Geliebt, verlacht, vergöttert. Richard Wagner und die Wiener

Am 22. Mai 2013 jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag des ebenso populären wie umstrittenen Komponisten Richard Wagner (1813–1883). Aus diesem Anlass beleuchtet die Österreichische Nationalbibliothek mit ihrer Ausstellung "Geliebt, verlacht, vergöttert. Richard Wagner und die Wiener" die bedingungslose Anhängerschaft, den Jubel, aber auch die Ablehnung und den Spott, den Wagner mit seinem revolutionären Lebenswerk in Wien erfuhr.

Einzigartige Höhepunkte der Schau sind die Originalhandschrift der Ouvertüre des "Tannhäuser", die Wagner gewidmete Dritte Symphonie von Anton Bruckner sowie die Meistersinger-Schrift von Johann Christoph Wagenseil aus dem Jahr 1697. Sie bildete die Grundlage für die "Meistersinger von Nürnberg", die Wagner in Wien konzipierte. Ergänzt werden diese selten gezeigten Kostbarkeiten durch historische Fotografien, Briefe, Zeitungsberichte und Karikaturen sowie eine eigens für die Ausstellung angefertigte Installation des Bühnenbildners Christof Cremer: zwei Skulpturen, in denen die gegensätzlichen Seiten Wagners – aus der Sicht seiner Anhänger bzw. seiner Gegner – eindrucksvoll aufeinanderprallen.

Die Ouvertüre zu "Tannhäuser" und Wagners erste Wien-Besuche

Richard Wagner hat, in bloßen Werkzahlen gemessen, kein großes Oeuvre hinterlassen. Das Wagner-Werkverzeichnis listet 113 Werke auf, alle Gelegenheitskompositionen und Widmungsblätter miteingeschlossen. Das Bild wandelt sich jedoch, wenn man bedenkt, dass diese Werke zu den umfangreichsten der gesamten Musikgeschichte zählen. Auch ein Blick in die Komponistenwerkstatt relativiert: Wagner hat seine gewaltigen Opern nicht einmal, sondern jeweils dreimal komponiert. Zunächst als einstimmige Verlaufsskizze, dann als Klavierskizze und schließlich in der Endfassung als voll ausgearbeitete Partitur.

Die Klavierskizze der Ouvertüre zu "Tannhäuser" aus dem Jahre 1845, einem der berühmtesten Werke Wagners, ist die bedeutendste Wagner-Handschrift der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek und eines der Highlights, die in der Ausstellung im Original zu sehen sind.

Der "Tannhäuser" ist das erste vollständige Werk Wagners, das in Wien zur Aufführung gelangte. Zwar besuchte Wagner die Stadt zum ersten Mal bereits als 19jähriger im Sommer 1832 und ein weiteres Mal im Revolutionsjahr 1848. Doch aufgrund seiner Beteiligung an der Dresdner Revolution blieben ihm die Wiener Bühnen aus politischen Gründen verschlossen. Der "Tannhäuser", 1857 im heute nicht mehr existierenden Thalia-Theater aufgeführt, war trotz reservierter Kritiken ein Publikumserfolg. Schon bald konnten sich die Wiener sogar an einer humoristischen Version des Stoffs von Johann Nestroy erfreuen, der im Stück selbst, wie ein bemerkenswertes Originalfoto in der Ausstellung zeigt, als Landgraf Purzel auftrat.

Wagner hört in Wien erstmals seinen "Lohengrin"

Der Erfolg des "Tannhäuser" öffnete Wagner die Türen zu den großen Häusern Wiens. Die Hofoper entschloss sich, 1858 den "Lohengrin" aufzuführen. Wagner hatte das Stück selbst noch nie gehört. Bei seiner dritten Reise nach Wien, im Mai 1861, hatte er endlich Gelegenheit dazu. Er wohnte der Probe bei und war zu Tränen gerührt: "Zum ersten Mal in meinem müh- und leidenvollen Künstlerleben empfing ich einen vollständigen, Alles versöhnenden Genuß." Bei der Aufführung erlebte Wagner den stürmischen Jubel des Publikums und musste sich nach jedem Akt auf der Bühne zeigen.

Wien schien ihm nun der perfekte Ort für die Uraufführung der 1859 vollendeten Oper "Tristan und Isolde". Doch die Anforderungen des Werkes, das bald als "unaufführbar" galt, waren enorm. Nach eineinhalb Jahren und 77 Proben setzte die Hofoper das Stück ab. Erst 1883 gelangte "Tristan und Isolde", von der Kritik wenig positiv besprochen, zur Wiener Erstaufführung.

Die "Meistersinger" und Wagners Flucht aus Wien

Anfang 1863 hatte Wagner eine Villa in Penzing bezogen, deren luxuriöse Ausstattung seine finanziellen Möglichkeiten aber weit überstieg. Wagners Bedürfnis nach Extravaganz, besonders sichtbar in seiner ausgefallenen Kleidung, wurde bald spöttisch kommentiert, besonders nachdem Wagners Briefe an seine Herrenausstatterin in der Zeitung landeten.

Wagner arbeitete zu dieser Zeit an einem neuen Opernprojekt, den "Meistersingern von Nürnberg". Als historische Quelle zur Meistersingerzunft diente ihm ein Werk aus der damaligen Hofbibliothek, das bis heute in der Österreichischen Nationalbibliothek verwahrt wird: Johann Christoph Wagenseils Buch "Von der Meister-Singer holdseliger Kunst" aus dem Jahr 1697. Das kostbare Original dieser einzigartigen, für das Verständnis der Wagner-Oper grundlegenden Schrift ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.

