Scherer, Sophie von
1817 - 1876
- Biographie:
- Scherer Sophie von, geb. Sockl, Schriftstellerin. * Wien, 5.2.1817; + Graz, 29.5.1876. (...) Tochter eines Tischlermeisters und Erfinders; wandte sich nach Jugendjahren als Malerin der Schriftstellerei zu und schrieb 1848 ein dreibändiges Bildungs- und Erziehungswerk für Frauen als Novum in Form eines unterhaltsamen Briefromans. Einerseits gab es Frauen der höheren und mittleren Stände prakt. Anweisungen für die Kindererziehung, andererseits legte es die spezif. Aufgaben der Frau, deren Bestimmung S. vorrangig als Gattin und Mutter sah, dar. Obwohl sie die Revolution von 1848 ablehnte, setzte sich S. für gewisse soziale Reformen, vor allem für die Dienstboten, ein, so für eine Altersversicherung. Ihre Gedanken zu kirchlichen Reformen, z. B. hinsichtlich der Aufhebung des Zölibats, erschienen ebenfalls 1848 in einem Schreiben an die Bischofskonferenz in Würzburg. Während die Kirche dieses unbeachtet ließ, wurde ihre darin enthaltene Kritik an den freireligiösen Dt. Katholiken von ihrem Bruder, Th. Sockl, in einem offenen Brief angegriffen. S.s Erwiderung - ihre letzte Publ. - war eine Verteidigung ihres röm.-kath. Glaubens.
(aus: ÖBL)
- "Eher ungewöhnlich für eine Frau ihrer zeit, macht Sophie Scherer - Mutter des bedeutenden Grazer und Wiener Kirchenrechtsprofessors Rudolf Ritter von Scherer (1845-1918) - im Herbst des jahres 1848 von der erst errungenen Pressefreiheit Gebrauch. In einem "Offenen Sendschreiben", datiert mit 17. November 1848, appelliert sie "im Interesse des katholischen Glaubens" an die erste, in Würzburg tagende gesamtdeutsche Bischofskonferenz. Als romtreue, überzeugte katholikin wendet sie sich gegen die auftauchenden Deutschkatholiken und deponiert öffentlich ihre im Erziehungswerk bereits angeführten kirchlichen Reformüberlegungen, wie die Vereinfachung des Gottesdienstes durch Weglassung von Litaneien und Gebeten, die nicht unmittelbar zum katholischen Glauben und zur Lehre selbst gehören, die Einführung der Landessprache im Gottesdienst oder die Aufhebung des Zölibats, damit die "Kluft" zwischen Pirestern und Weltleuten überwunden werde. (...) Das Schreiben der jungen Reformerin löst familiär einen Geschwisterzwist aus. Ihr Bruder, der den Deutschkatholiken nahestehende Wiener maler Tehodor Sockl (1815-186), wirft in einem offenen Brief seiner Schwester protestantische Gesinnung vor, die wiederum in ihrer öffentlichen "Erwiderung" die Argumente ihres Bruders entkräftet.
Auf sozialem Gebiet wendet sich Sophie von Scherer den Dienstbotinnen zu und regt über wohlmeinende Appelle hinaus wesentliche finanzielle und damit soziale Verbesserungen an, wie die Abfertigung von Dienstnehmerinnen bei heirat, die Altersversicherung, die Errichtung von Kindergärten, Maßnahmen der Jugendfürsorge und eine Art Kinderbeihilfe für sozial schwache Familien. Damit hat Sophie von Scherer die Notwendigkeit der gesetzlichen Verankerung der Sozialversicherung und der staatlichen Familienförderung etwa 100 Jahre vor deren Einführung erkannt und gefordert."
(aus: Kronthaler, Michaela: Prägende Frauen der steirischen Kirchengeschichte. 2000, S. 31)
- Werke in der ÖNB (erschienen bis 1929):
- Bildungs- und Erziehungs-Werk. Erfahrungen aus dem Frauenleben zum Selbststudium für Frauen, Mütter, Töchter. - Gratz, Kienreich 1848
Signatur: 20349-B.Alt
- Sekundärliteratur:
- Kronthaler, Michaela: Prägende Frauen der steirischen Kirchengeschichte. - In: Kirche und Christentum in der Steiermark, Bd. 5. - Kehl am Rhein, Echo-Buchverlag, 2000, S. 30 - 31
- Neunteufl, Herta: Frauen im Vormärz nach dem Bildungs- und Erziehungsbuch "Erfahrungen aus dem Frauenleben" der Grazerin Sophie von Scherer. - In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 7/8 (1974), S. 149 - 164
Signatur: 1042073-B.Per
Letztes Update: 25. April 2005