Österreichische Nationalbibliothek errichtet modernes Literaturmuseum in denkmalgeschütztem Ambiente

Pressemeldung

Die Generalsanierung des ehemaligen k.k. Hofkammerarchivs in der Wiener Johannesgasse schreitet voran: An diesem Ort wird ab 2015 das Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek die österreichische Literatur in ihrer Vielfalt erstmals umfassend präsentieren. Aus dem Architekturwettbewerb für die Einrichtung des Museums ging die Arbeitsgemeinschaft BWM Architekten mit PLANET ARCHITECTS als Sieger hervor. Für die Sanierung des Hauses und die Realisierung dieses innovativen Museumsprojekts stehen insgesamt 5,4 Millionen Euro zur Verfügung.

Das Haus

Das Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek entsteht im denkmalgeschützten, ehemaligen k.k. Hofkammerarchiv. Die zentrale Lage in der Johannesgasse 6 im ersten Wiener Bezirk gewinnt zusätzliche Attraktivität durch die Öffnung des Winterpalais des Prinzen Eugen und das neugestaltete Metro-Kino, die sich beide in unmittelbarer Nähe befinden.

Das Gebäude wurde im Revolutionsjahr 1848 als Finanzbehörde der Habsburgermonarchie errichtet und bis 2006 vom Österreichischen Staatsarchiv genutzt. Hier amtierte der österreichische Dramatiker Franz Grillparzer bis 1856 als Direktor des k.k. Hofkammerarchivs. Sein Arbeitszimmer ist bis heute im Originalzustand erhalten und integraler Bestandteil des Hauses, das auch aus diesem Grund ab 2015 Grillparzerhaus heißen wird.

Die Architektur

Aus dem Architekturwettbewerb für die Einrichtung des Museums ging die Wiener Arbeitsgemeinschaft BWM Architekten mit PLANET ARCHITECTS als Sieger hervor. Beide Büros haben sich bereits mit zahlreichen Kulturprojekten und Ausstellungsgestaltungen einen Namen gemacht. Ihr Entwurf überzeugt durch innovative Ideen und dem Respekt vor den denkmalgeschützten Räumen mit ihren historischen Archivregalen. Ihr Konzept erlaubt es, das Potenzial des einzigartigen Bestandes zu erhalten und ermöglicht zugleich ein abwechslungsreiches Gesamterlebnis. So stehen konzentrierte Informationsaufnahme, kurzweilige Einblicke und überraschende Auseinandersetzungen in entspannter Form nebeneinander. Charakteristika ihres umfassenden Konzeptes sind:

  • Der Archivcharakter bleibt sichtbar und ist strukturbildend, trotzdem gewinnt das Gebäude durch die Gestaltung eine neue öffentliche Funktion.
  • Die vorhandene, geschlossene Regalstruktur wird geöffnet, es entstehen Räume für Gruppen, Lese- und Studierzonen.
  • Die Regale werden durch eine modulare Mischung aus Vitrinen und Grafikelementen sehr abwechslungsreich gestaltet, eigene Buchobjekte dienen als Träger von Zitaten, Fotos und als Ausgangspunkte für multimediale Zusatzangebote.
  • Das Gesamtbild vermittelt Ruhe – betont durch die Linearität der Regale – und Offenheit – als eine der Haupteigenschaften von Literatur.

Das Museum

Auf zwei Ebenen findet sich eine abwechslungsreiche Präsentation der österreichischen Literatur vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Eine dritte Ebene steht für Wechselausstellungen zur Verfügung.

Das Museum wird AutorInnen und Phänomene des literarischen Lebens thematisieren, die innerhalb der jeweiligen Grenzen Österreichs Relevanz hatten. Die Einrichtung eines österreichischen Literaturmuseums ist dabei nicht nur ein österreichisches sondern zugleich ein europäisches Projekt. Die historischen Bruchlinien werden an der österreichischen Literatur besonders gut sichtbar aufgrund ihrer multiethnischen und mehrsprachigen Geschichte und aufgrund jenes „habsburgischen Mythos“, der bis heute in verschiedenen Ausformungen nachwirkt.

Dabei kommen die zentralen Fragen der österreichischen Identität und Geschichte ins Blickfeld: der Gegensatz von Provinz und Zentrum, die Spannung zwischen politischer Enthaltsamkeit und Engagement, der Umgang mit dem großen deutschen Nachbarn. Das Museum will die ästhetischen Qualitäten der österreichischen Literatur wie ihre Nähe zur Musik und bildenden Kunst zeigen, ein besonderer Schwerpunkt liegt aber auch auf der Sozialgeschichte: Wie leben AutorInnen? Welche ihrer Werke werden in den Kanon aufgenommen, welche fallen heraus? Wie funktioniert der Literaturbetrieb?

