostjüdischen Stetl über Wien, Berlin, die Schweiz nach Paris führt, wo er die letzten vierzig Jahre gelebt hat und 1984 gestorben ist. Den Band beschließt ein Anhang von Briefen namhafter Zeitgenossen an Sperber, in denen deutlicher als in den vorangehenden wissenschaftlichen Aufsätzen eine vergangene literarische Welt aufleuchtet, voll vom Gespinst wechselseitiger Beziehungen, Erinnerungen und Querverbindungen.


Von der ersten zur letzten Hand
Theorie und Praxis der literarischen Edition.

Anke Bosse
IASL ONLINE vom 11.12.2001:

Die publikumswirksame Darbietung - begrenzter Beitragsumfang, reichhaltige Illustrationen - kommt den Zielsetzungen des Sammelbands fraglos zugute:
  • Über das Fachpublikum hinaus wird auf diese Weise ein größerer Interessentenkreis angesprochen.
  • Es wird ein Überblick über die editorischen Leistungen der österreichischen Literaturarchive und der österreichischen Germanistik seit fast 200 Jahren geboten (Fetz / Kastberger, S. 6), und zwar in Form einer "kritische[n] Sichtung des Vorliegenden", einer "Beschreibung des Status quo" und einer "Präsentation von Projekten" (Wendelin Schmidt-Dengler, S. 7).
  • Es soll explizit kein "Rechenschaftsbericht" oder eine "Leistungsschau" (ebd.) vorlegt werden. Aber es geht durchaus darum, die noch anstehenden Aufgaben zu umreißen: also darum, auch die jüngere Forschergeneration für das Edieren zu gewinnen und damit Kontinuität zu sichern (S. 8), darum, die in diesem Band erstmals dokumentierte Koordination zwischen Archiven, Handschriftensammlungen und Lehrenden an Universitäten in Zukunft zu verstärken (S. 10) und darum, insbesondere die (ökonomische) Förderung editorischer Unternehmungen auch in Hinkunft zu intensivieren (ebd.).
Dem breiten Publikum, vor allem aber den für Förderung Verantwortlichen gegenüber kann gar nicht oft genug betont werden, was Wendelin Schmidt-Dengler eingangs zu bedenken gibt:
Die Befassung mit Ausgaben hat immer Konjunktur, denn Bedarf für sie gibt es weit über die Fachgrenzen hinaus, und nirgends lassen sich die Standards im Umgang mit der literarischen Tradition eines Landes so deutlich und genau bestimmen wie durch das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein fachmännisch besorgter Editionen von Werken namhafter Autorinnen und Autoren. (S. 7)
Wie der vorliegende Band zeigt: In Österreich hat man hier Beachtliches geleistet. Doch sind Editoren wie fördernde Institutionen und Personen weiterhin in der Verantwortung, wenn man sich vor Augen hält, was projektiert ist bzw. noch ganz aussteht.

Bodo Plachta
editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft, Nr. 15, 2001:

Seit seiner Gründung im Jahre 1996 hat das Österreichische Literaturarchiv in beeindruckender Weise die Diskussion unter österreichischen Editoren vorangebracht. Mit dem Magazin Profile (s. editio 12, 1998, S. 199f.) und einer eigenen Buchreihe hat das Archiv zwei wichtige, hervorragend ausgestattete und mit zahlreichen (vielfach farbigen) Faksimiles versehene Publikationsreihen zur Verfügung, die nicht ausschließlich für die Fachwissenschaft gedacht sind, sondern durchaus in der Lage sind, eine breitere Öffentlichkeit anzusprechen und damit auch Nicht-Fachleute an editorische Arbeit heranzuführen. Gleichzeitig wird den österreichischen Editoren ein Forum gegeben, in dem sie ihre Arbeitsergebnisse präsentieren und zur Diskussion stellen können. (...)
Insgesamt ist mit diesem Band ein wichtiger Einblick in die lebendige und vielfältige Editionslandschaft Österreichs gelungen, so daß zu hoffen bleibt, daß sich diese Editionen in Zukunft noch stärker als bisher an der editorischen Diskussion beteiligen werden.


Die Österreichische Literatur seit 1945
Eine Annäherung in Bildern.

Die Presse (Wien) vom 12.9.2000:
Die Herausgeber, Volker Kaukoreit und Kristina Pfoser, bieten ein vollständiges literarisches Familienbild. Reproduziert sind die Urkunde, mit der Bert Brecht 1950 in Salzburg die Verleihung der Staatsbürgerschaft bestätigt wurde, und Künstler-Rumor wie die Wiener Gruppe, der Hörsaal-1-Skandal, die Arena sowie eine Frankfurter Demonstration mit Jean Améry und Erich Fried. Fast jede, jeder Schreibende über fünfzig findet sich mit einem Photo aus frühen Jahren verewigt - Jandl und Mayröcker knapp über dreißig Jahre alt! Reinhard Priessnitz sitzt über seinen Schachfiguren, Hilde Spiel wird von Alexander Lernet-Holenia geküßt, Peter von Tramin posiert als Herrenreiter vor dem Spiegel, Heinz R. Unger, Wilhelm Pevny, Peter Turrini lesen beim "Volksstimme"-Fest, Christoph Ransmayr steht mit Reinhold Messner auf dem Ortler, Robert Menasse und Peter Rosei wählten in Prag eine Statue des Heiligen Nepomuk als Hintergrund.

