Im Bleistiftgebiet: Die Morawische Nacht (2008)

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Die Prosabücher der letzten Jahre – darunter Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994), Der Bildverlust oder Durch die Sierra de Gredos (2002) und Die Morawische Nacht (2008) – liegen allesamt als Bleistiftmanuskripte vor, die mehrere hundert Seiten umfassen. In seinen Journalen und Notizbüchern hält Handke Gedanken und Ideen zu diesen Büchern fest, es existieren aber zu den einzelnen Werken keine dezidierten Konzepte oder gar genauere Werkpläne; auch konzise Notizen zu Struktur und Anlage dieser Bücher sind nicht vorhanden. So stellt die erste handschriftliche Fassung dieser umfangreichen Texte gleichzeitig die Reinschrift dar, die der Autor dann dem Verlag abgibt. Die gesuchte Schönschrift erklärt sich daraus, dass Lesefehler vermieden werden sollen.

Seitlich am Rand hält Handke in den Bleistiftmanuskripten das jeweilige Schreibdatum (ab und an auch die Uhrzeit) fest und manchmal auch den Ort, an dem er geschrieben hat. Meist ist es sein Haus in Chaville oder die unmittelbare Umgebung. Beobachtungen, die er beim Schreiben machte, finden sich da und dort auch in Randzeichnungen umgesetzt: Ratten beispielsweise, die er an einem stillen Weiher sah oder Vogeltritte, die ihm auffielen. Tag für Tag schafft der Autor zwei bis drei Seiten Text. Stetig geht es in diesem Tempo ohne Pause über Monate dahin.

In den Druckfahnen, die er vom Verlag zurückerhält, wird oft noch ausführlich korrigiert und ergänzt, jedoch kaum etwas gestrichen. Im Fall der Morawischen Nacht gingen diese Korrekturen bis knapp vor Erscheinen des Buches, weshalb die Erzählung dann auch im Verlagskatalog unter dem ursprünglichen Titel »Samara« angekündigt war. (kk)

Werkgenese