Die Verbindung aus thematischen und chronologischen Kapiteln führt zu den wichtigen historischen Meilensteinen und Zäsuren – von der Aufklärung und dem Biedermeier über die Ringstraßenzeit, die zwei Weltkriege, Zwischenkriegszeit, Exil und Kalter Krieg bis in die Gegenwart.

Die ausgestellten Objekte stammen aus den reichhaltigen Sammlungen der Österreichischen Nationalbibliothek und anderen wichtigen Institutionen. Neben Büchern, Manuskripten, Briefen, Zeichnungen und Fotos werden auch optisch und kulturhistorisch interessante Gegenstände ihren Platz finden. Darunter etwa jene Perücke, die Egon Friedell bei seinem berühmten Goethe-Sketch aufhatte, die Wanderstöcke von Peter Handke oder ein Wecker, der wichtiges Requisit bei einem der legendären Cabarets der Wiener Gruppe war.

Das berühmte Grillparzer-Zimmer im 2. Stock, im Originalzustand aus dem Jahr 1856 erhalten, ist integraler Bestandteil des Museums: Hier amtierte Franz Grillparzer als Direktor des k.k. Hofkammerarchivs, einige seiner Werke entstanden auf dem Schreibpult in diesem Zimmer. Zerrissen zwischen den Pflichten eines Finanzbeamten und seiner schriftstellerischen Mission, inspirierte er Franz Kafka zu dem schönen Satz: „Daß sich in Wien ordentlich leiden läßt, das hat Grillparzer bewiesen.“

Die Vermittlung

Das Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek richtet sich als Ort der Vermittlung gleichermaßen an KennerInnen und interessierte Laien und ist somit auch eine ideale Ergänzung für den Literaturunterricht an Schulen.

Die Wechselausstellungen auf der dritten Ebene bieten die Möglichkeit, besondere Aspekte der Literatur herauszugreifen. Gemeinsam mit den zwei Ebenen für die Dauerausstellung stehen somit insgesamt ca. 730 m2 zur Verfügung. Hinzu kommen Räume für Lesungen und Workshops im Erdgeschoß und im vierten Stock.

Für Jugendliche, aber auch für andere Besuchergruppen werden spezielle Vermittlungsmodule entwickelt. Sie bieten vertiefende Informationen und Materialien an, die zum einen zu bestimmten Exponaten in der Dauerausstellung führen, zum anderen aber auch ganz allgemein durch Text-, Bild-, Ton- und Filmeinspielungen ins literarische Feld leiten.

Weltliteratur aus Österreich

In Österreich wird Weltliteratur verfasst. Dennoch gibt es bislang kein zentrales Museum, das der Bedeutung der österreichischen Literatur für das kulturelle Leben Europas gerecht wird. Für die Kulturnation Österreich ist dies eine große Lücke, die die Österreichische Nationalbibliothek mit ihrem Literaturmuseum schließt“, betonte Generaldirektorin Dr. Johanna Rachinger.

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied: „Ich freue mich, dass Österreich als Land der Dichter und Literaten nun ein Museum bekommt, das ganz der Kunst des geschriebenen Wortes gewidmet ist. Die Finanzierung dieses wichtigen Projektes ist durch 2,6 Millionen Euro aus meinem Ministerium gesichert. Das neue Literaturmuseum wird ein Ort, der Vergangenheit und Gegenwart des österreichischen literarischen Schaffens erlebbar macht. Es fügt sich hervorragend in die lebendige Landschaft an Bildungs- und Kultureinrichtungen in Österreich.“

Die Finanzierung

Das in der Verwaltung der Burghauptmannschaft stehende Gebäude wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend mit 2,8 Millionen Euro saniert. Die Einrichtung des Museums finanziert das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur mit 2,6 Millionen Euro.

 

Pressefoto 1: Siegerentwurf für die Gestaltung des Literaturmuseums
© Arbeitsgemeinschaft BWM Architekten mit PLANET ARCHITECTS / Österreichische Nationalbibliothek

Pressefoto 2: Morgenmantel von Heimito von Doderer
© Österreichische Nationalbibliothek

Pressefoto 3: Regiestuhl von Ernst Jandl
© Österreichische Nationalbibliothek

Pressefoto 4: Goethe-Perücke von Egon Friedell
© Österreichische Nationalbibliothek

Pressefoto 5: Wanderstöcke von Peter Handke
© Österreichische Nationalbibliothek

Pressefoto 6: Wecker der „Wiener Gruppe“
© Österreichische Nationalbibliothek

 

 

 

 


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Mag. Thomas Zauner
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