Neue Zeit (Graz) vom 6.10.2000:
Das unermesslich reiche Bildmaterial (versehen mit knappen, höchst informativen Texten) bringt einem nicht nur Gesichter, Körpersprache, sondern auch Stimmungen nahe, Werdegänge, Karrieren. Man beginnt zu blättern, schaut und schaut, erinnert sich oder wird erinnert an Anfänge, Aufbrüche, kurz, an aufregende, bewegte Zeiten der österreichischen Literatur.

Alexander Glück
Wiener Zeitung vom 20./21.10.2000:

In jedem Fall ist auch dem, der dem Thema neu gegenübersteht, die Berührungsangst genommen. Man schlägt das Buch auf und ist plötzlich mitten im Geschehen.
Die verschiedenen Kapitel sind durch wertvolle Indizes ergänzt. Die Beiträger werden ebenso aufgeführt wie die im Buch vorkommenden Personen; bio-bibliographische Hinweise zu wichtigen Autoren stammen von Peter Stuiber und machen das Buch zugleich zu einem brauchbaren Personenlexikon zum Thema. Zur Einstimmung tragen neben einer interessanten Vorbemerkung auch einige doppelseitige Fotos sowie 17 exemplarische Zitate zum Thema bei.

Stefan Faustmann
Neue Zeitung (Budapest) vom 27.10.2000:

Was erwartet unseren Leser? Kann er seiner Neugier freien Lauf lassen? Ja, in jedem Fall! Herausgeber und Beiträger geben ihm viel, viel mehr als lediglich das eine oder andere Erhoffte, sie schöpfen aus dem Vollen sicherer Sachkenntnis und bieten Annäherung an die lebendige Literatur der Gegenwart seit 1945 und die acht Literaturlandsschaften Österreichs. So, wie sie uns in Text und Bild nahegebracht werden, blieben sie uns weitgehend fremd. Denn sie unterscheiden sich von den kühlen Literaturgeschichten in Aufbau, Sprache und Gestaltung. (...) Das literarische Leben in seiner Vielheit und Widersprüchlichkeit wird vermittelt, nicht das scheinheiliger Einheitlichkeit, aus der kaum literarisch Wertvolles erwächst. Dazu tragen die 840 Abbildungen bei, die Lebendigkeit und Aufgeschlossenheit erahnen lassen. Weit über hundert Autor(innen) lernt man so kennen, ohne ihnen unmittelbar persönlich zu begegnen. Ungarndeutsche Autoren finden in dem Band zahlreiche Anregungen. Das ist alles in allem wahrlich Annäherung!

Christiane Zintzen
Neue Zürcher Zeitung vom 4.11.2000:

In der Tat kommen in dem bei Reclam erschienenen Band, welcher in schön chronologischer Folge die österreichischen Schriftstellerinnen und Dichter, Poetinnen und Essayisten, Theaterpranken und Szene-Regenten 'in effigie' auftreten läßt, die höchsten wie die niedrigsten Wissbegierden und Schaulüste reichlich auf ihre jeweiligen Kosten.
Konzise Überblicksdarstellungen ausgewiesener Akademiker und Literaturarchivare schreiten den österreichischen Sonderweg der deutschsprachigen Literatur ab, ohne diesen - wie in Literaturgeschichten oft üblich - zur 'via regia' zu begradigen. Den schlammigen Zonen, etwa derjenigen der sonderbaren Kontinuität, mit welcher die literarischen Protagonisten der "Ostmark" nach 1945 ihre Agenden wieder aufnahmen (...), bleiben ebenso unberücksichtigt wie die exterritoriale Welt der österreichischen Schriftsteller im Exil, welchen die Republik auch nach dem Krieg nicht gerade den roten Teppich zur Rückkehr ausrollte (...). Schön föderalistisch schreitet man die literarischen Regionalgeschichten der einzelnen Bundesländer ab, wobei das Résumé der literarischen Produktivität eines Landstrichs stets im Konnex zur kulturpolitischen und institutionellen Infrastruktur gezogen wird: Wie jeder Stoffwechsel bedarf auch das literarische Leben der Nahrung durch finanzielle Förderung, der Pflege durch Verlage und Zeitschriften, des Lebens-Raumes durch Schriftstellervereinigungen und Literaturhäuser. So spiegelt etwa die Liste der Trägerinnen und Träger des österreichischen Staatspreises für Literatur getreulich den Wechsel der kulturpolitisch dominierenden Ideologien der Zweiten Republik: Von der Nobilitierung ehemals völkischer Kräfte wie Rudolf Henz (1953), Max Mell (1954) und Franz Karl Ginzkey (1957) bis hin zur Anerkennung der Avantgarde durch die Auszeichnung etwa H. C. Artmanns (1974), Friederike Mayröckers (1982) und Ernst Jandls (1984) während und nach der Kreisky-Ära. Sie alle finden sich abkonterfeit, oftmals in vielen Versionen über die Jahre hinweg, und es darf das Auge in dem unendlichen Reichtum des Menschlichen, Allzumenschlichen im Literarischen sich betrinken.

