Polens historische Schätze
Das Nationalinstitut Ossolineum zu Gast in Wien
Die Österreichische Nationalbibliothek pflegt intensiven Kontakt zu Nationalbibliotheken und Kulturinstitutionen anderer Länder. Vor allem die Beziehungen zu den EU-Mitgliedsländern des osteuropäischen Raumes sind ihr – auch aufgrund der gemeinsamen Geschichte – ein besonderes Anliegen. Kooperationen finden sowohl auf dem Gebiet der technologischen Entwicklungen im Bibliothekswesen als auch im historischen und kunstgeschichtlichen Bereich statt. Zudem fungiert die Österreichische Nationalbibliothek als Plattform des lebendigen kulturellen Austausches und der internationalen Kommunikation. Sie ermöglicht ihren BesucherInnen dadurch Zugang zu weit entlegenen, schwer erreichbaren oder nicht öffentlich zugänglichen Kulturschätzen von Weltrang.
Im Rahmen der Ausstellung Polens historische Schätze. Das Nationalinstitut Ossolineum zu Gast in Wien werden erstmals die historisch bedeutenden Sammlungsobjekte des Instituts in Österreich gezeigt. Für kurze Zeit haben Menschen aus aller Welt die Möglichkeit, diese prachtvollen Zimelien im Original zu besichtigen. Die Exponate sind nicht nur besonders sehenswert, sie sind auch Zeitzeugen der Geschichte Polens, die sowohl von großem Enthusiasmus und Lebensfreude aber auch von tiefer Trauer und Verlust geprägt ist. Anhand der wertvollen Bücher, Handschriften, Urkunden, Grafiken und Münzen, die aus mehreren Jahrhunderten stammen, wird diese Geschichte von der Monarchie über die Weltkriege und den Kommunismus bis zur Gegenwart dokumentiert. Die engen historischen Beziehungen zu Österreich manifestieren sich in der Person des Polen Joseph Maximilian Graf Ossoliński (1748–1826), Präfekt der Kaiserlichen Hofbibliothek von 1809–1826 und Gründer des Ossolineums. Er war es, der durch seine unermüdlichen Bemühungen um die Errichtung einer polnischen Gedächtnisstätte und mit seinen Kenntnissen um die Bedeutung des „nationalen Wissens“ und dessen Aufbewahrung für die Nachwelt, die Geschichte Polens und seiner Bevölkerung mitgeprägt und beeinflusst hat.
Unter den Highlights der Ausstellung, die im Original sonst nicht zu sehen sind, befinden
sich nicht nur prachtvolle alte Drucke und Handschriften wie das Krakauer Messbuch Missale Cracoviensis von Jan Haller (1515–1516), Pergamenthandschriften bis zurück in das 12. Jahrhundert und das so genannte Gebetsbuch des Wesirs Kara Mustafa, das gemeinsam mit seinem Zelt in der Schlacht vor Wien im Jahre 1683 vom Polenkönig Jan Sobieski erbeutet wurde, sondern auch Objekte mit musealem Charakter. Zu diesen ebenfalls einzigartigen und äußerst wertvollen Exponaten, die die Schau bereichern, gehören u.a. die mit Elfenbein reichlich verzierte Ebenholzschatulle zur Aufbewahrung des Manuskripts des polnischen Nationalepos Pan Tadeusz von Adam Mickiewicz (1798–1855), das ebenfalls ausgestellt ist, zahlreiche Gold-, Silber- und Bronzemedaillen mit historischen Motiven, wunderschön gemalte Gouachen und Aquarelle auf Papier und Elfenbein sowie die Zeichnung Alte Frau mit Brille von Rembrandt (1606–1669).
Die Ausstellung steht unter dem Ehrenschutz von Bundespräsident Dr. Heinz Fischer und S.E. dem Präsidenten der Republik Polen, Prof. Dr. Lech Kaczyński.
Historische Hintergründe
Polen im Angesicht des Staatszerfalls
Die Idee zur Gründung des Nationalinstituts entstand Ende des 18. Jahrhunderts als Polen nach der dritten Teilung im Jahre 1795, die von Preußen, Österreich und Russland beschlossen wurde, seine nationale Eigenständigkeit und Unabhängigkeit verloren hatte. Der Staat Polen hörte damit nach neunhundert Jahren auf zu existieren.
