Entstehungskontext

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Bereits 1963 verfasste Handke einen Kurztext unter dem Titel Der Hausierer, der am 7. April 1964 in Radio Steiermark gesendet wurde. Dieser steht mit dem späteren Roman über das gemeinsame Mordmotiv lose in Verbindung und er wurde erst 1966 – im Entstehungsjahr des Romans – in der Zeitschrift Literatur und Kritik (Nr. 4/1966, S. 46-49) abgedruckt, sowie 1967 in den Sammelband Begrüßung des Aufsichtsrats aufgenommen. An seinem Romanprojekt Der Hausierer arbeitete Handke ab März 1966 in Graz, was er am 24. März seiner Mutter berichtete: »Ich arbeite im Moment an einem Roman, und es geht so halbwegs langsam, aber jeden Tag etwas« (Pichler, S. 83). Frühe stichwortartige Notizen, die dem Hausierer-Roman zugeordnet werden können, sind auf einem Programmheft zur damals umstrittenen Urfaust-Inszenierung im Grazer Schauspielhaus (Premiere 30. Jänner 1966) erkennbar, dessen Verbleib allerdings ungeklärt ist (Faksimile in Liepold-Mosser 1998, S. 40). Handkes Lebensgefährtin Libgart Schwarz war in dieser Inszenierung als Gretchen engagiert.

Am 8. Juni 1966 wurde sein erstes Stück, Publikumsbeschimpfung, in Frankfurt und Oberhausen uraufgeführt. Am 24. Juni 1966 fand im Grazer forum stadtpark eine Lesung aus dem Hausierer-Romanmanuskript statt (Handke las das »Ermordungskapitel«), etwa zeitgleich wurden in den manuskripten (Nr. 17 (1966), S. 7-11) Sätze aus dem »Mord«-Kapitel Die erste Unordnung veröffentlicht, die Handke schon im April 1966 auf der Tagung der Gruppe 47 in Princeton gelesen hatte. In der Zeitschrift Akzente (Nr. 5/1966, S. 468-477) wurde eine starke Überarbeitung dieses Romankapitels abgedruckt, was ein Indiz dafür ist, dass Handke für Der Hausierer im ersten Halbjahr 1966 noch keine endgültige Fassung gefunden hatte. Dieser Vorabdruck führte auch zu Diskussionen mit seinem Verleger Siegfried Unseld (Handke / Unseld 2012, S. 50-53). Im Sommer 1966 (Juli oder August, vgl. Herwig 2010, S. 140, Fußnote 111) übersiedelte Handke mit Libgart Schwarz von Graz nach Düsseldorf, wo sie ein Jahr später, am 28. November 1967, heirateten.

Ein völliger Neubeginn am Romanprojekt erfolgte im September 1966, wie ein Brief an Alfred Holzinger vom 8. September 1966 belegt (Pichler, S. 83). Seinen Freund Alfred Kolleritsch, den Herausgeber der manuskripte, vertröstete er am 18. September während einer intensiven Schreibphase folgendermaßen: »Lieber Freddy, nur nicht schimpfen, ich komme jetzt wirklich nicht dazu, weil ich jeden Tag an dem Roman arbeite und dann einfach unfähig bin. Aber für die nächsten manuskripte kriegst Du was, wenn Du noch magst.« (Handke / Kolleritsch, S. 8) Parallel zur Arbeit an Der Hausierer, die er Eigenaussagen zufolge nur mehr ungern unterbrach, schrieb Handke im Oktober 1966 noch sein Radiofeuilleton Zirkus. Die Dressur des Objekts für Radio Steiermark (Brief an Alfred Holzinger, 3. Oktober 1966 in Pichler, S. 83). Gegenüber Kolleritsch erwähnte er das noch immer nicht abgeschlossene Romanprojekt erneut in einem Brief am 22. November 1966 – es handelte sich bereits um die Herstellung einer zweiten, überarbeiteten Textfassung für den Verlag: »... ich bin auch nicht mehr recht beieinander, sollte den roman für suhrkamp abschreiben, tue aber nichts«. (Handke / Kolleritsch, S. 10)

Am 21. Dezember 1966 teilte Handke seiner Mutter die Fertigstellung der zweiten Textfassung mit: »... heute habe ich den fertig durchgearbeiteten Roman an Suhrkamp geschickt ...« (Haslinger, S. 109). Seinem Freund Kolleritsch berichtete am 5. Jänner 1967: »Den Roman habe ich jetzt fertig durchgearbeitet und an Suhrkamp geschickt«, und am 1. Februar 1967 teilt er die Neuigkeit auch Alfred Holzinger zugleich mit der Befürchtung mit, dass er wohl kein Bestseller werde (Pichler, S. 83). Am 27. Februar las er aus dem unveröffentlichten Roman in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in Wien. Einige Monate später schrieb Handke am 18. Juli 1967 an Kolleritsch – mittlerweile hatte er sein Stück Kaspar abgeschlossen: »im augenblick habe ich ein stück fertig, lang, aber nicht sehr lang, wie ein film. hoffentlich wirds ein reißer, der roman, der im herbst kommt, wenigstens broschiert, wird's ja sicher nicht.« (Handke / Kolleritsch, S. 17)

Handkes erster Lektor im Suhrkamp Verlag, Chris Bezzel, verließ noch während der Herstellungsarbeiten den Verlag und wurde von Urs Widmer abgelöst. Am 28. August 1967 erschien Der Hausierer laut Verlagsangabe bei Suhrkamp. Der Publikation war eine Debatte zwischen Handke, Unseld und Widmer um die Gestaltung des Buchumschlages vorangegangen, die schließlich in dem Kompromiss endete, dass das Buchcover ohne Abbildung, dafür mit einem von Handke verfassten Text gestaltet wurde. In der Suhrkamp-Jahresschau Dichten und Trachten von 1967 wurde ein Begleittext Handkes zum Roman unter dem Titel Über meinen neuen Roman »Der Hausierer« veröffentlicht, in dem es heißt: »Der Leser, wenn er eine Geschichte zusammensuchen will, kann sich nur an das äußere Kriminalgeschichtenschema halten, es gibt keine Geschichte zum Zusammensuchen, die Sätze lassen sich nicht logisch zusammensetzen« (Handke 1967b). Im nachfolgenden Jahr 1968 verfasste Handke in Anlehnung an die Romankapitel Die Befragung und Die falsche Entlarvung den Text Hörspiel, der unter dem Produktionstitel Hörspiel Nr. 1 am 23. Oktober 1968 in WDR I erstmals gesendet wurde (zur Hörspielbearbeitung vgl. Ðorđević 1989). (ck)

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