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- Biographie:
- Mutter von Dora Stockert-Meynert
- Meynert Johanna, geb. Fleischer (+ 20. 1. 1879), Gattin des Psychiaters Theodor Meynert, entfaltete in den 70er Jahren eine ausgedehnte soziale Fürsorgetätigkeit. Sie trat u.a. für die Rettung des Maria Theresien-Hospitals, für die Gründung des Hausfrauenver. für verarmte Frauen, für die Schaffung einer Dienstmädchenschule und eines Asyls für Arbeitslose ein. Vizepräs. und Reorganisatorin des Ver. für Jugendfreunde.
(aus: ÖBL)
- Die kurze Zeit, die ihr gegeben war, ihre Sendung zu erfüllen, und die sie alle Kräfte ihres starken Intellektes anzuspannen zwang und zu Beherrschern ihres Körpers werden zu lassen, um der Mitwelt zu dienen, leistete sie an sozialer Arbeit, was ein Frauenleben bis and Greisenalter zu füllen vermöchte. (...) So lenke sie zu ihrer öffentlichen Tätigkeit beinahe ungewollt - denn sie war ohne alle Eitelkeit - ihr eminent klarer und praktischer Blick für das Nächste und Wesentliche. Dieser durchdrang nach dem katastrophalen Jahr 1873 die Not des Volkes mit demselben Feuer des Helfenwollens wie die Verarmung des Mittelstandes.
Als Vizepräsidentin und Reorganisatorin des Vereines der Jugendfreunde wurde sie benso die Retterin unzähliger armer Kinder und Findlinge, wie durch ihre Übernahme der Leitung des Maria-Theresien-Hospitales die Helferin kranker Frauen und Wöchnerinnen. Ihren nach dem Krachjahr wirtschaftlich hilflos ringenden Schwestern half sie durch die Gründung des Hausfrauenvereines. Dort richtete sie auch eine Zentralstelle zur Unterstüzung verschämter Armer ein, die ihre Fähigkeiten zu verwerten strebten, sowie der Blinden, deren Unglück sie zu mildern suchte, indem sie ihnen Arbeit gab.
Der Verein zur Errichtung höherer Töchterschulen fand bei ihr begeisterte Förderung, aber auch die einer Dienstmädchenschule geschah - wenn auch erst lange nachdem sie selbst jeder irdischen Gründung entrückt war - auf ihren Wunsch und Antrag; doch unterblieb die Schaffung eines Asyles für Stellenlose, für das sie eintrat.
Nützenwollen war das Motiv ihres Daseins. Darum ließ, als sie gestorben war, der Wiener Magistrat in allen Straßen, die ihr Leichenzug berührte, die Laternen brennen. So sichtbar wurde sie der Öffentlichkeit zugezählt. Trotzdem hatte sie sich stets unabhängig von dieser gefühlt und ihre Familienpflichten durch ihr übriges Wirken niemals in den Hintergrund gedrängt. (...)
Als sie die Leitung des maria-Theresien-Hospitales auf den dringenden Wunsch ihres geliebten väterlichen Freundes Karl Rokitansky übernahm, geschah es mit schwerem Entschluß. Aber der Hilferuf, der an sie erging, bezeichnete sie als die einzig mögliche Retterin des finanziell völlig herabgekommenen Institutes, dessen ganzer Kassenbestand fünf Gulden aufwies. Es gelang ihr bald, Ordnung in die Verwaltung zu bringen und durch große Veranstaltungen die notwendigen Geldmittel zu beschaffen.
Auch die gefährdete Zillingdorfer Kinderkolonie des Vereines der Jugendfreunde zog sie durch einen Bazar in der Rotunde aus ihren Nöten und versetzte sie überdies noch in die Möglichkeit, ein neues Haus zu bauen.
Bei alldem lag es ihr so ferne, die bedeutende Frau herauszukehren, daß es jemand, dem kein Blick dafür gegeben war, gar nicht zu merken brauchte, wie gescheit sie war. Ihre heitere Natürlichkeit wurde durch die Schwierigkeit der übernommenen Aufgaben ebensowenig gestört, wie ihre humorvolle Menschenliebe, deren Klugheit auf jede Mentalität einzugehen verstand, unter Meinungsverschiedenheiten des Vereinslebenens litt. Wollte Gott, sie wäre ihrem Wirken und ihrer Familie länger erhalten geblieben. Aber ihre Unfähigkeit, sich zu schonen, ließ eine Erkältung unbeachtet, die ihren zarten Organismus in ein Siechtum warf, dem sie erlag.
(aus: Stockert-Meynert, Dora: Theodor Meynert und seine Zeit, 1930, S. 31 - 34)
- Quellen und Sekundärliteratur:
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