Eva Menasse
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.11.2000:

Hier findet man keine gestylten, sorgfältig ausgeleuchteten Fotos von Autoren, wie sie in letzter Zeit üblich geworden sind, da auch Schriftsteller nicht mehr davor zurückschrecken, Reporter für "home-stories" in ihr Haus zu lassen. Dies ist im Gegenteil ein Band voller Schnappschüsse. Wunderbar etwa jener, auf dem Gerhard Rühm und Oswald Wiener der jungen Friederike Mayröcker von beiden Seiten am Hals hängen (...). Doch das Schönste an diesem Band ist die großzügige demokratische Vollständigkeit. Nicht nur werden die literarischen Regionen nach Bundesländern untersucht, nicht nur wurden alle wichtigen Literaturzeitschriften und Vereinigungen wie das Forum Stadtpark und die Grazer Autorenversammlung im Bild dokumentiert. Alle größeren Skandale der jüngeren Literaturgeschichte sind hier einmütig vereint, die Faksimiles der tobsüchtigen Boulevard-Schlagzeilen nach dem aktionistischen "Sit-In" an der Wiener Universität im Juni 1968 ("Ins Gefängnis mit den obszönen Rowdies") ebenso wie das schöne Bild, auf dem sich Thomas Bernhard und Claus Peymann nach der Premiere von "Heldenplatz" vor dem Burgtheater-Publikum verbeugen. (...) eine Fundgrube für alle an der österreichischen Literatur Interessierten.

Matthias Richter
Norddeutscher Rundfunk, Hannover, Radio 3, 14.12.2000:

Der Band ist als Ergänzung zu den Texten der Autoren ein unbedingtes Muss - und man fragt sich, warum es so etwas nicht schon längst für die deutsche Literatur nach dem Krieg gibt, jenem kleinen Rest außerhalb Österreichs also.

Eva Schobel
Süddeutsche Zeitung (München) vom 16./17.12.2000:

Eingebettet in eine chronologische Grundstruktur, entfaltet sich das literarische Leben Österreichs nach 1945 personell, thematisch und geographisch im Neben- und Gegeneinander konkurrierender Strömungen. Prägnante Bild-Kommentare und signifikante Textzitate werden durch Kurzessays ergänzt, die der Entwicklung der österreichischen Literatur nicht nur in Längsschnitten folgen, sondern auch die Spezifika einzelner Regionen und Formationen, etwa der "Wiener Gruppe" und des "Grazer Forum Stadtpark", hervorheben.

Brigitte Schwens-Harrant
SCHRIFT[zeichen] (Wien), Heft 4, 2000:

Die Herausgeber haben es tatsächlich geschafft, in über 800 Fotos Einblicke in die Geschichte der österreichischen Nachkriegsliteratur zu vermitteln, die vielschichtig, sachlich und persönlich, interessant und amüsant sind. Essays und Bild-Kommentare ergänzen das durchaus geglückte Unternehmen. Die Fotos erzählen Geschichten von Kontinuitäten und Brüchen, präsentieren Persönlichkeiten und rollenträger, geben Einblicke in Kulturpolitik und -kämpfe, bis ins Jahr 1999 reichen. Ein geeignetes Geschenkbuch für Liebhaber der österreichischen Literatur - auch für jene, die sonst nicht immer "hinter den Autoren her sind".

Manfred Chobot
Buchkultur (Wien), Heft 70, 2000:

Das Buch ist ebenso von Interesse für jemanden, der mit der österreichischen Literatur vertraut ist, denn es gibt eine Menge unbekannter Fotos zu entdecken: "Schau, das ist doch der Soundso und die Dings." Andererseits bietet es dem "Einsteiger" eine Vielzahl von Anregungen, sich näher auf die österreichische Literatur einzulassen, gar eines der erwähnten Bücher zu lesen, um die Literatur eines Autors und einer Autorin mit dem Gesicht in Einklang zu bringen. [...] Wiewohl subjektive Geschmäcker erkennbar sind, ist es Kaukoreit und Pfoser gelungen, ein Familienalbum der österreichischen Literatur zusammenzustellen mit all den Vätern und Müttern, Onkeln und Tanten, Kindern und Kegeln. Fazit: Schwelgerisch und üppig illustriert, blättert man immer wieder gerne in diesem Bildband.