Joseph Maximilian Graf Ossolinski (1748–1826)
Im Hinblick darauf spielte das 1817 von dem Polen Joseph Maximilian Graf Ossoliński
(1748–1826) ins Leben gerufene Ossoliński-Nationalinstitut eine gewichtige Rolle. Es entstand eine in der Welt einmalige kulturelle Institution. Die Stiftung, die eine Bibliothek, ein Museum und einen Verlag beinhaltete, erhielt auch die Unterstützung seitens des österreichischen Kaisers Franz I. (1804–1835). Als Sitz der Einrichtung fungierte vorerst Lemberg, das als Ergebnis der ersten polnischen Teilung (1772) an Österreich gefallen und zur Hauptstadt Galiziens, einer habsburgischen Provinz, geworden war.
Identität durch Sammlerleidenschaft
Das aus der Sammelleidenschaft Graf Ossolińskis entstandene Institut entwickelte sich zum Erinnerungsort und zur nationalen Identitätsstätte aller Polen, unabhängig vom Teilungsgebiet, in dem sie lebten. In den Zeiten der Fremdherrschaft war man sich bewusst, dass diese Institution angesichts der mangelnden staatlichen Unabhängigkeit eine Schlüsselrolle zur Bewahrung der polnischen Kultur spielen sollte; zugleich wurde sie zu einer Plattform der Stärkung der europäischen Zugehörigkeit Polens. Das Lemberger Ossolineum strahlte auf alle Polen aus und bestärkte den Drang nach Unabhängigkeit, als dessen Ergebnis sich die Erlangung der polnischen staatlichen Selbstständigkeit von 1918 begreifen lässt. Lemberg, heute in der Westukraine gelegen, blieb Sitz des Instituts bis 1945; danach wurde es nach Breslau verlegt, das nach dem Zweiten Weltkrieg dem polnischen Staat zugeteilt wurde. Ein Teil der Sammlungen befindet sich heute in der Lemberger Stefanyk-Bibliothek der Nationalen Akademie der Wissenschaften, aus der auch einige der Exponate der Ausstellung stammen.
Das Ossolineum als polnischer und mitteleuropäischer Erinnerungsort
Das Institut gilt heute als polnischer Ort der Erinnerung, dessen Schicksal in die Geschehnisse in Ostmitteleuropa eingebettet ist. Die im Ossolineum gesammelten Dokumente und Kunstwerke erzählen die Geschichte einer Nation und belegen zugleich die Historie dieses Teiles von Europa. Die Bücher, Manuskripte, Gemälde, Zeichnungen, Radierungen, Münzen, Medaillen und Waffen verleihen dem Institut einen bibliothekarisch-musealen Charakter, der auch großen Einfluss auf seine Etablierung als Gedenkstätte hatte.
Graf Ossoliński selbst wandte sich bereits in einem „Zusatzdokument” zum „Stiftungsakt“ an seine MitbürgerInnen mit der Bitte um Schenkungen für seine Bibliothek. Weil das Ossolineum eine nationale Institution aller Polen darstellte, erreichte sein Aufruf ein breites Publikum, das nicht nur in den österreichischen, russischen und preußischen Teilungsgebieten lebte, sondern über die ganze Welt verstreut war. Man war sich bewusst, dass dieser Institution im Angesicht der fehlenden staatlichen Souveränität eine Schlüsselrolle im Erhalt der polnischen Kultur zukommen würde. Kunst und Literatur erwiesen sich schlussendlich als die wichtigsten Waffen im Kampf um den Erhalt der nationalen Identität.
Ort
Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek
Josefsplatz 1, 1010 Wien
Dauer
27. Februar bis 29. März 2009
Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag 10 – 18 Uhr
Donnerstag 10 – 21 Uhr
Eintritt
€ 7,– / ermäßigt € 4,50
Führungen
Zum Preis von € 3,50 jeden Donnerstag um 18 Uhr sowie
nach Vereinbarung unter
Tel.: (+43 1) 534 10-464, -261
Treffpunkt an der Prunksaalkasse
Zur Ausstellung
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog