Über die Sammlung für Plansprachen

Esperanto

Das 1887 vom polnischen Augenarzt Dr. L. L. Zamenhof in einer schmalen Broschüre vorgestellte Projekt Lingvo Internacia - später Esperanto genannt - hat sich im Laufe der Zeit zu einer Vollsprache entwickelt und wird heute von einigen Millionen Menschen beherrscht. Es gibt über hundert internationale Esperanto-Organisationen, deren größte die Universala Esperanto-Asocio (Esperanto-Weltbund) mit Sitz in Rotterdam ist. Ein zentrales Ereignis ist der jährlich stattfindende Weltkongress (in Wien bereits viermal: 1924, 1936, 1970 und 1992).

Esperanto und andere Plansprachen sind auch wissenschaftsgeschichtlich relevant: Interlinguistische Arbeiten, die Vorurteilen gegen Plansprachen entgegentraten, waren Meilensteine in der Entwicklung der Sprachwissenschaft, indem sie alte Positionen überwanden und neue Fragestellungen ermöglichten, die dann u.a. zur angewandten Sprachwissenschaft führten. (Hugo Schuchardt: Auf Anlass des Volapüks. Berlin 1888)

Eng verbunden mit Plansprachen ist die Entstehung der Terminologie. Eugen Wüster (1898-1977), der Begründer der Terminologie als Wissenschaft, stellte fest, dass auch die terminologische Normierung nach ähnlichen Gesetzmäßigkeiten wie die Ausarbeitung einer Plansprache abläuft. Die Sammlung für Plansprachen befindet sich im Besitz des plansprachlichen Nachlasses von Eugen Wüster.

Plansprachen

Plansprachen sind eine wichtige Facette menschlicher Kreativität. Sie sind Studienobjekte jenes Wissenszweiges, den man seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Interlinguistik nennt.

Nach einigen Ansätzen im Mittelalter entstanden erst im 16. Jahrhundert die ersten ausgearbeiteten Plansprachen. Sie sollten Instrument logischen Denkens sein. Eine Reihe hervorragender Persönlichkeiten des europäischen Geisteslebens hat sich mit dem Problem beschäftigt: u.a. Francis Bacon, Jan A. Komensky (Comenius), René Descartes und Gottfried Wilhelm Leibniz.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstand ein neuer Typ von Plansprachen, den man zunächst als "Welthilfssprachen" bezeichnete. Als Folge der Zunahme internationaler Beziehungen stand nunmehr der pragmatische Aspekt im Mittelpunkt. Das Problem internationaler Verständigung wurde immer brennender. Die Schöpfer der Welthilfssprachen wollten einen Ausweg zeigen und legten daher Wert auf praktische Verwendung. Gefordert waren leichte Erlernbarkeit und Sprechbarkeit, Internationalität und Natürlichkeit.

Sprachplanung

Keine sogenannte Kultursprache kommt ohne planende Einflussnahme aus. Einige Beispiele:

  • Terminologische Arbeit ist Voraussetzung für internationalen Wissenstransfer in Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. Auf manchen Gebieten hat die Arbeit der Terminologiekommissionen sogar Einfluss auf die Alltagssprache.
  • Die Dudenredaktion normiert nicht nur die Rechtschreibung der deutschen Sprache, sondern sanktioniert oder verwirft durch ihre Beschlüsse auch andere Bereiche des Sprachgebrauchs.
  • Ohne gezielte Eingriffe durch die Académie Française hätte das Französische heute sicher ein anderes Gepräge.
  • Die rätoromanische Sprache im Schweizer Graubünden hatte bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts keine einheitliche Standardsprache, sondern bestand aus mehreren verschriftlichten Dialekten. Ab 1980 wurde an der Universität Zürich eine einheitliche Normsprache entworfen, die sich mittlerweile im Unterricht und im Amtsverkehr durchgesetzt hat.

Zwischen dieser Art planenden Eingriffs in die Sprache und der Erstellung einer Plansprache besteht kein prinzipieller, sondern nur ein gradueller Unterschied.


last update 30.07.2013