(WONNE)
Sax. Das Dresdner Stadtmagazin, 01/2001:

Ein wunderbarer und prachtvoller Bildband.

Martina Lainer
bn.bibliotheksnachrichten (Salzburg), 02/2001:

Dieser Band zur österreichischen Gegenwartsliteratur kann nur wärmstens empfohlen werden, und zwar öffentlichen Bibliotheken wie Schulbibliotheken mit Oberstufe.

Georg Pichler
Bücherschau (Wien), 02/2001:

Insgesamt (...) ein schwer zu übertreffender Materialienband zur österreichischen Gegenwartsliteratur, der es möglich macht, anhand von Bildern Zusammenhänge und Grundlagen der literarischen Produktion unseres Landes besser kennenzulernen.

Ulrich Weinzierl
Die Welt (Hamburg), 24.02.2001:

Dass Österreich eine Nation mit hoher Dichterdichte war und ist, gilt als Binsenweisheit. Wer es - wie im Band (...) - schwarz auf weiß sieht auf 840 Fotos, der gerät trotzdem ins Staunen.

Thomas Rothschild
wespennest (Wien), 122/ März 2001:

Man darf den Wälzer durchaus als (allerdings unhandliches) Handbuch der österreichischen Literatur nach 1945 werten. Sympathisch bei der Darstellung der unmittelbaren Nachkriegszeit ist die adäquate Würdigung der exilierten und meist im Ausland gebliebenen Österreicher. (...)
Zu den Gustostückln gehört ein Bild des sehr jungen Ossi Wiener am Kornett in der legendären "Adebar"; ein heftig gestikulierender Raoul Hausmann bei der Rezitation eines Lautgedichts - allerdings unübersehbar in Paris; der aufmerksam lauschende Albert Paris Gütersloh von links oben ein Dreierporträt, auf dem Gerhard Rühm neben Friederike Mayröcker aussieht wie John Lennon; Hermann Schürrer in charakteristischer Haltung neben Gerhard Jaschke und Werner Herbst; die Wespennest-Mannschaft, damals noch an einem Tisch, zum Himmel blickend (und um eine göttliche Eingebung flehend?); und am allerschönsten: der abgeschnittene, sardonisch lächelnde Robert Jungk am rechten Bildrand, während Reich-Ranicki Hilde Spiel die Hand küsst.

Sabine Vogel
Kunst & Bücher (Wien) vom 03.04.2001:

(...) ein schönes Nachschlagewerk der besonderen Art.

Mathias Mayer
Rheinischer Merkur (Bonn) vom 29.06.2001:

Die Anlage des Bandes ist vielseitig und dadurch anregend, der Leser wird nicht gegängelt, sondern zu Streifzügen eingeladen, die ihn aber nicht ins Unübersichtliche abgleiten und ertrinken lassen . (...)
Im Wechsel zwischen privatem Schnappschuss und öffentlichem Fototermin, zwischen Gruppenbild und Porträt, Umschlagfoto und Bühnenbild zeigt sich die österreichische Literatur gleichsam praxisnah, keineswegs auf Sockel oder Preisverleihungen reduziert, so erheblich ihre Rolle in diesen fünfzig Jahren ist. Weitere Kapitelgruppen zu den Literaturlandschaften der einzelnen Länder - von Vorarlberg bis zum Burgenland - differenzieren das Spektrum aus und betreiben vorzüglich auch die Pflege weniger bekannter Autoren. Hinzu kommen knappe, gut lesbare, mitunter kritische Essays - zur Wiener Gruppe, zum Forum Stadtpark, dem Bachmann-Literaturwettbewerb -, sodass sich ein rundum reichhaltiges Bild aus vielen Bildern ergibt. Unbekannte Materialien und bibliografische Angaben zu allen abgebildeten Autoren belegen die Originalität und Solidität des Unternehmens. Zäsuren und Kontinuitäten eines halben Jahrhunderts Literaturgeschichte werden sichtbar. Doch wer sich den bilderlosen Über-Blick verschaffen will, der lese Wendelin Schmidt-Denglers kluge, gut geschriebene und höchst kenntnisreiche Einleitung zum vorliegenden Band, dem man weite Verbreitung wünscht.

Irmtraud Letzner
Bücher Bord (Graz) vom August 2001 (Nr. 3):

"Bio-bibliographische Hinweise" über die wichtigsten Autoren sowie ein Personenregister runden den Band ab, der von Behutsamkeit, Fingerspitzengefühl und Sachkompetenz der Mitarbeiter zeugt. Brandstetters Zitat "Schriftsteller in Österreich, das ist gerade so wie Strohhuterzeuger in Lappland" (S 14) gibt einen Hinweis darauf, wie anregend, herausfordernd und amüsant das Schmökern in diesem Band sein kann.

