Grundeintrag 1998

[2/ S. 339:] Das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 ist eine Spezialsammlung Der Deutschen Bibliothek, der zentralen Archivbibliothek und des
nationalbibliographischen Informationszentrums der Bundesrepublik Deutschland. Gesammelt werden die zwischen 1933 und 1945
im Ausland erschienenen Veröffentlichungen deutschsprachiger Emigranten aus den Bereichen Literatur, Politik, Wissenschaft
und jüdische Emigration. Hinzu kommen ergänzende Materialien wie Fotografien und Verlagsprospekte sowie ein Zeitungsausschnittsarchiv.
Einen weiteren Sammelschwerpunkt bilden Nachlässe bzw. Teilnachlässe von Emigranten, Archive von Exilorganisationen und geschlossene
Sammlungen. Ende 1998 besaß das Deutsche Exilarchiv 140 Nachlässe usw.
Zum ältesten Bestand gehören die Unterlagen von drei großen Exilorganisationen, die Akten der American Guild for German Cultural
Freedom (New York), des Emergency Rescue Committee (New York) und des Deutschen P.E.N.-Clubs im Exil (London). Die Bestände
persönlicher Provenienz sind Nachlässe bzw. Teilnachlässe von Schriftstellern, Publizisten, Wissenschaftlern, von Theater
und Film nahestehenden Emigranten, von Exilforschern wie auch von nichtprominenten Emigranten. Darüber hinaus besteht eine
umfangreiche Sammlung von Einzelautographen, Manuskripten und größeren Konvoluten.
Eine Bestandsübersicht zu den Archivalien des Deutschen Exilarchivs kann im Internet eingesehen werden. Der Zugang ist über
die Homepage Der Deutschen Bibliothek (http://www.ddb.de/) oder direkt unter der Adresse http://www.ddb.de/standort/exil_bestand.htm
möglich. Die Bestandsübersicht liegt auch in gedruckter Form vor und wird auf Bestellung kostenfrei zugeschickt.
Für die Benutzung der Nachlässe und Autographen des Exilarchivs gilt die Benutzungsordnung Der Deutschen Bibliothek zusammen
mit den »Zusätzen zur Benutzungsordnung für die Archivalien vom 20. November 1997«.
Die Neuzugänge des Jahres 1998 waren vor allem durch die Fortführung des DFG-Projekts zur Erwerbung von »Nachlässen emigrierter
deutschsprachiger Wissenschaftler, Schriftsteller, Publizisten und Künstler in den USA« bestimmt, das auf Initiative von Professor
John M. Spalek von der State University of New York at Albany 1996 zustande gekommen war. Insgesamt 35 Nachlässe bzw. Teilnachlässe
wurden dem Deutschen Exilarchiv von John M. Spalek bisher vermi- [2/ S. 340:] ttelt, davon acht Nachlässe im Jahr 1998. Herausragende Erwerbungen im Rahmen dieses Projekts sind die Nachlässe von Leo Gross
(Rechtswissenschaftler, 1903-1990), Iwan Heilbut (Schriftsteller, Publizist, 1898-1972), Gina Kaus (Schriftstellerin, 1893-1985),
Paul Koretz (Fachanwalt für Filmrecht / Copyright, 1885-1980), Henry Marx (Journalist, 1911-1994) mit der Sammlung »Players
from Abroad«, Alice Maier und Joseph Maier (Soziologe, geb. 1911) mit dem Archiv der Hermann Weil Memorial Foundation, Ernst
Moritz Manasse (Klassischer Philologe, 1908-1997), Soma Morgenstern (Schriftsteller, 1890-1976), Kurt Oppens (Musikwissenschaftler,
1910-1998), Hedwig Rossi (Literaturwissenschaftlerin, 1891-1985) und Clementine Zernik (Juristin, unter anderem Mitbegründerin
der Austrian American Federation in New York, 1905-1996).
Darüber hinaus ist es dem Exilarchiv 1998 gelungen, unter anderen die umfangreichen Nachlässe des Politologen (»Futurologen«)
Ossip K. Flechtheim (1909-1998) und des Juristen und Publizisten Ernest Meyer (1908-1994), in dessen Nachlaß sich vielfältige
Unterlagen zur Publizistik im Exil und der ersten Nachkriegsjahre befinden, zu erwerben.
Bei den Einzelerwerbungen ragen zwei umfangreiche Briefkonvolute von Kurt Hiller heraus: an Herbert Friedenthal (Freeden)
mit 80 Briefen und an Rudolf Führmann mit 102 Briefen. Hinzu kommt ein Briefwechsel zwischen Gabriele Tergit und Will Schaber
mit mehr als 250 Briefen und zahlreichen Manuskriptbeilagen. Erwähnenswert ist auch ein ca. 30 Dokumente umfassendes Konvolut
aus dem Besitz von Andreas H. H. Eppenstein, das Internierungslager Camp Hay in Australien betreffend, darunter zwei Nummern
der seltenen Lagerzeitschrift »The Boomerang«. Darüber hinaus wurden Briefe bzw. Manuskripte unter anderem von Richard A.
