[2/ S. 85:] 1988 wurde der Nachlaß von Manès Sperber (1905–1984) durch die ÖNB von Jenka Sperber, der Witwe des Schriftstellers, erworben
und 1989 an das soeben gegründete ÖLA weitergegeben.
Der Nachlaß gliedert sich in einen durch die Handschriften-, Autographen- und Nachlaß-Sammlung der ÖNB bearbeiteten Teil,
der vorwiegend aus Manuskripten des Autors besteht, und einen 1989 noch nicht bearbeiteten Teil, der hauptsächlich Sperbers
Korrespondenz enthält.
Auf eine spezifische Thematik seiner Korrespondenzen hat Sperber 1975 in seiner Rede anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises
der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung selbst hingewiesen. Er würdigt darin Korrespondenzpartner wie Arthur Koestler,
George Orwell, Albert Camus, André Malraux und Ignazio Silone und deren besondere Bedeutung für das intellektuelle Leben des
20. Jahrhunderts. Ihre Verdienste liegen für ihn vor allem darin, die Bindung des kritischen Intellekts an die Ideen und Hoffnungen
der Zeit vollzogen zu haben. In dieser Zeitgenossenschaft ist natürlich auch Sperber selbst in seinem Kampf gegen den Mißbrauch
sozialutopischer Entwürfe zu situieren.
Der Korrespondenznachlaß war in zweierlei Gestalt dem ÖLA übergeben worden. Zum einen waren einzelne Flügelmappen nach Briefpartnern
geordnet (Empfänger- und Schreiberbriefe zusammen, in mangelhafter chronologischer Reihenfolge), zum anderen waren 14 Ringordner
vorhanden, die in alphabetischer und chronologischer Reihenfolge (1949–1984) vermischte Korrespondenzen enthielten. Diesen
Ringordnern war noch ein weiterer Ordner mit Verlagskorrespondenzen beigefügt. Außerdem gab es einen Ordner mit Fotografien
(unter anderem Hermann Hesse mit Autograph), gewidmeten Texten (unter anderem Paul Celan), Briefen und Karten wichtiger Briefpartner
(unter anderem Albert Camus, André Malraux).
Diese vermutlich vom Autor selbst vorgenommene Ablage des Korrespondenznachlasses erleichterte es, einen ersten Überblick
über das gesamte Material zu gewinnen. Gut vier Fünftel der Briefe waren von Sperber auch beantwortet worden. Etliche seiner
Briefe sind in Form von unkorrigierten Durchschlägen vorhanden.
Nach den »Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen« (RNA) wurde die bisherige Ordnung aufgelöst und in alphabetisch
gereihte Schreiber- und Empfängermappen überführt. Aus diesen beiden Korrespondenzgruppen wurden Manuskripte (z. B. ein Typoskript [2/ S. 86:] Thomas Manns mit eigenhändigen Korrekturen), Briefe von Dritten und Fotografien ausgeschieden und gesondert aufbewahrt.
Unter den Korrespondenzpartnern Sperbers seien besonders genannt: Alfred Adler, Heinrich Böll, Max Brod, Albert Camus, Émile
M. Cioran, Jean Cocteau, Hilde Domin, Milo Dor, Constantine Fitzgibbon, Fritz Hochwälder, Eugène Ionesco, Hermann Kesten,
Henry Kissinger, Arthur Koestler, Wolfgang Kraus, André Malraux, Gustav Regler, Marcel Reich-Ranicki, Hans Sahl, Ignazio Silone,
Upton Sinclair, Stephen Spender, Friedrich Torberg, Hans Weigel, Élie Wiesel, Simon Wiesenthal und Arnold Zweig.
Die Korrespondenzen dokumentieren Sperbers Tätigkeit als Verlagsleiter bei Calman-Lèvy sowie seine mit seinem vielfältigen
Werk verbundenen Aktivitäten wie auch sein Privatleben. Bedeutende Kontakte mit tiefenpsychologischen Kreisen gewinnen ebenso
an Transparenz wie seine wechselnden politischen Anschauungen und Einstellungen. Aber auch für Sperbers besondere Beziehung
zu jungen Menschen und für sein persönliches Verhältnis zu Lesern seiner Werke bieten die Korrespondenzen ausführliche Information.
Der Nachlaß liegt nun vollständig zur wissenschaftlichen Auswertung bereit und soll datenbankmäßig erfaßt werden.
Alexander Damianisch
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