Entstehungskontext

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Noch im selben Jahr wie sein erstes Hörspiel Hörspiel schrieb Handke im Oktober und November 1968 das in der Titelgebung und Konzeption ähnliche Hörspiel Nr. 2. Im Entstehungszeitraum lebte Handke mit seiner Frau Libgart Schwarz noch in Düsseldorf, ab Anfang 1969, als es im Studio realisiert wurde, dann zusätzlich in Berlin, wo ihre gemeinsame Tochter Amina am 20. April, drei Tage vor der Ursendung geboren wurde. Dass die Idee zu Hörspiel Nr. 2 unmittelbar auf Hörspiel folgte, geht aus einem Brief Klaus Schönings an Handke vom 18. September 1968 hervor, in dem Schöning, anknüpfend an ein Treffen im Mai 1968 nachfragte: »Bis wann glauben Sie, den neuen Text, über den wir damals sprachen, fertigstellen zu können?« (HA WDR, 11680) Der erste Arbeitstitel lautete Taxi-Spiel oder Taxifunk. Schöning hakte am 8. November nach: »Was macht das "Taxi-Spiel"? Gibt es Schwierigkeiten? Können wir Ihnen irgendwie helfen?« (HA WDR, 11680) Dass Schöning am 4. Dezember bereits eine Kopie des Typoskripts an Heinz Hostnig und Johann M. Kamps (Saarländischer Rundfunk) und am 9. Dezember an Hermann Naber (Südwestfunk) sandte, lässt vermuten, dass Handke das fertige Werk etwa Ende November abgeliefert hatte. (HA WDR, 11680) Beide Rundfunkanstalten fungierten in der Folge als Koproduzenten. In einem Brief an seinen Freund Alfred Kolleritsch am 20. Dezember 1968 erwähnte Handke ebenfalls den Arbeitstitel, der jedoch in keiner der erhaltenen Typoskriptfassungen aufscheint: »[I]ch [habe] nichts Rechtes geschrieben inzwischen, ein paar Gedichte, ein andres Hörspiel. Dieses könnte ich Dir schicken, Taxifunk. Der WDR müßte es schon gedruckt haben.« (Handke / Kolleritsch 2008, S. 23) Handkes Hinweis auf den Abdruck scheint jedoch einer Verwechslung mit Hörspiel unterlegen zu sein, da Hörspiel Nr. 2 erst im 1969 erschienenen Suhrkamp-Reader sowie im WDR-Hörspielbuch 1969 veröffentlicht wurde. Ebenfalls am 20. Dezember sandte Klaus Schöning das druckfrische wdr Hörspielbuch 1968 an Handke, bedankte sich für die Zusammenarbeit und kündigte den Produktionstermin für Hörspiel Nr. 2 mit »wahrscheinlich März« an. Im selben Brief spricht Schöning auch bereits das nachfolgende »Projekt Nr. 3« an. (HA WDR, 11680) Der Studiotermin konkretisierte Schöning am 22. Jänner 1969 mit »10.-23.3.69« (HA WDR, 11680). In einem Brief am 29. Jänner 1969 kündigte Handke seinen Besuch bei den Studioaufnahmen an und sandte zugleich einen neuen Schlussteil für Hörspiel Nr. 2, den er mit rotem Farbband direkt in den Brief tippte, an Klaus Schöning. Dieser neue Schluss wurde in die Typoskriptabschrift von Textfassung 2 ohne weitere Änderungen übernommen, für den Erstabdruck im Suhrkamp-Reader sandte ihn Klaus Schöning am 11. Februar 1969 im Auftrag von Handke an Herrn Carle im Suhrkamp Verlag (HA WDR, 11680). Bei der Umsetzung im Studio wurde der ergänzte Schluss allerdings doch wieder gestrichen.

Hörspiel Nr. 2 wurde den Produktionsdaten zufolge von 8. bis 11. sowie vom 19. bis 23. März 1969 geprobt und am 25. März 1969 unter der Regie von Heinz von Cramer für den Westdeutschen Rundfunk aufgezeichnet. Am 23. April erfolgte die Ursendung im Programm von WDR III. Einen Tag nach der Ursendung, am 24. April 1969, erschien der erste Abdruck im »Handke-Reader« Prosa, Gedichte, Theaterstücke, Hörspiel, Aufsätze im Suhrkamp Verlag. Am 23. Mai berichtete Klaus Schöning schließlich über die zweimal erfolgte Ausstrahlung von Hörspiel Nr. 2 und sandte die erschienenen Kritiken an Peter Handke nach Berlin. (HA WDR, 11680) Hörspiel Nr. 2 wurde auch im WDR-Hörspielbuch 1969 veröffentlicht, zusammen mit Peter Handkes anderen Hörspielen erschien es 1970 erneut im Sammelband Wind und Meer im Suhrkamp Verlag.

Im Gegensatz zum Modell des »Verhörs« wie in Hörspiel greift Hörspiel Nr. 2 das Modell des »Anrufs« auf. Auch ein Bezug zu Der Hausierer ist durch Kriminalmotive weiterhin vorhanden (Nägele / Voris 1978, S. 98). Die Titel der ersten beiden Hörspiele machen deutlich, dass es weniger »Spiele über etwas als vielmehr Spiele, die sich selber darstellen« (Nägele / Voris 1978, S. 97), sind. Eine kurze Textstelle aus Hörspiel Nr. 2 (»Müde, matt, krank, schwerkrank, lebendig begraben, tot.«, WMS 48) taucht später in Wunschloses Unglück erneut auf, wie Günther Heintz feststellte (»Müde/Matt/Krank/Schwerkrank/Tot.«, WU 17; Heintz 1974, S. 58).

Handkes eigene Beschreibung zur Grundidee von Hörspiel Nr. 2 war dem Erstabdruck im Suhrkamp-»Reader« vorangestellt: »Dieses Hörspiel, obwohl es die Dramaturgie eines Taxi- oder Mietwagenfunks teilweise ausnützt, versucht, einem Hörbild von der Alltagsarbeit eines Taxi- oder Mietwagenunternehmens möglichst auszuweichen. Es ist nicht die Absicht des Hörspiels, zu zeigen, wie es in einer Funkzentrale wirklich zugeht. [...] Es ist auch nicht versucht worden, so etwas wie die Topografie einer Stadt, in diesem Fall die Topografie Düsseldorfs, zu geben. [...] Im ganzen könnte man also behaupten, es sei die Absicht des Hörspiels, all das zu vermeiden, von dem es eigentlich nach seinem eigenen Modell, dem des Taxifunks, handeln sollte.« (PGT 215) (ck)

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