Sabine Harenberg
literaturkritik.de (Marburg) vom April 2001:

Alle literaturbegeisterten und an Hintergründen und Zusammenhängen interessierten Leser können in dieser Fülle ihrer Neugierde freien Lauf lassen und Antworten finden - nicht nur auf die sich trotz aller postmodernen Thesen vom ‚Tod des Autors' bei jeder Lektüre neu stellenden Frage: Wer spricht?

Wolfgang Hackl
Mitteilungen aus dem Brenner-Archiv (Innsbruck), Nr. 20/2001, S. 194:

Die eigentliche Leistung des Buches sind die vielen Bilder und die teils knappen, teils ausführlichen, immer aber informativen und erhellenden Bildunterschriften oder Zitate. Dabei vermittelt das Buch nicht nur Atmosphäre, es erlaubt tatsächlich eine spannende Annäherung an die österreichische Literatur, wenn man das erste gemeinsame Bild von Friederike Mayröcker und Ernst Jandl (bei den "Österreichischen Jugendkulturwochen" in Innsbruck 1954) betrachtet und mit den vielen späteren Bildern vergleichen kann, wenn man Robert Menasses Entwicklung vom Mitbegründer einer Literarischen Wandzeitung und Arena-Besetzer bis zum Festredner bei der Frankfurter Buchmesse und (selbstironisch?) als Säulenheiligen der österreichischen Literatur verfolgen kann. Erstaunliche Konstellationen zeigen sich, die Veränderungen in der Inszenierung von Literaturfesten und Preisverleihungen, wir erleben Autorinnen und Autoren privat, im Kaffeehaus, in heftiger Diskussion, bei Demonstrationen und Aktionen, die einen international, andere im Provinzsumpf. Doch nicht nur die Personen, auch viele Faksimiles illustrieren die Vielfalt und Heterogenität der österreichischen Literatur. Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die herausragende Rolle, die den literarischen Zeitschriften mit Recht zugesprochen wird und die ermessen läßt, wie beschämend es ist, dass Tirol nach Inn, Gegenwart und Fenster derzeit als einziges Bundesland Österreichs über keine Literaturzeitschrift verfügt.

Gerald Stieg
Germanistik. Internationales Referateorgan mit bibliographischen Hinweisen (Tübingen), Bd. 43 (2002) Heft 1/2:

(...) unter der Hand ist das Buch auch eine Zitatanthologie. Das Kaleidoskopische, das dem Ganzen trotz der informativen Begleitartikel anhaftet, hat eine äußerst produktive Seite: Es konfrontiert den Leser mit den merkwüridgsten Konstellationen: Manès Sperber und Rudolf Henz, Elias Canetti und Franz Nabl, Bruno Kreisky und Peter Handke, Christoph Ransmayr und Reinhold Messern auf einem Gipfel, ein Küßchen zwischen Hilde Spiel und Alexander Lernet- Holenia.


Schluß mit dem Abendland!
Der lange Atem der österreichischen Avantgarde.

Thomas Stangl
Literatur und Kritik (Salzburg)
zitiert nach Rezensionen online, 2002:

Der fünfte Band der Reihe "Profile" des Österreichischen Literaturarchivs befaßt sich unter dem zurückhaltenden, von Oswald Wiener entlehnten Titel "Schluß mit dem Abendland" mit der österreichischen Avantgardeliteratur, beziehungsweise, da man sich hier begriffsgemäß an den Gattungsgrenzen und über sie hinaus bewegt, mit der künstlerischen Avantgarde in Österreich.
In der spezifischen, vielbeschriebenen Situation der österreichischen Nachkriegszeit kristalisierten in der Wiener Gruppe auf engstem Raum verschiedene im Grunde heterogene Strömungen der Moderne; als "die ungeheuerliche Erscheinung", so Wiener, "daß gewisse Gedanken der Fünfziger Jahre heute zu Personen geworden sind, ist sie, verspätete Avantgarde und zugleich schon Neoavantgarde, im Rückblick von einer Aura des Ursprünglichen umgeben: der eine Punkt, von dem aus sich ein weites Feld von Verbindungslinien und Brüchen öffnet.
In Begriffen wie "Historische Avantgarde" oder "Neoavantgarde" liegt eine innere Ambivalenz; der Anspruch, um den es gehen sollte, ist zugleich schon dementiert; das Scheitern erscheint vorausgesetzt, ohne daß die derart eingeordnete Kunst erst noch gelesen und analysiert werden müßte. Mit dieser Ambivalenz hat sich jede Reflexion avantgardistischer Bewegungen auseinanderzusetzen; ein Begriff, der scheinbar von einem linearen Fortschritts- und Zeitverständnis abhängt, ist gerade innerhalb eines solchen Verständnisses am wenigsten zu fassen. Eher muß es darum gehen, die Ambivalenzen und Paradoxien herauszuschälen, die schon im avantgardistischen Kunstwerk unter dem Pathos der Rückhaltlosigkeit verborgen sind.
In den Aufsätzen des Bandes werden auf diese Art historische, symbolische, poetologische, erkenntnistheoretische Schaltkreise geschlossen, Gegenatzpaare und Konstellationen erarbeitet.

