Karel Prušnik Gašper: Gemsen auf der Lawine

Buch, annotiertes Exemplar von Peter Handke, 322 Seiten, 06.11.2002 bis 21.06.2008

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Im Vorfeld der Arbeit an dem Stück Immer noch Sturm hat sich Peter Handke mit der Geschichte der Kärntner Partisanen in Form von Gesprächen mit Überlebenden, vor allem aber auf der Basis ihrer schriftlich niedergelegten Erinnerungen auseinandergesetzt. Einer Quelle kommt dabei eine zentrale Rolle zu, dem Buch Gemsen auf der Lawine von Karel Prušnik Gašper. Sein eigenes Handexemplar hat Handke mehrmals und in intensivster Weise durchgearbeitet. Wie sonst nur bei seinen eigenen Manuskripten markierte er dabei die verschiedenen Lektüredurchgänge mit genauen Datumseinträgen nach dem Muster »gelesen am« oder »wiedergelesen am«.

Besonders interessant ist ein mit grüner Tinte markierter Lesedurchgang, den Handke (wie seine Eintragungen am Ende des Buches zeigen) am »6. November 2002 in Chaville« beendet hat. Im Zuge dieser Lektüre trug der Autor Daten der Familienbiographie direkt in den Text ein. Wenn im Geleitwort des Buches beispielsweise von der »Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943« die Rede ist, schreibt Handke daneben: »Tod Gregors, im Oktober auf der Krim« (Gašper 1980, S. 5). Im Kapitel »Kampf im Erdbunker« fügt Handke – ebenfalls mit grüner Tinte – neben den Satz »Der 6. Dezember 1944 war für uns ein heißer Tag« die Frage: »ich 2 Jahre alt, war ich in Berlin?« (Gašper 1980, S. 225) Andere Lektüredurchgänge oder auch nur einzelne gelesene Passagen sind mit rotem oder grünem Filzstift, schwarzem Kugelschreiber oder Bleistift markiert; fast jede einzelne Seite des Buches ist solcherart intensiv angestrichen. Ein kompletter Lektüredurchgang (wie die entsprechende Eintragung verrät, ist es der dritte) endet am 21. Juni 2008 in Chaville. Großteils wurde dieser Durchgang mit blauem Kugelschreiber unternommen und sein genauer zeitlicher Verlauf innerhalb des Buchtextes noch einmal detailliert datiert.

»S.S.«, die Sigle für »Storm Still«, jene Regieanweisung aus Shakespeares King Lear, die Handkes Stück den Titel gibt, taucht an den Rändern des Buchtextes an unzähligen Stellen auf. Von besonderer Relevanz für das Stück – Handke trägt als Randbemerkung ein: »größte Stelle / Schaltstelle f. STORM STILL« – erweist sich der Absatz:

»Mit Marko ritt ich dann die Kolonne der Kämpfer entlang, die von Peruč bis nach Rechberg reichte. Unterwegs erzählte ich den neugierigen Kämpfern von den Ereignissen in Kärnten und zeigte ihnen unsere schönen Täler und Dörfer. Wie auf der Hand lag vor uns Eisenkappel mit seinen sechs Armen, den Bergdörfern auf den Graten: Lobnig, Leppen, Remschenig, Vellach, Ebriach und Zauchen. Vor diesen Armen zitterte das bauchige Eisenkappel, wo es noch von Gestapos wimmelte. Der Kommandant der Šercer-Brigade bewunderte die wilde Berglandschaft, die voll Wild war und seine Jagdleidenschaft weckte.« (Gašper 1980, S. 282)

Aus der Textpassage, die in mustergültiger Weise den Konventionen des realistischen Erzählens entspricht, gegen die der junge Handke sein Verdikt von der »Beschreibungsimpotenz« gesetzt hatte, nimmt er für sein Stück dann nur eine einzige Wendung. Diese unterstreicht er im Text, sie lautet: »Wie auf der Hand«. Wie auf der Hand liegend erscheint dem Partisan das Jaunfeld und wie auf seiner Hand hält es der Autor dann im fertigen Stück. (kk)

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorlage): 

Gemsen auf der Lawine. Der Kärntner Partisanenkampf (Klagenfurt: Drava 1980)

Entstehungsdatum (laut Vorlage):  zuendegelesen [/] am 6. November 2002 [S. 295]; 3. Mal zuende gelesen [/] am 21. Juni 2008 [S. 295]
Datum normiert:  06.11.2002 bis 21.06.2008
Entstehungsorte (laut Vorlage): 

Chaville

Materialart und Besitz

Besitz:  Privatarchiv Hans Widrich
Art, Umfang, Anzahl: 

1 annotiertes Buch, 322 Seiten

Format:  23,2 x 16 cm
Schreibstoff:  Kugelschreiber (schwarz, blau, rot), Fineliner (grün, violett)
Weitere Beilagen: 

Ein Zeitungsausschnitt aus den Salzburger Nachrichten zwischen S. 32 und S. 33