Frauen in Bewegung

Verein Wiener Settlement

Settlement - Lesezimmer
aus: Wiener Bilder, Nr. 44, 1901

Settlement - Spiel- und Speisezimmer der Kinder
aus: Wiener Bilder, Nr. 44, 1901

Wiener Settlement Plakat
aus: Malleier: Das Ottakringer Settlement

Allgemeines:
  • Ort: Wien XVI, Lienfeldergasse 60
  • am 8. Februar 1901 auf Initiative von Marie Lang gegründet (Vorbild: "Passmore Edwards Settlement" in London)
  • Gründerinnen: Marie Lang, Else Federn, Marianne Hainisch, Clementine Wiener und Baronin Amelie Langenau; weitere MitarbeiterInnen: Friederike Zeileis, Ernestine Federn, Karl Federn, Betty Kolm, Grete Löhr
  • tritt 1902 dem Bund Österreichischer Frauenvereine bei
  • es gelingt, zahlreiche Personen aus bürgerlich-liberalen, intellektuellen und sozialistischen Zirkeln für die Idee zu gewinnen; erster Präsident des Vereins ist der junge Karl Renner
  • Ziele: Aufsicht, Weiterbildung und Verköstigung von Kindern, deren Mütter außerhäusliche Erwerbsarbeit haben; Veranstaltung von Mütterabenden und Kursen zur Hebung des Bildungsstandes und des Verantwortungsbewußtseins der Mütter
  • der Eigentümer der Ottakringer Bierbrauerei, Karl Kuffner, stellt dem Verein ein kleines einstöckiges Arbeiterhaus mit Garten in der Friedrich Kaisergasse 51 zur Verfügung; zu einem eigenen Haus kommt der Verein erst im Jahr 1917
    (aus: Malleier, Elisabeth: Jüdische Frauen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung 1890 - 1938, S. 76)

  • "Nach umfassender Vorarbeit, als Krönung vieler Mühen, konnte am 15. Oktober d. J. das erste "Wiener Settlement" eröffnet werden. Frau Marie Lang, der Wien schon so manche moderne Institution verdankt, ist auch die geistige Mutter dieses Unternehmens. Die Ausführung lag in den tüchtigen Händen von Fräulein Else Federn, der als Leiter und Mitarbeiter der bestbekannte Dr. Carl Renner zur Seite stand. Was ein Settlement will und soll, wird einem großen Theil des Wiener Publicums noch nicht ganz klar sein. Die Institution stammt, wie die meisten Wohlfahrtseinrichtungen, aus England. Seine praktischen Ziele gipfeln darin, daß es Kindern armer Arbeiter, die tagsüber sich selbst oder der Straße überlassen waren, Heim und Obdach, Erziehung, Zerstreuung, Beaufsichtigung und einen kleinen Imbiß bietet. (...) Aber nicht nur den Kindern, sondern auch den Eltern soll das Settlement Ergänzung ihres eigenen Heims sein. Gediegene populär-wissenschaftliche Vorträge, gute Lectüre, gute Bidler und gute Musik, all dies soll der 'Volkssalon' seinen Mitgliedern bieten. Das Beste ist für den Arbeiter gerade gut genug, wenn er nach seines Tages Mühen noch Geschmack an cultureller Bildung finden soll. Es war nicht leicht, die Mittel auf privatem Wege zu beschaffen und darum darf dieser Eröffnungstag als ein cultureller Erfolg betrachtet werden.
    Der Empfang am Eröffnungsabend vollzog sich volksthümlich feierlich und früöhlich. In einem kleinen Haus in Ottakring, in der Friedrich Kaiserstraße Nr. 51, ist eine passende Wohnung gemiethet und eingerichtet worden. Die Räume sind durchaus modern in der Ausstattung und repräsentieren eine gelungene Verbindung von englischem Stil mit specieller Wiener Art. Weiß und strahlend licht, nur mit moderner blauer Querleiste und kleinen grotesken Phantasiestückchen in naiv-moderner Art, geschmückt, geben die Wände einen früöhlichen Hintergrund. Leider sind die Räume noch nicht von dem wünschenswerthen Umgang. Ein kleiner Saal, mit blauen Kästen, blauen Lampen, dient für Vorträge, Claviersspiel und künstlerische Darbietungen. Bücher, Bilder und gute warme Plauderecken finden sich in einem graziösen kleinen 'parlor', dem 'Mütterzimmer'. Zwischen beiden liegt die Küche, schneeweiß, zierlich und praktisch. Ein Cabinet, das als Garderobe und Anrichtezimmer dient, schließt die Wohnung, die durchwegs nach Entwürfen und Angaben der Künstler Hoffmann und Kolo Moser hergestellt wurde. Freilich, der anfang, der da gemacht wurde, ist winzig klein. Solche Erholungs- und Bildungsstätten des Volkes müßten in massenhafter Verbreitung bestehen und zwar fundirt aus Staats- oder mindestens Gemeindemitteln, eine Ausgabe, die wohl viel größere Ausgaben für Strafanstalten und Irrenhäuser erparen würde ..."
    Grete Meisel-Heß

    (aus: Wiener Bilder, Nr. 44, 1901, S. 10)

Dokumente:

  • Verein "Settlement". Jahresbericht des Vereines "Settlement". - Wien : Fischer, 1907-
    Bestand: Jg 6.1907, 29.1929
    Signatur: 452968-B.Neu-Per
  • Marie Lang. Gedenkblatt des Settlement für seine Mitglieder und Freunde. - Wien, 1935
    Signatur: 641584-C.Neu

Quellen und Sekundärliteratur:

  • Federn, Else: Settlement in Österreich. - In: Dokumente der Frauen 4 (1901) 19, S. 596 - 605
    Ariadne-Sonderaufstellung: FIB 84
  • Federn, Else: Zehn Jahre Settlement-Arbeit in Wien. - Wien : Selbstverl. der Zeitschrift für Kinderschutz u. Jugendfürsorge, [o.J.]
    Bestand: WienBibliothek
  • Festschrift zwanzig Jahre Settlement. - Wien [1921]
    Bestand: Sammlung Frauennachlässe
  • Grunwald, Kurt: The early Jewish settlements in Austria: A chapter of economic history. - In: The Journal of European Economic History 2 (1973) 1
    Signatur: FB Geschichtswissenschaften der UB Wien: Z 605
  • Malleier, Elisabeth: Jüdische Frauen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung 1890 - 1938 : Forschungsbericht. - Wien, 2001
    Signatur: 1641037-C.Neu
  • Schreiber, Adele: Settlements. (Ein Weg zum sozialen Verständnis.) - Leipzig, 1904. - (Socialer Fortschritt. 23)
    Signatur: 458059-B.Per.23
    Online bei ALO
  • Verein Settlement : Wien XVI, Lienfeldergasse 60. - In: 60 Jahre Bund Österreichischer Frauenvereine. - Wien, o. J.
    Signatur: 993025-B

Letztes Update: 6. Februar 2009