Paul Jandl
Neue Zürcher Zeitung vom 10.8.2000:

"Schluss mit der Wirklichkeit!" war eine Forderung Oswald Wieners, "Schluss mit dem Abendland!" nennt sich ein äußerst verdienstvoller Band, der, fast vierzig Jahre danach, noch einmal festhält, was war und was bleibt."


Reinschrift des Lebens
Friederike Mayröckers "Reise durch die Nacht".

Peter Reichenbach
literaturkritik.de (Marburg) im Juni 2001:

Klaus Kastberger legt ein beeindruckend umfangreiches, philologisches Buch vor. (...)
Seine Stärke ist die überzeugende Wissenschaftlichkeit in seinem Vorgehen und seinen Aussagen.

Dirk Göttsche
editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft, Nr. 15, 2001:

Tatsächlich gibt Kastbergers Arbeit einen vorzüglichen Einblick in den literarischen Arbeitsprozeß einer wichtigen deutschsprachigen Gegenwartsautorin, deren sprachreflexives und sprachspielerisches Schreiben eben nicht auf ein kontrolliertes literarisches "Experiment" reduziert werden kann. Auf der Grundlage des im 1988 eingerichteten Friederike-Mayröcker-Archiv in der Handschriftensammlung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek als ‚Nachlaß zu Lebzeiten' vorhandenen Materials rekonstruiert Kastberger in Edition und Kommentar die Genese der Reise durch die Nacht (1984), in der Mayröcker - ausgehend von ihrer Auseinandersetzung mit Leben und Werk Francisco de Goyas - vor dem autobiographischen Hintergrund einer Reise von Paris nach Wien eine "die ganze Existenz umgreifende ‚Lebensreise'" entwirft und reflektiert (S. 106). Die edierten, von der Autorin zur Verfügung gestellten Materialien dokumentieren eine komplexe Entstehungsgeschichte, die in einem mehrstufigen Prozeß der Ausweitung und Reduktion von zwei frühen, separat publizierten Fragmenten (1982) zunächst zu zwei sukzessiven Materialsammlungen läuft, deren Ertrag dann in einer Reinschrift zusammengeführt wird, die über eine bearbeitete Druckvorlage Grundlage der Buchpublikation wird. Kastbergers besonderes Erkenntnisinteresse gilt dem "Umschlag von Textgenese in Textästhetik" (S. 58), d.h. den Rückwirkungen der Textentstehung auf die Textstruktur im Prozeß einer autorspezifischen Schreibarbeit, die zum einen sprachlich-konkret auf das jeweils bereits Entstandene reagiert (also nie creatio ex nihilo ist, S. 70), zum anderen das autoreflexive Nachdenken über die literarische Arbeit in den Text integriert, "die Herstellung von Poesie und ihre Kommentierung" also "in einer unauflösbaren Spiegelung" miteinander verschmilzt (S. 22). (...)
Das Buch gibt in seiner eigentümlichen Verbindung von "Edition und Analyse" einen faszinierenden Einblick in Mayröckers literarische Arbeitsweise und macht diesbezüglich wertvolles Archivmaterial in zuverlässiger Form allgemein zugänglich.


Ernst Fischer
Texte und Materialien.

Ulrich Weinzierl
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.6.2000:

Der Österreicher Ernst Fischer ist erstaunlich viel gewesen: Er war Romantiker und Rebell, er war Poet, Politiker, Publizist und Philosoph. Er war Sozialdemokrat und Stalinist. (...) Als Vordenker und Sprecher eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz aber sollte der späte Ketzer in den Siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts fast zu einer Kultfigur der intellektuellen Linken avancieren.
Für die (...) Schar historisch Denkender ist das sorgsam edierte Buch (...) ebenso anregend wie berührend. Da entdeckt man eine Menge aufschlußreicher, keineswegs unkritischer Analysen von Fischers Wirken (...) Am schönsten freilich wirken die sozusagen privaten Beiträge (...) Nicht minder lesenswert sind die Auszüge aus den sehr herzlichen Briefwechseln mit John Berger und Georg Lukács.

Paul Jandl
Neue Zürcher Zeitung vom 15./16. Juli 2000:

Ernst Fischer, der mit dem vorliegenden Band eine überzeugende Würdigung erfährt, war ein "hegelianischer Humanist" (Terry Eagleton), für den das wahre Remedium unseliger Zeiten unverrückbar feststand: Kunst und Sozialismus.