Ausgestellt ist auch ein sehr persönlicher brieflicher Hilferuf Wagners an einen Musiklehrer, in dem er um ein Darlehen über 2000 Thaler bittet und seine Notlage schildert: "Nur jetzt bin ich gradesweges am Versinken, in wirklicher Verzweiflung." Wagners Geldprobleme hatten überhand genommen, er stand kurz vor dem finanziellen Zusammenbruch und wegen seiner Schulden drohte ihm ein Haftbefehl. Am 23. März 1864 verließ Wagner daher Wien fluchtartig. Erst einige Wochen später erreichte ihn die erlösende Botschaft aus Bayern, dass Ludwig II. anbot, ihn aller materiellen Sorgen zu entheben.

"Götterdämmerung" in Wien und Bayreuth

Die späteren Wien-Besuche Wagners – 1872, 1875 und 1876 – standen im Zeichen der Werbung für die Bayreuther Festspiele, einer Idee, die Wagner dreizehn Jahre zuvor in Wien entwickelt hatte und an deren Realisierung Wiener Sänger, der Dirigent Hans Richter und der Maler Josef Hoffmann federführend mitarbeiteten. Die Ausstellung zeigt eine beeindruckende Auswahl an Hoffmanns Bühnenbildern, die zum Inbegriff der klassischen Wagner-Aufführung geworden sind.

Inzwischen war Wagner in Wien äußerst populär. An "Erscheinungen des Tollhauses" fühlte sich der junge Komponist Wilhelm Kienzl erinnert angesichts der Jubelstürme, die Wagners Konzerte mit Teilen aus der "Götterdämmerung" 1875 auslösten.

Doch dem Jubel des Publikums stand die Schärfe maßgeblicher Kritiker gegenüber. Eduard Hanslick, den Wagner in den "Meistersingern" mit der Figur des pedantischen Beckmessers verspottet hatte, revanchierte sich nun in der "Neuen Freien Presse": "Das Geschraubte, excentrisch Gekünstelte dieser Musikfragmente ermüdet und macht ärgerlich wie alle Wagner'schen Schrullen." Und als 1878 der "Siegfried" angekündigt wurde, spottete das Satireblatt "Die Bombe": "Auf der Klinik für Gehörkranke im allgemeinen Krankenhaus werden bereits Vorkehrungen für die Aufführungen von Richard Wagner's Siegfried getroffen." Garniert waren diese Artikel zumeist mit deftigen Karikaturen Wagners, was zahlreiche Originalzeichnungen in der Ausstellung bezeugen.

Wagners Tod am 13. Februar 1883 löste daher in Wien nicht nur Bestürzung in der Öffentlichkeit, sondern auch ironische Reaktionen in den Feuilletons aus. Wagner-Verehrer wie Anton Bruckner, der seine Dritte Symphonie dem "hocherhabenen Meister" widmete, waren zutiefst erschüttert. Das wertvolle Autograf der Dritten Symphonie Anton Bruckners ist ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung.

Held oder Spottobjekt – die Installation des Künstlers Christof Cremer

Das gespaltene Verhältnis der Wiener zu Wagner verdeutlicht eine Szene aus dem Jahr 1870, die sich bei der Erstaufführung der "Meistersinger" abspielte. Im "Neuen Wiener Tagblatt" schilderte Wilhelm Frey den tumultartigen Verlauf der Oper: "Das Haus war überfüllt … Gleich im ersten Akte jedoch stellten sich die Parteien mit seltener Schroffheit einander gegenüber; auf jedes Zeichen des Beifalls folgte Zischen und umgekehrt ward jedes leiseste Zischen mit einer Salve von Applaus beantwortet." Fast wäre es sogar zu einer Prügelei zwischen "Wagnerianern" und Gegnern gekommen.

Der Künstler und Bühnenbildner Christof Cremer greift in seiner eigens für die Ausstellung angefertigten Installation diese zwei Seiten Wagners auf. Dem Helden Wagner wird ein Denkmal gesetzt, dem eine Büste mit der Karikatur Wagners gegenübersteht. Stilistisch und gestalterisch ident ausgeführt, ist es nur der Ausdruck, der beide Skulpturen unterscheidet. Aufgestellt im Mitteloval des Prunksaals, sind sie in das für Wagner-Inszenierungen typische blaue Licht getaucht, wenden den Blick voneinander ab und veranschaulichen durch ihre räumliche Nähe, dass der Schritt vom Helden zur Karikatur klein ist. Richard Wagner hat, wie diese Ausstellung zeigt, genau das erlebt: Von vielen wurde er geliebt, von anderen verlacht und von manchen sogar vergöttert.

Ort

Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek
Josefsplatz 1, 1010 Wien

Dauer

23. November 2012 – 10. Februar 2013

Öffnungszeiten

Dienstag – Sonntag 10 – 18 Uhr
Donnerstag 10 – 21 Uhr

Eintritt

€ 7,–
Ermäßigungen siehe hier
Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre haben freien Eintritt in alle musealen Bereiche.

Freier Eintritt

Führungen

Zum Preis von € 4,– jeden Donnerstag um 18 Uhr sowie
nach Vereinbarung unter
Tel.: (+43 1) 534 10-464, -261
Treffpunkt an der Prunksaalkasse

Zur Ausstellung

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog: € 16,90
Erhältlich an der Prunksaalkasse

Hinweis

Informieren Sie sich über den Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek

Partner der Österreichischen Nationalbibliothek

Raiffeisen Zentralbank Österreich AG


last update 23.11.2012