1945 | Die Österreichische Nationalbibliothek nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war es eine der ersten Initiativen des wieder eingesetzten Generaldirektors Josef Bick, einen Antrag auf Umbenennung der Nationalbibliothek in Österreichische Nationalbibliothek zu stellen. Erst damals also war das Selbstbewusstsein, das Vertrauen in eine eigenständige österreichische Nation entstanden, das diese Umbenennung rechtfertigte. Erst nach 1945 also konnte die Österreichische Nationalbibliothek  im Einklang mit der gesellschaftspolitischen Entwicklung des Landes zu einem identitätsstiftenden Symbol der Österreichischen Nation werden. Wenn heute ihre jugendlichen und ihre älteren BenützerInnen im täglichen Umgang ebenso selbstverständlich von der NB sprechen, wie etwa die Pariser von der BN (Bibliothèque nationale de France), so kommt darin auch ein Selbstverständnis der Österreichischen Nation zum Ausdruck, das eigens nicht mehr bezeichnet werden muss.

1966 erfolgte eine wesentliche räumliche Erweiterung, indem weite Teile der Neuen Hofburg bezogen wurden und auch der neue, bis heute in dieser Funktion bestehende Hauptlesesaal am Heldenplatz eingerichtet wurde. Mit der Eröffnung des Bücherspeichers unter der Burggartenterrasse 1992 konnte die Bibliothek nicht nur ihre Magazinprobleme für einige Jahrzehnte lösen, sondern auch einen zusätzlichen Benützungsbereich für die neuen Medien und Großformate einrichten. Die bislang letzte große bauliche Veränderung wurde 2005 durch den Erwerb des neu adaptierten Palais Mollard in der Herrengasse erreicht. In diesem schönen Renaissancepalais haben inzwischen das Globenmuseums, das Esperantomuseum und die Musiksammlung einen neuen großzügigen Standort gefunden.

Damit wurden die räumlichen Voraussetzungen für eine effiziente Benützung der Bibliothek geschaffen, die heute durch die Einbeziehung elektronischer Informationssysteme und der Neuen Technologien als Präsentationsmedien ergänzt werden. So schafft die multimediale Darstellung der Bibliothek und ihrer wertvollen Bestände einer breiten Öffentlichkeit Einblicke und Zugänge zu den Schätzen, in Zukunft wird sie mehr und mehr auch eine konservatorische Aufgabe zum Schutz der Originale erfüllen.

Der richtige Gebrauch und die Benützung der Bibliothek sind kulturgeschichtlich betrachtet Teil des gesellschaftlichen Lebens und der politischen Kultur eines Landes und stehen in enger Beziehung zu den Herrschaftsstrukturen. Die schrittweise Öffnung der Bibliothek für einen immer weiteren Lesekreis spiegelt eine allgemeine Entwicklung zur Demokratisierung von Wissen seit der Aufklärung wieder. Die neuen Medien – insbesondere das Internet – bieten dazu heute ganz neue Möglichkeiten und sind so zu einer besonderen Herausforderung für Bibliotheken geworden.

Den wichtigsten Beitrag zum richtigen Gebrauch der Bibliothek leisten indessen die Benützerinnen und Benützer selbst, wenn sie die Vielfalt der angebotenen Wissensräume anerkennen, respektieren und mit ihrem Leben erfüllen: im Augustinerlesesaal, wo der atmosphärische Raum zu einem Teil der Lektüre werden und die Zeit sich aufheben kann, im Prunksaal, wo man durchaus ein wenig vor der Macht erschrecken soll, die Architektur einmal transportieren konnte, in den modernen Lesesälen, wo die Funktionalität, die Schnelligkeit und das Studium regieren, in den virtuellen elektronischen Räumen schließlich, die mehr und mehr unser Leben bestimmen. Trotz und in Zukunft vielleicht auch gegen alle Virtualisierung steht aber die Bibliothek als sichtbares Monument und als materieller Ort des kulturellen Gedächtnisses für die Sinnlichkeit, die Begreifbarkeit und die Begehbarkeit des Wissens, das sich in jener Arbeit erschließt, deren Ausübung sich geschichtlich die Menschen erst erkämpfen mussten und die man Lektüre nennt.

Benützungsbereich Moderne Bibliothek

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Globenmuseum im Palais Mollard

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last update 15.09.2013