Sichtungen
Archiv - Bibliothek - Literaturwissenschaft. Bd. 1.

Ulrike Diethardt
Literaturhaus Wien (buchmagazin online) am 15.12.1998:

Mit dem "Internationalen Jahrbuch" des Literaturarchivs ist ein Schritt in Richtung Debatte und Kooperation getan, nicht zuletzt dadurch, daß es das eigene Selbstverständnis offenlegt und damit auch zur Diskussion stellt: dem Archiv geht es nicht um das Anhäufen und Bewahren eifersüchtig gehüteter Schätze, sondern um die aktive Teilnahme am Kulturgeschehen, wie es die hier dokumentierten Veranstaltungen und Publikationen rund um die Ausstellung zu Peter Hammerschlag ebenso zeigen wie die Berichte über Forschungsprojekte des Archivs, die sich den Möglichkeiten österreichweiter und internationaler Vernetzung widmen.

Ralf Georg Bogner
Zeitschrift für Germanistik (Bern u.a.), Neue Folge 2 - 1999:

Neuen germanistischen Fachzeitschriften grundsätzlich mit Skepsis zu begegnen, ist weder unbegründet noch ungerecht. Die Zahl einschlägiger Periodica wächst von Jahr zu Jahr bis hin zur Unüberschaubarkeit, ihre Verfügbarkeit in öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken verringert sich hingegen aufgrund der drastischen Sparmaßnahmen in den Bildungs- und Forschungshaushalten in noch größerem Maße, und häufig erscheint die Einrichtung eines neuen Publikationsorgans nicht eben durch die Qualität der dort abgedruckten Beiträge gerechtfertigt. Im Fall des vorliegenden 1. Bandes des "Jahrbuchs des Österreichischen Literaturarchivs" freilich - dies sei vorweggenommen - werden Vorurteile gegen neue Fachzeitschriften nicht nur nicht bestätigt, sondern sogar gründlich widerlegt. (...)
Das Konzept der Sichtungen besticht, dies zeigt sich vor allem durch seinen ,von einem sorgfältigen Personenregister noch erhöhten, großen Informationswert und hebt sich damit zugleich deutlich von manchen anderen neueren germanistischen Publikationsorganen ab. Die Fülle an Mitteilungen über die Nachlässe österreichischer Autorinnen und Autoren machen diese Zeitschrift zu einem unentbehrlichen, Jahr für Jahr aktualisierten Nachschlagewerk für eine nicht nur am gedruckten Kanon, sondern auch an der Textgenese und an handschriftlich überlieferten Texten aus dem Gebiet der literarischen Gebrauchsformen sowie an weniger bekannten oder weitgehend vergessenen Schriftstellern orientierte literaturwissenschaftliche Forschung.


Handschrift

Martin Zingg
Frankfurter Rundschau online:

In einigen Jahren bereits werden wir es vermissen, das handgeschriebene Manuskript. Denn in Glücksfällen lässt sich am Handgeschriebenen ein Werk bis in seine frühesten Anfänge zurückverfolgen, bis zu den ersten Ansätzen und den Strichen mit denen manches in quälendem Hin und Her verworfen wurde. Es ist ja der fertige Text, der die Entwürfe interessant erscheinen lässt. Spannend wird es, wenn das, was im Prozeß des Schreibens verändert wurde, gegen das Abgeschlossene gehalten werden kann. Handschriften von literarischen Werken können dazu Auskunft geben, und im Zeichen ihres allmählichen Verschwindens werden sie darum stets interessanter.
Der jüngste Band der Reihe "Profile" des Magazins des Österreichischen Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek setzt hier an. Die Ausgabe heißt schlicht "Handschrift", und deren Herausgeber Wilhelm Hemecker versammelt darin eine Reihe von Aufsätzen, welche die Bedeutung und Beschaffenheit von literarischen Manuskripten aus verschiedenen Blickwinkeln untersuchen. Dazu zählt ein Blick in die Handschriftenkunde so gut wie ein Hinweis auf die forensische Handschriftenuntersuchung, der es zunächst um "die Zuordnung einer konkreten Schreibleistung zu einer bestimmten Person" geht. Interessant, wie gesagt, sind Handschriften vor allem dann, wenn sie davon erzählen, wie ein Text entstanden ist. So lässt sich beispielsweise nachvollziehen, wie sich während der Arbeit an seinem Roman "Der Process" die Handschrift von Franz Kafka verändert - das Manuskript verrät die Anstrengung, die ihn diese Arbeit phasenweise gekostet hat. (...)


Hilde Spiel
Weltbürgerin der Literatur.