Bermann, Hermann Broch, Martin Buber, Hans Habe, Mascha Kaleko, Ossip Kalenter, Dosio Koffler, Gustav Regler, Friedrich Torberg,
Theodor Wolff, Hermynia ZurMühlen und Arnold Zweig erworben. Zu den Neuzugängen gehört auch ein Brief von Thomas Mann aus
dem Jahr 1941 zum Thema Arthur Schopenhauer.
Die Leiterin des Deutschen Exilarchivs hat aus dem Vorlaß von Ernst Loewy die Jugendbriefe aus Palästina an seine noch in
Krefeld lebenden Eltern herausgegeben. Die Publikation, »Jugend in Palästina. Briefe an die Eltern 1935 bis 1938«, ist im
Dezember 1997 im Berliner Metropol Verlag in der von Wolfgang Benz verantworteten Reihe »Bibliothek der Erinnerung« erschienen
und wurde am 19. Februar 1998, in Zusammenarbeit mit dem Fritz-Bauer-Institut, von Ernst Loewy [2/ S. 341:] und der Herausgeberin Brita Eckert vor einem zahlreich erschienenen Publikum vorgestellt.
Die anläßlich des Österreich-Schwerpunkts der Frankfurter Buchmesse 1995 von Brita Eckert und Hans-Harald Müller erarbeitete
Ausstellung »Richard A. Bermann alias Arnold Höllriegel. Österreicher - Demokrat - Weltbürger« wurde vom 21. August bis zum
2. Oktober von der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz im Haus Unter den Linden gezeigt. Vom 10. November
bis zum 4. Dezember war die Ausstellung im Literaturhaus in Wien zu sehen. Die Eröffnung war mit der Vorstellung der aus dem
Nachlaß herausgegebenen Autobiographie Bermanns »Die Fahrt auf dem Katarakt« im Wiener Picus Verlag verbunden.
Für die Präsentation in Berlin und Wien war die Ausstellung durch neu erworbene Fotografien, Briefe, Bücher und Zeitungsartikel
Bermanns, die sich im Nachlaß seiner Nichte Clementine Zernik fanden, angereichert worden.
Auf Anregung des Thüringer Landesverbandes des Freien Deutschen Autorenverbandes zeigte das Deutsche Exilarchiv vom 5. bis
22. November seine Ausstellung »Deutsche Intellektuelle im Exil. Ihre Akademie und die ›American Guild for German Cultural
Freedom‹« im Thüringer Landtag in Erfurt. Für diese Präsentation mußte die Ausstellung stark überarbeitet werden: Die Geschichte
der beiden Organisationen wurde - gekürzt - auf 30 neu konzipierten Tafeln vorgestellt. Von den ursprünglich 33 Einzelfällen
war eine repräsentative Auswahl von zehn Fällen im Original zu sehen. Als Ersatz für den vergriffenen Katalog wurde ein Überblick
über die Geschichte von Akademie und American Guild vervielfältigt. Die Ausstellungseröffnung war gleichzeitig die offizielle
Veranstaltung des Landtags zum Gedenken an die Novemberpogrome 1938.
Mit der Ausstellung »Zuflucht auf Widerruf« (7. August bis 19. September) erinnerte das Deutsche Exilarchiv an Künstler, Schriftsteller
und Wissenschaftler, die aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Italien geflohen waren. Die Ausstellung des Deutschen
Exilarchivs basierte auf der 1995 in Mailand und Berlin von der Akademie der Künste in Berlin veranstalteten Ausstellung,
in Frankfurt war sie mit Exponaten aus eigenen Beständen zu Rudolf Blum und Walter Meckauer erweitert worden. Die bildende
Kunst war hier mit Grafik von Roland Hettner vertreten, die in Deutschland erstmals vorgestellt wurde.
Das Interesse der Medien am Exilarchiv war wieder erfreulich hoch. Nach ihrem politischen Feature »Koffer voller Schicksal«,
das 1998 im Deutschlandfunk gesendet worden war, erarbeitete Kristine von So- [2/ S. 342:] den in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Exilarchiv ein 55 Minuten langes Feature über die Schicksale fünf jüdischer Emigrantinnen,
deren Nachlässe das Exilarchiv besitzt - Anja Lundholm, Emma Kann, Clementine Zernik, Gertrud Isolani und Brigitte Kralovitz-Meckauer.
Mit dem Titel »›Als der Krieg zuende war und der Alltag wieder begann...‹. Lebenserinerungen jüdischer Emigrantinnen nach
1945, aus Nachlässen und Gesprächen zusammengestellt« wurde das Feature, das auch die Erwerbungs- und Erschließungstätigkeit
des Exilarchivs vorstellte, erstmals am 25. November im Norddeutschen Rundfunk (NDR) gesendet.
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