Ulrich Weinzierl
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15.3.1999:

Hilde Spiels Nachlaß liegt im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek. Dessen Schriftenreihe "Profile" widmet die jüngste Ausgabe zur Gänze ihrem ungemein vielfältigen Schaffen. (...) Mit Fug und Recht lautet der Untertitel des elegant aufgemachten Bandes "Weltbürgerin der Literatur". Als Erzählerin und - gelegentliche - Lyrikerin hat sie Beachtung und Respekt gefunden, als Essayistin wurde sie bewundert und geliebt.


Otto Basil und die Literatur um 1945
Tradition - Kontinuität - Neubeginn.

Renate Langer
bn.bibliotheksnachrichten (Salzburg), 02/1999:

Wie konnte es geschehen, dass eine so wichtige Schlüsselfigur des österreichischen Literaturbetriebs heute fast völlig in Vergessenheit geraten ist? Ein Grund dafür liegt gewiss in Basils Engagement als unbequemer Mahner wider die Verdrängung, der er schließlich selber zum Opfer fiel: Er bewies ein feines Gespür für das Weiterwirken des nationalsozialistischen Ungeists in Österreich.
Es ist sehr erfreulich, dass sich das Österreichische Literaturarchiv nicht im Elfenbeinturm verschanzt, sondern seine Schätze durch Publikationen wie die vorliegende der Öffentlichkeit zugänglich macht.

Paul Jandl
Neue Zürcher Zeitung vom 24.3.1999:

Der Band aus der Reihe "Profile" (...) widmet sich mit vorbildlicher Akribie Dokumenten aus dem Nachlaß des 1983 verstorbenen Otto Basil und geht literaturästhetischen und politischen Debatten nach, die für die Arbeit des autodidaktischen Gelehrten bezeichnend waren. Die schlechte Quellenlage zu Otto Basil, von dessen frühen Texten nicht wenige verschollen sind, mag zu beklagen sein. Ihm selbst jedenfalls widerfährt mit dem Aufsatzband des Österreichischen Literaturarchivs endlich die gehörige Würdigung als Herausgeber, Dichter und "polymorph Intellektueller".


Der literarische Einfall
Über das Entstehen von Texten.

Doris Krumpl
Der Standard (Wien) vom 3.2.1998:

Der kompakte und kluge Band blickt in sieben Themengruppen und anhand von 21 Autoren gewissermaßen "aufklärend" hinter den Mythos des genialen Dichters, der frank und frei fertige Würfe liefert.

Ulrich Weinzierl
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9.2.1998:

In sieben thematisch gegliederten Gruppen dokumentieren die beiden Herausgeber Bernhard Fetz und Klaus Kastberger den kreativen Prozeß - auf der Suche nach einem ernüchternden Geheimnis. "Der erste Satz" als Keimzelle eines ganzen Textes und der "Schreibanlaß: Politik" etwa werden an den Beispielen Albert Drach und Erich Fried überzeugend dargestellt.

Paul Jandl
Neue Zürcher Zeitung vom 14./15.2.1998:

Der Titel des Bandes "Der literarische Einfall" wird durch seinen Zusatz präzisiert: "Über das Entstehen von Texten". Vom "Einfall" bis zum fertigen Werk führt der mühsame Prozeß des Schreibens. Diesen dokumentiert der Band bestens.

Hubert Lengauer
Kolik. Zeitschrift für Literatur (Wien), 1/1998:

Auch hier, unter den Dichtern gibt es Kreationisten und Evolutionisten; es geht auch um erste Sätze, um Konstruktionen, um Textarbeit, um Kalkül; es gibt nonverbale Einfälle, Bilder [...] ein Foto reicht dem Autor, und alles schießt zusammen; es gibt mächtig verzögerte Zeugungsvorgänge, es gibt Spontanität und mühsame Kontinuität, es gibt den Druck von innen und den von außen [...]

Klaus Nüchtern
Falter (Wien), Nr. 6/1998:

Beispielhaft und glücklich erschließt sich dieses Nachforschen etwa an den jeweils ersten Sätzen zu verschiedenen Fassungen der "Untersuchung an Mädeln" von Albert Drach. [...] Nicht nur kann der Genese von Drachs Protkollstil nachgesonnen, es kann vor allem gezeigt werden, was ganz bestimmte literarische Verfahren im Unterschied zu anderen leisten (ein weiteres trefflich treffendes Beispiel liefern Jandls Bearbeitungen von "die bearbeitung der mütze"). [...] Gerade am Beispiel Doderers laßt sich sehr schön zeigen, daß sprachlich gefaßte Inhalte nicht einfach in eine vorher gefundene Form abgefüllt werden können. Und so mußte der penible Konstrukteur schwer überblickbarer Romane seine Pläne auch immer wieder umzeichnen.


© Nationalbibliothek, 2000
last update: 09.05.2008
Redaktion: Dr. Volker Kaukoreit / Peter Seda

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